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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 415/04 
 
Urteil vom 25. Oktober 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiberin Keel Baumann 
 
Parteien 
A.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, 
 
gegen 
 
Basler Versicherungs-Gesellschaft, Aeschengraben 21, 4051 Basel, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Fischer, Seehofstrasse 9, 6000 Luzern 6 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern 
 
(Entscheid vom 20. Oktober 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1959 geborene A.________ arbeitete seit Jahren in einem Gärtnereibetrieb in W.________. Am 12. August 1996 glitt er beim Aufheben eines ausgebrochenen Handsteines (Grösse ca. 40 x 25 cm), als er sich aufrichten wollte, mit nach links abgedrehtem Körper auf dem Untergrund aus. Unmittelbar danach verspürte er einen "einschiessenden" Schmerz im Rücken. Der zuständige Unfallversicherer, die Basler Versicherungen (nachfolgend: Basler), erbrachte Taggeldleistungen und übernahm die Heilungskosten. Am 21. April 1998 verfügte sie die Einstellung der Leistungen ab 1. Januar 1998 mit der Begründung, die noch vorhandenen Rückenschmerzen seien nur möglicherweise auf das Ereignis vom 12. August 1996 zurückzuführen. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 8. Oktober 1998 fest. Das hierauf angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hob den Einspracheentscheid auf und verpflichtete die Basler, A.________ über den 1. Januar 1998 hinaus Leistungen zu erbringen (Entscheid vom 25. Februar 2000). Mit Urteil vom 17. September 2001 wies das Eidgenössische Versicherungsgericht die hiegegen gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. 
 
Nach Beizug der Akten der Invalidenversicherung teilte die Basler A.________ mit Verfügung vom 11. November 2002 mit, dass die Behandlung der Rückenbeschwerden ab 1. September 2002 nicht mehr zu ihren Lasten ginge, weil keine Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden könne. Es handle sich nicht mehr um Heilbehandlung. Im Weitern hielt sie fest, dass die Arbeitsunfähigkeit ab 1. September 2002 psychischer Natur sei und die psychischen Beschwerden nicht adäquat kausal zum Unfallereignis seien, weshalb keine weiteren Taggeldleistungen mehr erbracht würden und kein Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung bestehe. Daran hielt sie auf Einsprache des Versicherten hin fest (Entscheid vom 24. Juni 2003). 
B. 
A.________ liess hiegegen Beschwerde erheben und beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Basler sei zu verpflichten, ihm über den 1. September 2002 hinaus Leistungen für das Unfallereignis vom 12. August 1996 zu entrichten. Die Basler habe ihm ab 1. September 2002 weiterhin Taggelder bei einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % zu erbringen und ihm bei einem Invaliditätsgrad von 76 % ab 1. September 2002 eine Rente auszurichten (wobei der versicherte Jahresverdienst gemäss Art. 24 Abs. 2 UVV festzulegen sei). Zudem sei ihm eine Integritätsentschädigung bei einem Integritätsschaden von mindestens 40 % auszurichten. Ein von ihm gleichzeitig gestelltes Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 7. November 2003 abgewiesen. 
 
Mit Entscheid vom 20. Oktober 2004 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde ab. 
C. 
A.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 20. Oktober 2004 sei aufzuheben und es seien ihm aus dem Unfallereignis vom 12. August 1996 über den 1. September 2002 hinaus Leistungen nach UVG zu entrichten. Er sei ab 1. September 2002 bei einem Invaliditätsgrad von 76 % zu berenten; eventuell seien weitere Taggelder bei einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit zu entrichten. Ferner sei eine Integritätsentschädigung festzulegen. 
 
Die Basler stellt den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesamt für Sozialversicherung, Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Soweit der Beschwerdeführer Leistungen aus einem Unfall vom 2. Oktober 2000 geltend macht, kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden, weil diesbezüglich keine Verfügung ergangen ist und es deshalb an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung fehlt (BGE 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw. 1b, je mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Im kantonalen Entscheid werden die Bestimmungen über den Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG), namentlich auf Heilbehandlung (Art. 10 Abs. 1 UVG), Taggelder (Art. 16 Abs. 1 UVG), Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG in der bis 30. Juni 2001 gültig gewesenen und in der ab 1. Juli 2001 geltenden Fassung; Art. 18 Abs. 2 UVG) sowie Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG), zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben werden auch die Rechtsprechung zu dem für eine Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (vgl. auch BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 406 Erw. 4.3.1 mit Hinweisen) und adäquaten (vgl. auch BGE 129 V 181 Erw. 3.2, 407 Erw. 4.4.1 mit Hinweisen) Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und eingetretenem Schaden sowie die besonderen Regeln zur Adäquanzbeurteilung bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa; vgl. auch BGE 129 V 407 Erw. 4.1.1 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
2.2 Bei der Prüfung eines allfälligen, schon vor dem In-Kraft-Treten des ATSG auf den 1. Januar 2003 entstandenen Anspruchs auf Leistungen der Unfallversicherung sind die allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln heranzuziehen, gemäss welchen - auch bei einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen - grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts galten. Demzufolge ist der Leistungsanspruch für die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der bisherigen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen zu prüfen (BGE 130 V 445). 
3. 
Wie die Vorinstanz nach einlässlicher Würdigung der medizinischen Unterlagen richtig festgehalten hat, waren die organischen Folgen des Unfalls vom 12. August 1996 spätestens Ende Oktober 2000 vollständig abgeheilt. Ebenso zutreffend ging sie davon aus, dass der Beschwerdeführer seit anfangs 2000 an einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge bzw. im Rahmen einer seit 1996 anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet (Gutachten der Dres. F.________ und D.________, Psychiatriezentrum des Spitals X.________, vom 21. Mai 2001). Dass diese in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 12. August 1996 steht, ist unbestritten. Streitig und zu prüfen ist hingegen die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zwischen den geklagten psychischen Beschwerden und dem erlittenen Unfall. 
3.1 Im Rahmen der für die Belange der Adäquanzbeurteilung vorzunehmenden Einteilung (BGE 115 V 139 Erw. 6) ordnete die Vorinstanz das Ereignis vom 12. August 1996 den leichten Unfällen zu, wobei sie ausführte, dass selbst die Annahme eines mittelschweren Unfalles im Grenzbereich zu den leichten Unfällen am Ergebnis (Verneinung der Adäquanz des Kausalzusammenhanges) nichts zu ändern vermöchte. 
3.2 Die Qualifikation als höchstens mittelschwerer Unfall im Grenzbereich zu den leichten Unfällen ist angesichts des augenfälligen Geschehensablaufs - einschiessender akuter Rückenschmerz beim Aufrichten des Körpers zum Heben eines Steines nach einer Drehbewegung - nicht zu beanstanden. Der Sachverhalt lässt sich ohne weiteres vergleichen mit dem in RKUV 2005 Nr. U 548 S. 228 beurteilten, in welchem ein Versicherter beim Hornussenspiel unmittelbar nach Einschlagen eines Noussens aus dem Stand heraus loslaufen wollte, um die durch die intensive Drehbewegung des Oberkörpers freigesetzte Rotationsenergie zu vernichten, und dabei mit dem linken Fuss am Boden haften blieb, wodurch der Energieschub auf den Rücken einwirkte (akut einschiessender Schmerz) und der Versicherte ein massives Rotationstrauma erlitt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers klar ausser Betracht fällt eine Zuordnung des objektiv relativ harmlosen augenfälligen Geschehensablaufs zu den schwereren Unfällen im mittleren Bereich bzw. im Grenzbereich zu den schweren Unfällen, wie sich durch einen Vergleich mit den von der Rechtsprechung diesem Bereich zugeordneten Unfällen ohne weiteres ergibt (vgl. dazu die Übersicht in RKUV 1999 Nr. U 330 S. 122 Erw. 4b/bb). 
3.3 Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist demzufolge zu bejahen, wenn ein einzelnes der in die Beurteilung einzubeziehenden Kriterien (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) in besonders ausgeprägter Weise erfüllt ist oder die zu berücksichtigenden Kriterien insgesamt in gehäufter oder auffallender Weise vorliegen (BGE 115 V 141 Erw. 6c/bb). Dabei sind bei der Prüfung der einzelnen Kriterien nur die organisch bedingten Beschwerden zu berücksichtigen, während die psychisch begründeten Anteile, deren (hinreichender) Zusammenhang mit dem Unfall den Gegenstand der Prüfung bildet, ausgeklammert bleiben. 
 
Besonders dramatische Begleitumstände oder eine besondere Eindrücklichkeit des Unfalles im Sinne der Rechtsprechung liegen nicht vor und werden vom Beschwerdeführer zu Recht auch nicht geltend gemacht. Sodann kann die festgestellte minimale lumbosacrale Funktionsstörung - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht als Verletzung, welche geeignet wäre, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen, betrachtet werden. Namentlich trifft die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgestellte und durch nichts belegte Behauptung nicht zu, dass Verletzungen im Rückenbereich generell geeignet wären, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. So hat die Rechtsprechung beispielsweise im Falle eines Versicherten, welcher verschiedene Verletzungen im Rückenbereich erlitten hatte, nämlich eine Steissbeinfraktur und eine Wirbelsäulenkontusion, eine Eignung derselben, psychische Fehlentwicklungen auszulösen, verneint (Urteil P. vom 5. Mai 2004, U 141/03, Erw. 2.3). Ebenso wurde entschieden bei einer lumbalen Rückenprellung mit Fraktur des Processus transversus Lendenwirbelkörper 3 und 4 rechts (Urteil M. vom 13. September 2004, U 131/04, Erw. 2.5). Nicht gefolgt werden kann ihm sodann auch, soweit er geltend macht, dass das Kriterium beim Vorliegen einer Vorschädigung erfüllt sei, was er aus Erw. 2d des Urteils P. vom 14. März 2001, U 137/00, ableitet, weil in diesem sich einzig mit dem natürlichen Kausalzusammenhang befassenden Entscheid eine Auseinandersetzung mit den Adäquanzkriterien gar nicht stattfand. Anhaltspunkte für eine ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hätte, liegen keine vor und werden auch nicht geltend gemacht. Was schliesslich das Kriterium der Dauerschmerzen anbelangt, ist zu berücksichtigen, dass die medizinischen Untersuchungen einzig eine minimale lumbosacrale Funktionsstörung ergaben, welche die geklagten Rückenbeschwerden nicht zu erklären vermochten; als weitestgehend psychisch bedingt haben die geltend gemachten Dauerschmerzen im Rahmen der Adäquanzbeurteilung deshalb ausser Betracht zu bleiben. Ähnlich verhält es sich mit Bezug auf das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung und des schwierigen Heilungsverlaufs: Wie bereits die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, hatten die seit dem Unfall vorgenommenen Untersuchungen vorwiegend diagnostischen Charakter und stand für den behandelnden Arzt Dr. med. Z.________ bereits ein halbes Jahr nach dem Unfall fest, dass bei rein konservativer Therapie mit ambulanter Behandlung eine Beschwerdefreiheit nicht zu erreichen sei (Bericht vom 18. Januar 1997), was offensichtlich ebenfalls im Zusammenhang mit der sich schon früh abzeichnenden psychischen Überlagerung stand. Zutreffend ist die Vorinstanz schliesslich davon ausgegangen, dass das Kriterium von Grad und Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit zwar erfüllt, aber nicht derart ausgeprägt gegeben ist, dass die Adäquanz des Kausalzusammenhanges alleine wegen dieses Kriteriums zu bejahen wäre: Die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers war zwar ab 19. August 1996 im bisherigen Beruf als Landschaftsgärtner (mindestens 50 %, zeitweise 100 %) eingeschränkt; in einem anderen Berufsbereich (Reinigung, Unterhalt und Wartung sowie leichtere Umgebungsarbeiten in einem Altersheim, Spital, Schulhaus oder Hotel etc.) bestand demgegenüber gemäss der Befas-Beurteilung vom 29. Oktober 1998 spätestens Ende Oktober 1998 wieder eine volle Leistungsfähigkeit. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer, soweit er aus dem Urteil P. vom 10. Juli 2000 (U 89/99), in welchem das Kriterium bei voller Arbeitsunfähigkeit während mindestens zehn Monaten und anschliessender Einsatzunfähigkeit im bisherigen Beruf als erfüllt betrachtet wurde, ableitet, dass das Kriterium im vorliegenden Fall in besonders ausgeprägter Weise erfüllt sei; auch im damals beurteilten Fall wurde diese zusätzliche Qualifikation nicht angenommen (vgl. die Übersicht zu den Fällen, in welchen das Adäquanzkriterium des Grades und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit bejaht wurde, ohne Prüfung, ob dieses in besonders ausgeprägter Weise erfüllt war: RKUV 2001 Nr. U 442 S. 544), ebenso wenig wie im Fall einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 2/3 während rund 20 Monaten (Urteil P. vom 27. Januar 2000, U 308/98). Da somit weder ein einzelnes der in die Beurteilung einzubeziehenden Kriterien in besonders ausgeprägter Weise erfüllt ist noch die zu berücksichtigenden Kriterien insgesamt in gehäufter oder auffallender Weise vorliegen, ist mit der Vorinstanz die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zu verneinen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 25. Oktober 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: