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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2D_59/2008 
 
Urteil vom 25. November 2008 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer,vertreten durch Rechtsanwältin Séverine Zimmermann, 
 
gegen 
 
Migrationsamt des Kantons Thurgau, Schlossmühlestrasse 7, 8510 Frauenfeld Kant. Verwaltung, 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, 8500 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 2. April 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ (geb. 1965) stammt aus dem Kosovo. Er reiste im März 1987 als Saisonnier in die Schweiz ein. Im August 1990 folgte ihm seine Gattin nach. Das Ehepaar hat drei hier geborene Kinder (1990, 1995, 1997). X.________ erlitt zwei Unfälle, nach denen er jeweils vorübergehend arbeitsunfähig war und von der Sozialhilfe unterstützt werden musste, worauf seine Aufenthaltsbewilligung 1994 nur noch provisorisch und mit der Auflage verlängert wurde, dass er sich in die hiesige Ordnung einzugliedern, ein geregeltes Einkommen zu erzielen, keine neue Schulden zu machen und sich strafrechtlich einwandfrei zu verhalten habe. Am 4. November 1999 wurde X.________ förmlich verwarnt, nachdem er wegen Hehlerei zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten bedingt verurteilt worden war. Am 30. April 2003 verurteilte das Amtsgericht Konstanz ihn wegen "gewerbsmässigen Einschleusens von Ausländern und Menschenhandels" zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt. 
 
B. 
Am 15. Februar 2006 lehnte es das Migrationsamt des Kantons Thurgau ab, die Aufenthaltsbewilligung von X.________ ein weiteres Mal zu verlängern; X.________ sei mehrfach verurteilt und verwarnt worden, ohne dass ihn dies dazu bewegt habe, sich an die hier geltende Ordnung zu halten. Seinen Angehörigen sei es zumutbar, ihr Familienleben gegebenenfalls mit ihm in der Heimat zu pflegen. Aus ordnungs- und sicherheitspolizeilichen sowie aus "vorsorglich armenrechtlichen Gründen" überwiege das öffentliche Interesse an einer Wegweisung das private Interesse an einem weiteren Verbleib im Kanton Thurgau. X.________ gelangte hiergegen erfolglos an das Departement für Justiz und Sicherheit sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau (Entscheide vom 15. Februar 2006 und 2. April 2008). 
 
C. 
X.________ beantragt mit Eingabe vom 2. Juni 2008 vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau aufzuheben und ihm den weiteren Aufenthalt im Kanton zu bewilligen; eventuell sei er lediglich zu verwarnen. Das Migrationsamt, das Departement für Justiz und Sicherheit sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gegenstand des angefochtenen Urteils bildet der Entscheid der Thurgauer Behörden, die am 24. Juni 2006 abgelaufene Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers nicht mehr zu verlängern und ihn wegzuweisen. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist hiergegen nur zulässig, falls das Bundesrecht oder das Völkerrecht dem Betroffenen einen Anspruch auf deren Erteilung bzw. Verlängerung verschafft (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG); gegen die Wegweisung ist sie immer ausgeschlossen (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Ob ein entsprechendes Anwesenheitsrecht besteht, ist im bundesgerichtlichen Verfahren Eintretensfrage (vgl. BGE 130 II 281 E. 1 S. 283 f.). Der Beschwerdeführer muss dabei seiner Begründungspflicht nachkommen und darlegen, inwiefern er über einen Bewilligungsanspruch verfügt (vgl. Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG; BGE 134 II 45 E. 2.2.3; 133 II 249 E. 1.1). Ob die vorliegende Eingabe diesen Anforderungen genügt, erscheint zweifelhaft, macht der Beschwerdeführer doch nur am Rande geltend, dass die Nichtverlängerung seiner Bewilligung mit Blick auf Art. 8 EMRK für ihn und seine Familie eine "grosse Härte" darstelle. Die Frage braucht nicht weiter vertieft zu werden, da materiell kein Bewilligungsanspruch ersichtlich ist. 
 
2. 
2.1 Nach Art. 126 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), welches am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, bleibt für Gesuche, die vor diesem Zeitpunkt gestellt worden sind, das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung (ANAG) anwendbar. Der Beschwerdeführer behauptet zu Recht nicht, gestützt auf dieses einen Anspruch auf die Verlängerung seiner Bewilligung zu haben: Ist ein Ausländer im Besitz der Niederlassungsbewilligung oder ist der Zeitpunkt für deren Erteilung bereits festgelegt, so hat sein Gatte zwar grundsätzlich Anspruch darauf, dass ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt bzw. verlängert wird (Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG). Weder der Beschwerdeführer noch seine Gattin oder ihre Kinder haben in der Schweiz jedoch je eine Niederlassungsbewilligung erhalten. Der Beschwerdeführer kann deshalb aus dieser Bestimmung nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dasselbe gilt für den Umstand, dass er seit 1987 mehrheitlich in der Schweiz lebt (vgl. BGE 130 II 281 E. 2.2 S. 284); die lange Anwesenheit allein verschafft keinen Anspruch darauf, dass eine Bewilligung verlängert wird. Weil der Beschwerdeführer in den vergangenen Jahren wiederholt gegen die öffentliche Ordnung verstossen hat, konnte ihm bisher keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden. Seine Aufenthaltsbewilligung wurde ihm jeweils nur auf Zusehen hin verlängert und an verschiedene Vorgaben geknüpft. Die Behörden durften deshalb "im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen" über deren weitere Verlängerung entscheiden (Art. 4 ANAG). 
 
2.2 Nichts anderes ergibt sich aus dem in Art. 8 EMRK und Art. 13 BV verankerten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Zwar kann es diese Garantien verletzen, wenn einem Ausländer, dessen Familienangehörige hier weilen, die Anwesenheit untersagt und damit das Familienleben vereitelt wird. Der sich hier aufhaltende Angehörige muss aber seinerseits über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen, was praxisgemäss nur der Fall ist, wenn er das Schweizer Bürgerrecht besitzt, ihm die Niederlassungsbewilligung gewährt wurde oder er über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, die ihrerseits auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht (BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f.). Dies ist hier nicht der Fall: Weder die Frau noch die Kinder des Beschwerdeführers verfügen in der Schweiz über einen gefestigten Aufenthalt. Aus dem Anspruch auf Schutz des Privatlebens ergibt sich ein Recht auf Verbleib im Land nur unter besonderen Umständen. Eine lange Anwesenheit und die damit verbundene normale Integration genügen hierzu nicht; erforderlich sind vielmehr besonders intensive private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286; 126 II 377 E. 2c S. 384 ff.; 120 Ib 16 E. 3b S. 22). 
 
2.3 Der Beschwerderführer befindet sich zwar seit rund 20 Jahren in der Schweiz; seine Bewilligung wurde indessen regelmässig nur provisorisch verlängert. Trotz ausländerrechtlicher Ermahnungen und Verwarnungen vermochte er sich nicht in die hiesigen Verhältnisse einzugliedern; im Gegenteil: Im Jahre 2002 wurde er (erneut) in nicht zu verharmlosender Weise straffällig, indem er sich in einem kriminellen "Club" im Konstanzer Rotlichtmilieu engagierte, dessen Ziel es war, systematisch Frauen aus osteuropäischen Ländern anzuwerben und diese der Prostitution zuzuführen. Jedes Clubmitglied sollte dabei für mindestens eine Frau zuständig sein, ihr eine Scheinehe mit einem deutschen Staatsangehörigen organisieren, sämtliche Unkosten für die Reise, die Scheinehe und Sonstiges vorstrecken und im Gegenzug 50 % ihres Dirnenlohns erhalten, so dass die Clubmitglieder hieraus ihren Lebensunterhalt hätten bestreiten können. Zudem konnten sie sexuelle Beziehung zu "ihrer" Prostituierten aufnehmen und hatten dafür zu sorgen, dass diese ihrer "Arbeit" nachgingen. Der Beschwerdeführer verhielt sich dabei entgegen seinen Ausführungen nicht nur passiv, war er doch für "Achire" verantwortlich, deren Kosten er übernommen hatte. Das entsprechende Strafverfahren in Deutschland verschwieg er den Migrationsbehörden gegenüber. 
 
2.4 Auch beruflich vermochte er sich hier nie richtig zu integrieren: Obwohl er trotz seiner Unfälle zu rund 70 % arbeitsfähig ist, geht er nur einer 50%-Beschäftigung nach. Seit seiner Einreise in die Schweiz hat er die Hälfte der Zeit - bei relativ langer Rehabilitationsdauer - entweder unfallbedingt nicht gearbeitet, wobei seine Familie mit Fr. 19'171.85 unterstützt werden musste, sich ohne Ergebnis (Taxifahrer) umschulen lassen oder war er in einem Beschäftigungsprogramm engagiert. Am 13. Dezember 2007 ist er im Kanton Appenzell Innerrhoden polizeilich kontrolliert worden, wobei er mit einem Kollegen aus dem ehemaligen Club unterwegs war und Fr. 4'500.-- sowie verdächtige Computerlisten auf sich trug; in ihrem Auto wurden zudem Hinweise darauf gefunden, dass "beide kontrollierte Personen intensiv Kampfsport" betrieben; die Polizei ging gestützt auf die Unterlagen, die beachtliche Geldsumme sowie die bei ihnen gefundenen Wettkarten davon aus, dass die beiden als Geldeintreiber unterwegs waren, um säumige Zahler aus Internet-Sportwetten zu besuchen. Gestützt hierauf erscheint der vom Beschwerdeführer behauptete Sinneswandel und seine inzwischen angeblich erfolgreich gelungene Integration wenig überzeugend. 
 
2.5 Richtig ist, dass die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers seine Angehörigen relativ schwer trifft. Diesen ist jedoch zumutbar, ihrem Gatten bzw. Vater gegebenenfalls in die gemeinsame Heimat zu folgen, nachdem sie selber hier nie über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügt haben. Die kantonalen Behörden haben dem Beschwerdeführer wiederholt Gelegenheit gegeben, sich in der Schweiz doch noch zu bewähren; obwohl der Beschwerdeführer wusste, was für ihn und seine Familie auf dem Spiel stand, nutzte er diese nicht. Einschneidend wäre eine allfällige Änderung des Lebensmittelpunkts vor allem für die drei Kinder, doch wird ein entsprechender Wechsel des Kulturkreises regelmässig als möglich und zumutbar erachtet, wenn es um die Übersiedlung aus dem Heimatland in die Schweiz geht. Aus Art. 8 EMRK ergibt sich weder ein Recht auf Einreise oder Aufenthalt in einem bestimmten Staat noch auf Wahl des für das Familienleben am geeignetsten erscheinenden Orts (EGMR-Urteil i.S. Slivenko gegen Lettland vom 9. Oktober 2003 [Nr. 48321/99], Rz. 94 mit Hinweisen); der Anspruch auf Achtung des Familienlebens ist nicht berührt, wenn die Familie bei einer zumutbaren gemeinsamen Ausreise in das Heimatland nicht getrennt wird (BGE 126 II 377 E. 2b/cc S. 383). Da der Beschwerdeführer nach dem Gesagten über keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Bewilligung verfügt, ist seine Eingabe nicht als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen. 
 
2.6 Sie ist auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln: Gemäss Art. 115 lit. b BGG ist zu dieser berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Weder das Willkürverbot noch das Verhältnismässigkeitsprinzip vermögen ein solches zu begründen (BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 197 ff.; 134 I 153 E. 4). Der Ausländer, der über keinen Rechtsanspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung verfügt, kann den die Aufenthaltsbewilligung verweigernden Entscheid nicht mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung dieser verfassungsmässigen Bestimmungen beanstanden (Urteil 2C_317/ 2008 vom 23. Mai 2008, E. 2.2). Was das verfassungsmässige Recht auf persönliche Freiheit betrifft, ergibt sich bereits aus den vorstehenden Erwägungen, dass der Beschwerdeführer hieraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag. Eine Verletzung von Verfahrensgarantien, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellen würde und trotz fehlender Legitimation in der Sache gerügt werden könnte, macht der Beschwerdeführer nicht geltend (Art. 42 i.V.m. Art. 116 BGG). Auf seine Eingabe ist demnach auch als subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten. 
 
3. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (vgl. Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 25. November 2008 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Merkli Hugi Yar