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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_218/2008 /fun 
 
Urteil vom 26. August 2008 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Christoph Rüedi, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Haftentlassung/Fortsetzung Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 25. Juli 2008 
des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wurde am 28. Juni 2008 in Untersuchungshaft gesetzt. Sie wird der falschen Anschuldigung, der Drohung, des Diebstahls, des Betrugs, der Urkundenfälschung, der Nötigung und der Sachbeschädigung verdächtigt. Die Untersuchungshaft wurde mit dringendem Tatverdacht und Fluchtgefahr im Sinne von § 58 Abs. 1 Ziff. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH) begründet. Ob auch Kollusionsgefahr im Sinne von § 58 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH bestand, wurde vom Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich offen gelassen. 
 
B. 
Ein Haftentlassungsgesuch der Verdächtigten lehnte der Haftrichter mit Verfügung vom 25. Juli 2008 ab. Neben dringendem Tatverdacht und Fluchtgefahr sah der Haftrichter nun auch Kollusionsgefahr als gegeben an. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 4. August 2008 beantragt X.________ im Wesentlichen, sie sei aus der Haft zu entlassen. Eventualiter seien Ersatzmassnahmen anzuordnen, subeventualiter sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und zur Neubeurteilung zurückzuweisen. 
 
Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen die willkürliche Anwendung von kantonalem Recht (Art. 9 BV i.V.m. § 58 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StPO/ZH), die Verletzung der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 31 BV), der Bestimmung von Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK und des Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). 
 
D. 
Der Haftrichter des Bezirksgerichts verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl verweist in ihrer Vernehmlassung vom 8. August 2008 im Wesentlichen auf ihre früheren Anträge und die Entscheide des Haftrichters. In ihrer Stellungnahme zu dieser Vernehmlassung weist die Beschwerdeführerin auf die am 18. August 2008 anberaumte Zeugeneinvernahme hin, nach deren Durchführung jedenfalls keine Kollusionsgefahr mehr bestehe. Der Haftrichter verzichtet in der Folge erneut auf eine Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft teilt am 18. August 2008 mit, dass an jenem Tag zwar die Befragung von zwei Zeugen erfolgt sei. Zufolge Ferienabwesenheit habe jedoch ein weiterer Zeuge nicht befragt werden können. Seine Befragung sei für den September 2008 vorgesehen. Die Beschwerdeführerin hält darauf in einer weiteren Stellungnahme an ihren bisherigen Ausführungen fest. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. Ein kantonales Rechtsmittel gegen den angefochtenen Entscheid steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG zulässig. Die Beschwerdeführerin nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Sie ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Das Bundesgericht kann nach Art. 107 Abs. 2 BGG bei Gutheissung der Beschwerde in der Sache selbst entscheiden. Deshalb ist der Antrag auf Haftentlassung zulässig. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2. 
Die Untersuchungshaft darf nach Zürcher Strafprozessrecht nur angeordnet bzw. fortgesetzt werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ausserdem ein besonderer Haftgrund vorliegt (§ 58 Abs. 1 StPO/ZH). Fluchtgefahr als besonderer Haftgrund liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, der Angeschuldigte werde sich der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe durch Flucht entziehen (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 StPO/ZH). Kollusionsgefahr als besonderer Haftgrund liegt vor, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss, der Angeschuldigte werde Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhaltes auf andere Weise gefährden (§ 58 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH). 
 
Die Beschwerdeführerin bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Sie wendet sich aber gegen die Annahme von Flucht- und Kollusionsgefahr. 
 
3. 
3.1 Das Vorliegen von Kollusionsgefahr bestreitet die Beschwerdeführerin zunächst mit dem Argument, die drei Zeugen, deren Einvernahme im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung noch nicht stattgefunden hatte, könnten zu den vorgeworfenen Tatbeständen nichts beitragen. Zudem habe die Staatsanwaltschaft seit dem Jahr 2005 Zeit gehabt, zwei dieser drei Zeugen zu befragen. Auch wenn der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt den Tatsachen entspräche, so liesse sich daraus nicht auf Kollusionsgefahr schliessen. Da der angefochtene Entscheid nicht konkret aufzeige, wie die Beschwerdeführerin auf die Zeugen einwirken sollte, werde die Begründungspflicht verletzt. 
 
3.2 Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden Prozessrechtes frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen des vorinstanzlichen Haftrichters willkürlich sind. Das von der Beschwerdeführerin angerufene Willkürverbot hat in diesem Zusammenhang keine darüber hinausgehende Bedeutung (vgl. BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen). 
3.3 
3.3.1 Kollusion bedeutet insbesondere, dass sich der Angeschuldigte mit Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitangeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst, oder dass er Spuren und Beweismittel beseitigt. Die strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass der Angeschuldigte die Freiheit dazu missbraucht, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhaltes zu vereiteln oder zu gefährden. Die theoretische Möglichkeit, dass der Angeschuldigte in Freiheit kolludieren könnte, genügt indessen nicht, um die Fortsetzung der Haft unter diesem Titel zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Indizien für die Annahme von Kollusionsgefahr sprechen (BGE 132 I 21 E. 3.2 S. 23; 128 I 149 E. 2.1 S. 151, je mit Hinweisen). 
3.3.2 Konkrete Anhaltspunkte für Kollusion können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Angeschuldigten im Strafprozess (Aussageverhalten, Kooperationsbereitschaft, Neigung zu Kollusion usw.), aus seinen persönlichen Merkmalen (Leumund, allfällige Vorstrafen usw.), aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen (Art der beruflichen, freundschaftlichen, familiären oder sozialen Kontakte). Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Kollusionsgefahr droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (vgl. BGE 132 I 21 E. 3.2.1 S. 23 f.; Urteil 1P.90/2005 vom 23. Februar 2005, E. 3.3, in: Pra 2006 Nr. 1 S. 1). Je weiter das Strafverfahren vorangeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind grundsätzlich an den Nachweis von Kollusionsgefahr zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24). 
3.4 
3.4.1 Im laufenden Strafverfahren wurden ausser einer Person bereits alle Zeugen von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Deswegen mit der Beschwerdeführerin auf das Fehlen von Kollusionsgefahr zu schliessen, wäre indessen falsch. Die Vorinstanz legt dar, in welcher Weise die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit auf ihr nicht genehme Äusserungen und Verhaltensweisen von Drittpersonen reagiert hat. Ihr wird vorgeworfen, unbefugt Kündigungsschreiben in fremdem Namen verfasst, Postsendungen von Drittpersonen ohne deren Wissen umgeleitet und Schreiben mit falschen Anschuldigungen verfasst zu haben. Sie soll eine der geschädigten Personen nach deren Aufforderung zum Verlassen der Wohnung beschimpft und aus deren eigener Wohnung ausgeschlossen haben. Schliesslich wird ihr vorgeworfen, die Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft mit einer möglichen Bombendrohung genötig zu haben, einen ihrer Angestellten zu entlassen. 
3.4.2 Die Beschwerdeführerin hat nach wie vor ein konkretes Interesse daran, sowohl die bereits befragten Zeugen wie auch den noch zu befragenden Zeugen zu beeinflussen. Das ihr vorgeworfene Verhalten zeigt, dass mit Ausübung erheblichen Druckes zu rechnen ist. Weil eine erhebliche Gefährdung der Wahrheitsfindung ausreicht, um Kollusionsgefahr zu bejahen, ist nicht entscheidend, ob ein solches Unterfangen im konkreten Fall als erfolgversprechend erscheint. Offen bleiben kann bei diesem Ergebnis auch, ob die neu eingetretene Tatsache der Befragung von zwei Zeugen während des bundesgerichtlichen Verfahrens im vorliegenden Urteil überhaupt zu berücksichtigen ist (BGE 107 Ib 167 E. 1b S. 169; 125 II 217 E. 3 S. 221 ff.). 
3.4.3 Insgesamt durfte die Vorinstanz unter den gegebenen Umständen davon ausgehen, dass Kollusionsgefahr bestehe. Damit muss der besondere Haftgrund der Fluchtgefahr nicht geprüft werden. 
3.4.4 Aus dem Gesagten folgt weiter, dass die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nachgekommen ist. Der Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) seitens der Beschwerdeführerin geht damit ins Leere. 
 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Die Beschwerdeführerin stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen: 
 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
 
2.2 Rechtsanwalt Dr. Christoph Rüedi wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 26. August 2008 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Dold