Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6P.93/2006 
6S.191/2006 /rom 
 
Urteil vom 26. September 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Parteien 
G.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Beat Muralt, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Postfach 157, 4502 Solothurn, 
Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, Postfach 157, 4502 Solothurn. 
 
Gegenstand 
6P.93/2006 
Strafverfahren, Willkürverbot, "in dubio pro reo", 
 
6S.191/2006 
Mehrfacher Betrug, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde (6P.93/2006) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.191/2006) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 16. Februar 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte G.________ am 16. Februar 2006 zweitinstanzlich wegen mehrfachen Betrugs und mehrfacher Veruntreuung zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von sechs Monaten. 
B. 
G.________ führt staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. 
 
Das Obergericht schliesst auf Abweisung der beiden Beschwerden (act. 7). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde rügt der Beschwerdeführer, das Obergericht habe Beweise willkürlich gewürdigt und den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt. 
 
Gemäss dem in Art. 32 Abs. 1 BV und in Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Grundsatz "in dubio pro reo" ist bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld zu vermuten, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. 
 
Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt ist, prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür, d.h. es greift nur ein, wenn der Sachrichter den Angeklagten verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw. schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden. Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen. Eine materielle Rechtsverweigerung ist nicht schon gegeben, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erschiene, sondern nur, wenn das Ergebnis schlechterdings mit vernünftigen Gründen nicht zu vertreten ist (BGE 127 I 38 E. 2a; 123 I 1 E. 4a S. 5 je mit Hinweisen). 
1.1 Der Beschwerdeführer beanstandet die Feststellung des Obergerichts als willkürlich, der Geschädigte sei eine hilflose und anlehnungsbedürftige Person. Er selbst habe vor Schranken dargelegt, dass der Geschädigte auf ihn einen ganz normalen Eindruck gemacht habe. Die aktenkundigen Arztberichte bescheinigten zwar, dass der Geschädigte seit Oktober 1996 unter anderem an einer Demenzerkrankung leide. Doch gehe daraus weder der Verlauf der Krankheit hervor noch ob der Geschädigte bereits im Deliktszeitpunkt 2002 das Bild eines hilflosen und anlehnungsbedürftigen Menschen erweckt haben müsse. 
 
Das Obergericht kommt nicht nur aufgrund der Arztberichte, sondern auch der Aussagen des Geschädigten zur Einschätzung, dieser sei bereits im Deliktszeitpunkt eine hilflose und anlehnungsbedürftige Person gewesen (angefochtener Entscheid S. 8 lit. e). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern auch die Aussagen des Geschädigten die obergerichtliche Feststellung als willkürlich erscheinen liessen. Damit genügt die Rüge den Begründungsanforderungen von Art. 90 Ziff. 1 lit. b OG nicht (BGE 130 I 258 E. 1.3), weshalb darauf nicht einzutreten ist. 
1.2 Der Beschwerdeführer bemängelt, das Obergericht habe bei der Feststellung des Sachverhalts unbesehen auf die Darstellungen des Geschädigten abgestellt. Wenn es aber davon ausgehe, dass dieser im Zeitpunkt der Delikte wegen bestehender Demenz einen hilflosen und anlehnungsbedürftigen Eindruck erweckt habe, dann hätte es nicht ohne weiteres auf die Angaben des nach seiner Auffassung dementen Geschädigten abstellen dürfen. Diese Begründung sei inkonsequent und somit willkürlich. 
 
Das Obergericht hat den Geschädigten nirgends als "dement" bezeichnet. Es hält lediglich fest, dass bei ihm bereits 1998 eine Demenzerkrankung diagnostiziert worden sei und dass sich aus den medizinischen Befunden und seinen eigenen Aussagen das Bild eines hilflosen und anlehnungsbedürftigen Menschen ergebe (angefochtener Entscheid S. 8 lit. e). Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat das Obergericht nicht unbesehen auf die Darstellungen des Geschädigten abgestellt. Vielmehr bezeichnet es diese an verschiedenen Stellen als eindrückliche Schilderung (S. 7 lit. c), "von Anfang an so bestimmt und detailliert" (S. 9 lit. e) sowie "absolut glaubwürdig" (S. 9 lit. f) und verneint jegliche Anzeichen, dass der Geschädigte den Beschwerdeführer ungerechtfertigt hätte belasten wollen (S. 9 lit. e). Da zudem die Diagnose einer Demenzerkrankung nicht zum Vornherein ausschliesst, dass die betroffene Person zu einem bestimmten Sachverhalt wahrheitsgetreue Aussagen machen kann, erweist sich der Willkürvorwurf als unbegründet. 
1.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, in der polizeilichen Einvernahme vom 18. Juni 2003 habe er ausgesagt, im Dezember 2002 von einer Drittperson ein Darlehen über Fr. 6'000.-- erhalten zu haben. Wie das Obergericht nun dazu komme, diesen Termin auf den Oktober 2002 zu verlagern, sei nicht klar. 
 
Die Rüge ist trölerisch. Denn an derselben Aktenstelle (kantonale Akten, act. 12) korrigierte der Beschwerdeführer selbst den zuerst genannten Zeitpunkt und gab an, das Darlehen von der Drittperson zwei Monate früher, mithin im Oktober erhalten zu haben. 
 
Im gleichen Zusammenhang wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht vor, es habe seine Aussage, er sei zweimal in Italien gewesen, um dort Spiegel zu holen, und habe dafür zwei Darlehen erhalten, ohne weitere Begründung vom Tisch gewischt. 
 
Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer am 9. Oktober 2002 und 20. Januar 2003 Spiegel aus Italien importierte (a.a.O., act. 22 ff. und 26 f.). Die Lieferung im Oktober bezahlte er mit dem Darlehen der erwähnten Drittperson. Unangefochten hält das Obergericht fest, der Beschwerdeführer habe hereinkommende finanzielle Mittel sofort zum Bezahlen von offenen Rechnungen verwenden müssen (angefochtener Entscheid S. 10 lit. f am Ende). Deshalb ist anzunehmen, dass er das Darlehen des Geschädigten vom August 2002 nicht erst im Januar 2003 verwendete, um die zweite Lieferung von Spiegeln zu zahlen. Mithin durfte das Obergericht willkürfrei feststellen, der Beschwerdeführer habe dem Geschädigten einen falschen Darlehenszweck angegeben. 
1.4 Schliesslich beanstandet der Beschwerdeführer die Feststellung des Obergerichts als willkürlich, er selbst habe angegeben, dass die Verwendungszwecke (Autoreparatur und Nationalbankspesen) für die beiden letzten Darlehen nicht den Tatsachen entsprochen hätten. 
 
Mit dieser Feststellung brachte das Obergericht lediglich zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer die Darlehen weder für eine Autoreparatur noch für Nationalbankspesen verwendete. Unmittelbar anschliessend hält es nämlich fest, allerdings mache der Beschwerdeführer geltend, er habe diese Zwecke gegenüber dem Geschädigten nie genannt. Von Willkür kann demnach keine Rede sein. 
1.5 Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. 
2. 
2.1 Im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, das Tatbestandsmerkmal der Arglist könne nicht nachgeprüft werden, weil bezüglich der Verwendungszwecke der Darlehen nicht klar sei, auf welchen Sachverhalt sich die Vorinstanz abstütze. 
 
Die Rüge ist offensichtlich unbegründet. Die Vorinstanz erachtete die Aussagen des Geschädigten als erwiesen, der Beschwerdeführer habe die Darlehen nicht vereinbarungsgemäss verwendet. Inwiefern bei dieser Ausgangslage sein Verhalten nicht arglistig sein soll, macht er selbst nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. 
2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich nicht in Gewissheit wiegen können, dass der Geschädigte auf eine Überprüfung seiner Angaben verzichten werde. 
 
Damit widerspricht der Beschwerdeführer in unzulässiger Weise dem verbindlich festgestellten Sachverhalt (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Die Vorinstanz hält nämlich fest, für ihn sei voraussehbar gewesen, dass ihm der Geschädigte seine Geschichten glauben und die konkreten Verhältnisse nicht näher überprüfen werde (angefochtener Entscheid S. 10 lit. g). 
2.3 Damit erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. 
3. 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (act. 8/9 bzw. 9/10). Da seine Begehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 152 OG). Folglich wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG und Art. 278 Abs. 1 BStP). Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr ist jedoch seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
4. 
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 1'600.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 26. September 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: