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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 887/06 
 
Urteil vom 25. September 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle. 
 
Parteien 
C.________, 1962, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Felix Barmettler, Bahnhofstrasse 8, 6403 Küssnacht am Rigi, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 23. August 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
C.________, geboren 1962, ist seit 1. Februar 1987 als Hausangestellte im Zentrum S.________, tätig. Am 10. Februar 2003 meldete sie sich unter Hinweis auf Probleme mit den Beinen (eingeschränkte Belastbarkeit, Kraftlosigkeit und Schmerzen), bestehend seit 5. Januar 2002, bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Schwyz führte erwerbliche Abklärungen durch und holte einen Bericht des Hausarztes Dr. med. E.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 19. März bzw. 1. und 6. April 2003 ein, dem umfangreiche medizinische Unterlagen betreffend kardiologische Abklärungen und Eingriffe im Spital X.________ (vom 28. und 30. Januar, 18. und 28. Februar, 2. Juli, 19. August, 17. September und 23. Oktober 2002 sowie vom 19. Januar, 17. und 25. Februar 2003) und ein Austrittsbericht des Spitals Y.________ vom 22. Februar 2002 (wo C.________ vom 15. Januar bis 16. Februar 2002 hospitalisiert war) beilagen. Weiter veranlasste die IV-Stelle eine polydisziplinäre Abklärung in der MEDAS Zentralschweiz, Luzern (Gutachten vom 28. September 2004; im Folgenden: Medas), und holte eine Stellungnahme ihres medizinischen Dienstes vom 8. Oktober 2004 ein. Am 6. Dezember 2004 wies sie das Rentenbegehren ab und bestätigte ihre Verfügung mit Einspracheentscheid vom 21. März 2006. 
B. 
Hiegegen liess C.________ Beschwerde führen, welche das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 23. August 2006 abwies. 
C. 
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Zusprechung einer halben Invalidenrente seit 1. Januar 2003, eventualiter die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zur ergänzenden Abklärung und neuen Verfügung beantragen. 
 
Kantonales Gericht und IV-Stelle schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
2. 
Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach der massgeblichen Übergangsbestimmung (lit. c von Ziff. II der Gesetzesänderung vom 16. Dezember 2005) das bis 30. Juni 2006 gültig gewesene Recht (nur) für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen letztinstanzlich bereits anhängigen Beschwerden anwendbar. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde indes am 18. Oktober 2006 der Post übergeben und ging am 19. Oktober 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht ein. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft ab 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch der Versicherten ab 1. Januar 2003. Das kantonale Gericht hat die massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt: Art. 8 ATSG und Art. 4 IVG zum Begriff der Invalidität, insbesondere auch zu den Voraussetzungen, unter denen ein psychisches Leiden invalidisierend sein kann (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299 f. mit Hinweisen), Art. 6 ATSG zur Arbeitsunfähigkeit, Art. 7 ATSG zur Erwerbsunfähigeit sowie Art. 28 Abs. 1 IVG (hier anwendbar sowohl in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen wie auch in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung) zum Rentenanspruch. Darauf wird verwiesen. 
4. 
4.1 Die Vorinstanz würdigte die medizinischen Akten ausführlich und erwog, die Versicherte sei in somatischer Hinsicht unbestrittenermassen nicht invalid. Bei der im Rahmen der Medas-Begutachtung diagnostizierten langanhaltenden depressiven Entwicklung handle es sich nicht um eine invalidisierende andauernde Depression, sondern um depressive Verstimmungszustände ohne verselbstständigten Krankheitswert, zumal die psychosozialen und soziokulturellen Faktoren eindeutig dominierten. Diese Verstimmungszustände seien mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar, weshalb den Gutachtern der Medas nicht gefolgt werden könne, soweit sie nur eine 50%ige Arbeitsfähigkeit attestierten. 
4.2 Die Versicherte bringt vor, das kantonale Gericht gehe von einem unzutreffenden, willkürlich angenommenen Sachverhalt aus und verletzte dadurch das Recht. Soweit die Vorinstanz erwäge, die Beschwerdeführerin mache keine invalidisierende organische Gesundheitsschädigung geltend, verstosse sie zum einen gegen den Untersuchungsgrundsatz und zum anderen gegen das rechtliche Gehör, weil sie die diesbezüglichen Vorbringen und Beweisanträge ignoriere. Schliesslich setze sich das kantonale Gericht zu Unrecht über die Einschätzungen der Medas-Gutachter hinweg. 
5. 
5.1 Bei der Bemessung der Arbeits(un)fähigkeit handelt es sich um eine Tatfrage, soweit sie auf konkreter Beweiswürdigung und nicht auf allgemeiner Lebenserfahrung beruht. Deren Überprüfung ist somit nur im Rahmen der in E. 2 hievor erwähnten Einschränkungen möglich (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 f.). Dagegen stehen frei überprüfbare Rechtsfragen zur Diskussion, soweit gerügt wird, das kantonale Gericht habe den Untersuchungsgrundsatz, den Anspruch auf rechtliches Gehör und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (hiezu BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) verletzt (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400). 
5.2 Hausarzt Dr. med. E.________ attestierte unter Hinweis auf den Status nach Implantation eines aorto-biliacalen Y-Grafts, eine koronare Herzkrankheit sowie die ängstliche, unsichere und stressintolerante Persönlichkeit der Versicherten eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit von 50 %. Facharzt Dr. med. B.________, Innere Medizin/Angiologie FMH, welcher die Versicherte im Rahmen der polydisziplinären Medas-Begutachtung untersuchte, gelangte nach einlässlicher Abklärung (unter Anwendung auch bildgebender Verfahren [Farb-Doppler-Untersuchung der Gefässe]) und in Würdigung des auch von den Kardiologen am Spital X.________ bestätigten sehr guten postoperativen Resultats (vgl. Untersuchung im Herzkatheterlabor vom 25. Februar 2003) zum Ergebnis, die (im Vordergrund stehende) periphere arterielle Verschlusskrankheit schränke die Arbeitsfähigkeit nicht ein. Wenn Vorinstanz und IV-Stelle auf diese nachvollziehbar begründete fachärztliche Einschätzung abstellten und ohne weitere Abklärungen einen invalidisierenden organischen Gesundheitsschaden verneinten, verletzten sie damit weder den Untersuchungsgrundsatz noch den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör. Die tatsächliche Feststellung, wonach die Arbeitsfähigkeit aufgrund der somatischen Beeinträchtigungen nicht signifikant eingeschränkt sei, ist auch weder offensichtlich unrichtig noch beruht sie auf einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung und ist damit letztinstanzlich bindend (E. 5.1 hievor). 
5.3 
5.3.1 Dr. med. W.________, FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, diagnostizierte in seinem psychiatrischen Konsilium vom 27. Mai 2004 eine langdauernde depressive Entwicklung mit fehlender Anpassungsleistung bei einfach strukturierter Grundpersönlichkeit (ICD-10 F32.1) und attestierte eine Arbeitsunfähigkeit von 50 %. Der Psychiater führte im Bericht vom 1. Juni 2004 aus, markante Persönlichkeitszüge hätten das Leben der Versicherten seit ihrer Jugend geprägt. Im Folgenden schilderte er die von zahlreichen, teilweise schweren Schicksalsschlägen geprägte Lebensgeschichte der Beschwerdeführerin mit früher Heirat, ungewollter Kinderlosigkeit (Fehlgeburt im Jahre 1980; Frühgeburt eines Knaben im Jahre 1981, der drei Tage nach der Geburt verstarb), Untreue des ersten Ehemannes und späterer Scheidung, kurz darauf zweiter Ehe, die wiederum ungewollt kinderlos blieb (Fehlgeburt im Jahre 2001) und Verlust des eigenen Hauses im Bosnienkrieg. Dr. med. W.________ erklärte, die depressive Entwicklung habe nach der Untreue des ersten Ehemannes eingesetzt und sei nach der zweiten Heirat nicht besser geworden, zumal die zweite Ehe sich weitgehend in einer Art Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Sorge um Alltagsthemen erschöpft habe; zusätzlich sei die Versicherte belastet durch einen Konflikt am Arbeitsplatz mit einem neuen Chef. Der Psychiater begründete die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit damit, dass die Versicherte mit ihrer liebenswürdig-einfachen Lebensart keine Reserven habe, den körperlichen Einschränkungen erfolgreich zu begegnen, sich neu auszurichten, beruflich umzuorientieren und Chancen zu finden. Damit seien die Symptome einer schleichenden depressiven Entwicklung, einer Anpassungsstörung bei geringen Ressourcen und weitgehend fehlendem Durchsetzungsvermögen vorhanden. 
5.3.2 Die Feststellung einer vollständigen Arbeitsfähigkeit auch in psychischer Hinsicht ist letztinstanzlich ebenfalls nur eingeschränkt überprüfbar. Das kantonale Gericht hat in nachvollziehbarer Weise ausführlich dargelegt, weshalb es nicht auf die Einschätzungen im psychiatrischen Teilgutachten abstellte. Zu Recht weist es darauf hin, dass der Psychiater Dr. med. W.________ die schwierigen Lebensumstände der Versicherten explizit als Auslöser der depressiven Entwicklung bezeichnete und seine Beurteilung sich weitestgehend in der Darstellung der (unstreitig schweren) Belastungen und Enttäuschungen im Privatleben der Versicherten sowie der grossen Spannungen am Arbeitsplatz seit dem Wechsel des Vorgesetzten erschöpft. Selbst Dr. med. W.________ vermochte im Übrigen die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nicht nachvollziehbar zu begründen und begnügte sich mit dem Hinweis, der Arbeitgeber habe die praktische Einsatzfähigkeit der Versicherten "wohl zutreffend eingeschätzt", wenn er sie noch in 50%igen Umfang beschäftige. Diese Einschätzung ist umso weniger einleuchtend, als die Reduktion des Arbeitspensums vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem neuen Chef zu sehen ist. Soweit die Vorinstanz erwog, der erhobene psychiatrische Befund finde überwiegend in den psychosozialen und soziokulturellen Umständen seine hinreichende Erklärung, verstösst diese Beweiswürdigung nicht gegen Bundesrecht. Zu keinem anderen Schluss führt das Zeugnis des Hausarztes Dr. med. E.________ vom 5. Oktober 2006 (soweit dieses überhaupt berücksichtigt werden kann; BGE 130 V 445 E. 1.2 S. 446), wonach die Versicherte eine einfache, wenig differenzierte und sehr ängstliche Persönlichkeit sei, die sofort alles negativ sehe, psychisch über keine Reserven verfüge und die traumatischen Erlebnisse der Vergangenheit nie habe überwinden können. Die auf (antizipierter) Beweiswürdigung beruhende Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach die Versicherte (auch) aus psychischen Gründen nicht in rentenbegründendem Masse arbeitsunfähig sei, ist jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig und damit für das Bundesgericht verbindlich. Weiterungen erübrigen sich. 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 zweiter Satz OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse Schwyz zugestellt. 
Luzern, 25. September 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Meyer Bollinger Hammerle