Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
I 616/99 Gi 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 26. Juni 2000 
 
in Sachen 
 
M.________, 1943, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt R.________, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden 
 
A.- Mit Verfügung vom 23. November 1998 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau dem 1943 geborenen M.________ eine halbe IV-Rente ab 1. Oktober 1995 zu. 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies die AHV/IV- Rekurskommission des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 2. September 1999 ab. 
 
C.- M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei ihm eine ganze IV-Rente zu gewähren. Eventuell sei die Sache zu näheren Abklärungen an die Verwaltung zurückzuweisen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Verbeiständung. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung sich nicht vernehmen lässt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die kantonale Rekurskommission hat die vorliegend massgebenden gesetzlichen Vorschriften über den Rentenanspruch in der Invalidenversicherung sowie die dazu ergangene Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist der Invaliditätsgrad. 
 
a) Der Beschwerdeführer wurde in der MEDAS Zentralschweiz polydisziplinär untersucht. Im Gutachten vom 3. März 1998 gelangen die Ärzte zum Schluss, dass die Arbeitsfähigkeit aus rheumatologischer Sicht zu 50 %, aus psychiatrischer Sicht zu 30-35 % und aus neurologischer Sicht nicht eingeschränkt sei. Insgesamt betrage die Arbeitsunfähigkeit in einer den Rücken wenig belastenden Tätigkeit wie der zuletzt ausgeübten in einer Polsterfabrik 50 %, wobei vor allem die rheumatologischen Befunde den Versicherten einschränkten. 
 
b) Die Vorinstanz hat auf diese Expertise abgestellt, während der Versicherte sie in mehrfacher Hinsicht beanstandet. Bei der Arbeit in der Polsterfabrik handle es sich um eine den Rücken stark belastende und daher nicht mehr zumutbare Tätigkeit. Sodann müsse die gesamte Arbeitsunfähigkeit mehr als 50 % betragen, wenn dieser Wert allein auf Grund der rheumatologischen Einschätzung schon erreicht werde und zusätzlich eine Einschränkung von 30-35 % aus psychiatrischer Sicht bestehe. Gemäss einem Bericht von Dr. med. S.________, Spezialarzt für physikalische Medizin, speziell Rheumatologie, vom 15. September 1998 betrage die gesamte Arbeitsfähigkeit in leichten Tätigkeiten weniger als 40 %. Die Vorinstanz habe nicht begründet, weshalb sie dem Gutachten der MEDAS den Vorzug gegeben habe. 
 
c) Die Ärzte der MEDAS haben zwar unabhängig voneinander eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % aus rheumatologischer und eine solche von 30-35 % aus psychiatrischer Sicht festgestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese isolierten Wertungen zur Bestimmung der gesamten noch verbliebenen Restarbeitsfähigkeit einfach zu addieren wären. Kann nämlich der Beschwerdeführer aus rheumatologischer Sicht nur noch eine Halbtagesarbeit verrichten, ist damit auch der psychiatrisch bedingten Einschränkung ausreichend Rechnung getragen. Demnach ist mit dem Gutachten der MEDAS davon auszugehen, dass die dem Versicherten gesamthaft noch verbliebene Restarbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit unter Berücksichtigung aller diagnostizierten Leiden 50 % beträgt. Darauf ist abzustellen; denn die Expertise wurde auf Grund von eingehenden polydisziplinären Untersuchungen sowie in Kenntnis der Vorakten verfasst, erscheint in ihren Ergebnissen schlüssig und vermag zu überzeugen. Gegen ihre fundierten und ausführlichen Erläuterungen vermag der rudimentär begründete Kurzbericht von Dr. S._______ nicht aufzukommen. Dabei kann offen bleiben, ob die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Polsterfabrik hinsichtlich der Rückenbelastung wirklich nicht mehr zumutbar ist. Denn die Versicherten haben gemäss der ihnen obliegenden Schadenminderungspflicht auf dem gesamten, ihnen noch zumutbaren, ausgeglichenen Arbeitsmarkt nach einer passenden Stelle zu suchen. Auf diesem aber stehen dem Beschwerdeführer eine ausreichende Anzahl Alternativen offen. Entgegen den Behauptungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die IV-Stelle die noch in Frage kommenden Arbeitsplätze in der Begründung der angefochtenen Verfügung rechtsgenüglich umschrieben. 
 
d)ZuprüfenistweiterderErwerbsvergleich. Dabei ist gemäss Auskunft des letzten Arbeitgebers, der F.________ AG, vom 6. Juli 1995 erstellt, dass der Beschwerdeführer ohne seine Gesundheitsschäden 1995, im Jahre des Rentenbeginns, ein Einkommen von Fr. 4322. - im Monat (x 13) oder Fr. 56'186. - im Jahr erzielt hätte. 
 
aa) Zur Bestimmung des noch zumutbaren hypothetischen Einkommens als Invalider zog die Vorinstanz die Lohntabellen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) bei. Dies ist nicht zu beanstanden, kann doch nach der Rechtsprechung bei Versicherten, die seit dem Eintritt der Gesundheitsschäden nicht mehr gearbeitet haben, auf die Tabellenlöhne zurückgegriffen werden (BGE 124 V 322 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). Da der Rentenanspruch im Oktober 1995 entstand, ist bei der Berechnung des hypothetischen Invalideneinkommens auf die Tabellenlöhne für das selbe Jahr abzustellen. 
 
bb) Gemäss Tabelle A 1.1.1 der LSE 1994 verdienten Männer in einfachen und repetitiven Tätigkeiten im schlechter bezahlten privaten Sektor durchschnittlich Fr. 4127. - im Monat (inkl. Anteil 13. Monatslohn). Diese Zahl beruht auf einer standardisierten 40-Stunden-Woche und ist auf die damals betriebsübliche durchschnittliche Arbeitszeit von 41,9 Stunden aufzuwerten (LSE 1994 S. 42; BGE 124 V 323 Erw. 3b/bb). Dies ergibt Fr. 4323. - im Monat oder Fr. 51'876. - im Jahr. Hinzu kommt die Nominallohnerhöhung von 1,3 % für das Jahr 1995 (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 26. Mai 1998, I 103/98). Dies führt zu einem Zwischenresultat von Fr. 52'550. -. Das nach dem MEDAS-Gutachten zumutbare Pensum beträgt 50 %, weshalb der Verdienst von Fr. 52'550. - auf die Hälfte, ausmachend Fr. 26'275. -, zu reduzieren ist. Weiter ist zu beachten, dass gesundheitlich beeinträchtigte Versicherte, die selbst im Rahmen leichter Hilfsarbeitertätigkeiten nicht mehr voll leistungsfähig sind, oft überproportional weniger verdienen als ihre gesunden Kollegen. Auch das Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie der Beschäftigungsgrad haben unter Umständen Auswirkungen auf die Lohnhöhe (BGE 124 V 323 Erw. 3b/aa und bb). Dies kann bei der Berechnung des hypothetischen Invalideneinkommens zu einem Abzug von den Tabellenlöhnen führen. Ein allfälliger Abzug ist aber nicht automatisch in jedem Fall zu gewähren, sondern jeweils unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen (vgl. AHI 1999 S. 181 und S. 243 Erw. 4c, 1988 S. 292 oben). Er ist unter Berücksichtigung aller in Betracht fallender Merkmale auf insgesamt höchstens 25 % zu begrenzen (noch nicht veröffentlichtes Urteil A. vom 9. Mai 2000, I 482/99). Selbst bei Gewährung des vollen Abzugs von 25 % von den erwähnten Fr. 26'275. - verbleibt ein hypothetisches Invalideneinkommen von Fr. 19'706. -, was im Vergleich zum hypothetischen Einkommen als Gesunder von Fr. 56'186. - einem Invaliditätsgrad von 65 % entspricht. Demnach ist für den Beschwerdeführer auch im günstigsten Fall kein Anspruch auf eine ganze Rente ausgewiesen, weshalb der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis standhält. 
 
3.- Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden, da die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Der Beschwerdeführer wird jedoch auf Art. 152 Abs. 3 OG hingewiesen, wonach er Ersatz zu leisten haben wird, wenn er dereinst hiezu imstande sein sollte. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt R.________ für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Parteientschädigung (inkl. Mehrwertsteuer) von Fr. 2'000. - ausgerichtet. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 26. Juni 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: