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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 19/02 
 
Urteil vom 26. September 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard und nebenamt-licher Richter Weber; Gerichtsschreiberin Riedi Hunold 
 
Parteien 
N.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokatin Dr. Suzanne Lehmann, St. Alban-Anlage 67, 4020 Basel, 
 
gegen 
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 6. Dezember 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 21. Januar 2000 setzte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (nachfolgend: AWA) N.________ (geboren 1963) ab 30. November 1999 für 40 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Es begründete dies damit, dass N.________ eine Stelle abgelehnt habe, da er nicht als Chauffeur im Getränkehandel habe arbeiten wollen. Hiegegen erhob N.________ Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Gleichzeitig reichte er unter Beilage des Arztzeugnisses des Dr. med. P.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, vom 3. Februar 2000, gemäss welchem er das Tragen und Heben von schweren Lasten und längeres Sitzen oder Stehen sowie jegliche Rückenbelastung aus gesundheitlichen Gründen zu unterlassen habe, ein Wiedererwägungsgesuch beim AWA ein. Am 7. März 2000 hob das AWA seine Verfügung vom 21. Januar 2000 wiedererwägungsweise auf, worauf das Sozialversicherungsgericht das Beschwerdeverfahren am 15. März 2000 als gegenstandslos abschrieb. Mit Verfügungen vom 8. März 2000 stellte das AWA N.________ ab 1. Januar 2000 für vier Tage wegen ungenügender persönlicher Arbeitsbemühungen, ab 21. Januar 2000 für 15 Tage wegen Nichtbefolgens der Kontrollvorschriften und von Weisungen des RAV sowie ab 30. November 1999 für 25 Tage wegen unwahren und unvollständigen Angaben in der Anspruchsberechtigung ein. N.________ erhob hiegegen Beschwerde. Am 13. Juni 2000 stellte das AWA ihn erneut wegen Nichtbefolgens der Kontrollvorschriften und von Weisungen des RAV ab 18. April 2000 für 23 Tage in der Anspruchsberechtigung ein. N.________ reichte dagegen Beschwerde ein. Mit Verfügung vom 22. September 2000 verneinte das AWA die Vermittlungsfähigkeit ab 1. Juli 2000. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht - nach Androhung einer reformatio in peius - mit Entscheid vom 6. Dezember 2001 ab und legte den Beginn der Vermittlungsunfähigkeit auf den 31. Oktober 1999 fest. Die übrigen Beschwerdeverfahren waren formlos sistiert worden. 
C. 
N.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. 
 
Sowohl das AWA wie auch das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt, die reformatio in peius sei unzulässig, weil die verschiedenen Verfahren nicht vermengt werden dürften. 
 
Art. 103 Abs. 4 AVIG legt fest, dass die kantonale Beschwerdeinstanz nicht an die Anträge der Parteien gebunden ist. Dies beinhaltet - wie bei Art. 132 lit. c OG - auch eine allfällige Schlechterstellung der versicherten Person (reformatio in peius). Gemäss Rechtssprechung muss die beschwerdeführende Partei auf eine mögliche Schlechterstellung aufmerksam gemacht und ihr Gelegenheit zum Rückzug des Rechtsmittels gegeben werden (BGE 122 V 166 mit Hinweisen). Diesem Erfordernis kam die Vorinstanz mit Verfügung vom 16. Juli 2001 nach. Der Beschwerdeführer machte jedoch von der Rückzugsmöglichkeit keinen Gebrauch, sondern hielt an seinen Rechtsbegehren fest. Die formellen Voraussetzungen einer reformatio in peius sind demnach erfüllt (vgl. BGE 107 V 23 Erw. 3a; vgl. in diesem Zusammenhang auch Art. 61 lit. d des noch nicht in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversiche-rungsrechts [ATSG; BBl 2000 5055]). 
 
Streitgegenstand ist die Frage der Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers. Das kantonale Gericht hat den Streitgegenstand nicht in unzulässiger Weise erweitert (BGE 125 V 415 Erw. 2a und d), indem es dem Versicherten entgegen der Auffassung des AWA bereits ab 31. Oktober 1999 und nicht erst ab 1. Juli 2000 die Vermittlungsfähigkeit absprach. Es war denn auch bei der Sachverhaltsermittlung, welche es von Amtes wegen vorzunehmen hat (Art. 103 Abs. 4 AVIG), berechtigt, Akten aus anderen den Beschwerdeführer betreffenden arbeitslosenversicherungsrechtlichen Verfahren beizuziehen. 
2. 
Eine der Voraussetzungen zum Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ist die Vermittlungsfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG). Gemäss Art. 15 AVIG ist eine arbeitslose Person vermittlungsfähig, wenn sie bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Zur Vermittlungsfähigkeit gehört demnach nicht nur die Arbeitsfähigkeit im objektiven Sinne, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen (BGE 125 V 57 Erw. 6a, 123 V 216 Erw. 3; ARV 1998 Nr. 46 S. 265 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Für die Annahme fehlender Vermittlungsbereitschaft auf Grund ungenügender Stellensuche bedarf es besonders qualifizierender Umstände. Solche sind aber nicht bloss dann gegeben, wenn eine versicherte Person trotz Einstellung in der Anspruchsberechtigung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG sich über längere Zeit hinweg nicht um ein neues Arbeitsverhältnis bemühte (Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Basel 1998, Rz 219) oder nachdem vorgängig eine oder mehrere Einstellungen in der Anspruchsberechtigung gemäss Art. 30 Abs. 1 AVIG verfügt worden waren. Vielmehr führen Arbeitsbemühungen, die nicht nur ungenügend oder dürftig, sondern derart unbrauchbar sind, dass sie besonders quali fizierende Umstände darstellen (wie z.B. blosse "pro forma" Bewerbungen), zur Vermittlungsunfähigkeit (ARV 1996/97 Nr. 19 S. 98 mit Hinweisen). 
3. 
3.1 Obwohl der Beschwerdeführer seit Oktober 1999 wegen chronischen Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung steht und Dr. med. P.________ festhält, das Tragen und Heben von Lasten, längeres Sitzen oder Stehen sowie jegliche Rückenbelastung seien zu unterlassen, hat sich der Versicherte nahezu ausschliesslich um Stellen beworben, die er wegen diesen Einschränkungen gar nicht ausüben konnte. Bezeichnenderweise fehlen gerade auch jegliche Bewerbungen in dem von ihm nunmehr ausgeübten Beruf als Taxichauffeur. 
 
Der Versicherte lehnte mehrfach die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen ab. So erschien er am 17. April 2000 nicht am vorgesehenen Arbeitsplatz der durch die Stiftung X.________ vermittelt worden war, da er für vier Wochen in Urlaub verreist war. Er war jedoch darauf aufmerksam gemacht worden, dass er Ferien vierzehn Tage im Voraus anzumelden hatte. Ein Nachweis, dass er diese Frist eingehalten hätte, leistete er nicht. Nachträglich wurde von ihm vorgebracht, dass es sich - entgegen der Ansicht des AWA - um eine Tätigkeit gehandelt hätte, welche ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre. Angesichts seiner Schadenminderungspflicht (Art. 16 Abs. 1 AVIG) wäre er jedoch gehalten gewesen, die Stelle anzutreten und zumindest zu versuchen, die übertragenen Arbeiten auszuführen. Am 16. Juni 2000 lehnte er auch die Teilnahme an einem vorübergehenden Beschäftigungsprogramm ab. Ebenso machte er Einschränkungen bezüglich des Arbeitsortes (nur Stellen innerhalb der Stadt Zürich), welche mit Art. 16 Abs. 2 lit. f AVIG nicht vereinbar sind. Zudem konnte er für die Monate Januar, Juli und August 2000 trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die Vorinstanz keine Arbeitsbemühungen vorlegen. 
3.2 All diese Momente zeigen, dass dem Versicherten die subjektive Bereitschaft fehlte, seine Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen. Die Tatsache, dass er sich weitgehend nur für Stellen bewarb, die er aus gesundheitlichen Gründen gar nicht ausüben konnte, lassen solche Anstrengungen unbrauchbar erscheinen. Gleich wirkt sich das Fehlen von Arbeitsbemühungen in den Monaten Januar, Juli und August 2000 aus. Ebenso muss der mangelnde Wille, an Beschäftigungsprogrammen teilzunehmen, gewertet werden. Seine Vermittlungsbereitschaft kann angesichts solch wiederholter qualifizierender Umstände nicht mehr als gegeben angenommen werden. Im Rahmen der Ermessenskontrolle ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Fehlen der Vermittlungsfähigkeit ab 31. Oktober 1999 annahm, da dies mit dem Beginn der ärztlichen Behandlung der chronischen Rückenbeschwerden in Übereinstimmung steht. 
4. 
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat das kantonale Gericht keine falsche Anwendung des Art. 30 AVIG vorgenommen. Auf Grund der seit 31. Oktober 1999 verneinten Vermittlungsfähigkeit ist eine der Anspruchsvoraussetzungen von Art. 8 AVIG nicht mehr gegeben. Da keine Anspruchsberechtigung mehr besteht, kann demzufolge auch keine Einstellung in der Anspruchsberechtigung erfolgen (BGE 126 V 520). Die Einwände des Versicherten gegen eine Einstellung zielen somit am Streitgegenstand, der Vermittlungsfähigkeit, vorbei. Deshalb erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglich vor-getragenen Rügen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Arbeitslosenkasse GBI, Zürich und dem Staatssekretariat für Wirt-schaft zugestellt. 
Luzern, 26. September 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Vorsitzende der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: