Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_12/2022  
 
 
Urteil vom 26. Oktober 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Nünlist. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Arcosana AG, Abteilung Recht & Compliance, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 14. Juni 2021 (KV.2021.7). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1967 geborene A.________ ist bei der Arcosana AG, Luzern (nachfolgend: Arcosana), obligatorisch krankenpflegeversichert. Eine im Mai 2020 beantragte Kostenübernahme für eine prophylaktische beidseitige Mastektomie mit Sofortrekonstruktion aufgrund einer wahrscheinlich pathogenen Mutation in PALB2 c.212-2A>C (VUS Klasse 4) lehnte die Arcosana nach längerer Korrespondenz mit Verfügung vom 7. Oktober 2020 ab. Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 23. Februar 2021. Der Eingriff hatte am 10. Februar 2021 stattgefunden. 
 
B.  
Die hiergegen erhobene Beschwerde der Versicherten hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 14. Juni 2021 gut, hob den angefochtenen Einspracheentscheid auf und verpflichtete die Arcosana, die Kosten der prophylaktischen Mastektomie vom 10. Februar 2021 zu übernehmen. 
 
C.  
Die Arcosana führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und in Bestätigung des Einspracheentscheides vom 23. Februar 2021 sei eine Kostenübernahme durch sie für die im Februar 2021 vorgenommene prophylaktische Mastektomie zu verneinen. 
Mit Vernehmlassung vom 27. April 2022 (Poststempel) ersucht die Beschwerdegegnerin um Bestätigung des angefochtenen Urteils. Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Stellungnahme des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) datiert vom 1. Juni 2022. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweis). 
 
2.  
Strittig und zu prüfen ist, ob Bundesrecht verletzt wurde, indem das kantonale Gericht die Beschwerdeführerin verpflichtet hat, die Kosten für die im Februar 2021 bei der Beschwerdegegnerin durchgeführte prophylaktische Mastektomie beidseits im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) zu übernehmen. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die hier massgebenden gesetzlichen Grundlagen sowie die Rechtsprechung betreffend Massnahmen der medizinischen Prävention im Sinne von Art. 26 KVG im Wesentlichen korrekt wiedergegeben. Darauf wird verwiesen, wobei Nachfolgendes zu ergänzen respektive hervorzuheben ist.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Gemäss Art. 26 KVG übernimmt die OKP die Kosten für bestimmte Untersuchungen zur frühzeitigen Erkennung von Krankheiten sowie für vorsorgliche Massnahmen zugunsten von Versicherten, die in erhöhtem Masse gefährdet sind. Die Untersuchungen oder vorsorglichen Massnahmen werden von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt oder angeordnet. Nach Art. 33 Abs. 2 und 4 KVG obliegt es dem Bundesrat, unter anderem die in Art. 26 KVG vorgesehenen Leistungen näher zu bezeichnen und Kommissionen einzusetzen, die ihn bei der Bezeichnung der Leistungen beraten. In Art. 33 lit. d KVV hat der Bundesrat, wie es Art. 33 Abs. 5 KVG erlaubt, diese Kompetenz seinerseits an das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) delegiert. In Ausübung dieser Subdelegation erliess das EDI die Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995 (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832.112.31).  
 
3.2.2. Das EDI bezeichnet nach Anhören der zuständigen Kommission (Eidgenössische Kommission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen, Leistungs- und Grundsatzkommission, ELGK, Art. 37a lit. a und Art. 37d KVV) unter anderem die medizinischen Präventionsmassnahmen nach Art. 26 KVG (Art. 33 lit. d KVV). Zu diesen gehören insbesondere die im Streit liegenden Massnahmen zur Prophylaxe von Krankheiten, welche in Art. 12b KLV in einer sogenannten Positivliste (BGE 129 V 167 E. 3.2, Urteil K 55/05 vom 24. Oktober 2005 E. 1.2.1 mit Hinweis) Eingang gefunden haben (Art. 12 lit. b KLV). In diesem Rahmen wird eine medizinische Leistung erst ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in die Liste zur Pflichtleistung (VOKINGER/ZOBL in: Basler Kommentar, Krankenversicherungsgesetz, Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 1. Aufl., 2020 [nachfolgend: BSK KVG/KVAG], N 4 zu Art. 33 KVG).  
 
3.2.3. Ein wesentliches Merkmal von Positivlisten ist ihr verbindlicher und abschliessender Charakter (Urteile 9C_22/2013 vom 25. April 2013 E. 2, K 55/05 vom 24. Oktober 2005 E. 1.3, je mit Hinweisen; VOKINGER/GUTZWILLER in: BSK KVG/KVAG, N 4 und 13 zu Art. 26 KVG; VOKINGER/ZOBL in: BSK KVG/KVAG, N 1, 3 und 13 zu Art. 33 KVG; sog. Listenprinzip: Art. 34 Abs. 1 KVG; dazu nachfolgend).  
 
3.2.4. Das vom Verordnungsgeber vorgesehene Vorgehen betreffend Erstellung von Positivlisten dient der Verwirklichung der für das Leistungsrecht der OKP fundamentalen Prinzipien der wissenschaftlich nachgewiesenen Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW-Kriterien, Art. 32 Abs. 1 KVG; vgl. Urteil K 55/05 vom 24. Oktober 2005 E. 1.2).  
Die Stellungnahmen der Fachkommission sind aus medizinischer Sicht geeignet, dem Inhalt einer Positivliste eine gewisse Homogenität zu verleihen (BGE 125 V 21 E. 6a). Die von der OKP zu übernehmenden Leistungen haben insbesondere gemein, dass bei frühzeitiger Erkennung wirksame Therapien vorhanden bzw. überdurchschnittlich hohe Heilungschancen möglich sind (vgl. VOKINGER/GUTZWILLER in: BSK KVG/KVAG, N 17 f. zu Art. 26 KVG). 
Als departementale Verordnung sind die Änderung und fortlaufende Anpassung der KLV (und damit auch der darin enthaltenen Positivlisten) an die Bedürfnisse der Praxis zudem einfach möglich (BGE 124 V 185 E. 6a). 
 
3.2.5. Im Falle der Ergänzung einer Liste durch einen Richter wäre - mangels Stellungnahme der Fachkommission - die aus medizinischer Sicht beabsichtigte Homogenität nicht mehr gewährleistet. Die Frage nach den Zulassungsvoraussetzungen in komplexen medizinischen Bereichen lässt daher grundsätzlich keinen Raum mehr für eine parallele Prüfung durch den Richter. Eine richterliche Ergänzung der Liste würde ohnehin eine vorgängige Anhörung von Experten voraussetzen, was geraume Zeit in Anspruch nähme und erst noch den Nachteil hätte, dass im Falle einer richterlichen Ergänzung die Liste nicht mehr auf einheitlicher fachmännischer Beurteilung beruhen würde (BGE 125 V 21 E. 6a mit Hinweis; 124 V 185 E. 6b).  
Aufgrund des Gesagten unterliegen Positivlisten einer beschränkten richterlichen Überprüfungsbefugnis, welche dem Departement einen weiten Gestaltungsspielraum vorzubehalten hat. Eine richterliche Kontrolle allfälliger Lücken unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmässigkeit ist nur in sehr engen Grenzen und unter grosser Zurückhaltung möglich. Sie kann in Frage kommen, wenn eine eindeutige Lücke im Sinne eines offensichtlichen Vergessens oder Versehens vorliegt oder die kritisierte Einschränkung auf willkürlichen Erwägungen des Verordnungsgebers beruht (GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 618 Rz. 691 mit Hinweisen, insbesondere auf BGE 139 V 509 E. 5.3 und BGE 129 V 167 E. 3.4 [in fine]). 
Diesbezüglich ist insbesondere relevant, dass Art. 26 KVG nicht verlangt, dass sämtliche Präventivmassnahmen in einer Positivliste aufgenommen werden. In diesem Sinne entspricht es dem vom Gesetzgeber vorgesehenen System, dass der Verordnungsgeber nur eine beschränkte Anzahl medizinischer Präventivmassnahmen in die KLV aufgenommen hat. Aus der Nichtaufnahme einer bestimmten Massnahme kann daher kaum je auf eine echte Lücke geschlossen werden, die ein Eingreifen des Richters erfordern würde. Aus dem gleichen Grund fällt die Nichtaufnahme grundsätzlich auch nicht aus dem Rahmen der an den Verordnungsgeber delegierten Kompetenz (vgl. GEBHARD EUGSTER, a.a.O., S. 570 Rz. 529 und Urteil K 23/04 vom 17. Februar 2005 E. 2.1, je mit Hinweis auf Urteil K 92/04 28. Oktober 2004 E. 3.1). Ein willkürliches Handeln des Verordnungsgebers liegt dann vor, wenn er die von ihm zu erfüllenden gesetzlichen Ziele durch eine Leistungslücke in unannehmbarer, stossender und unbegründeter Weise missachtet (GEBHARD EUGSTER, a.a.O., S. 618 Rz. 691). Dem Richter ist es insbesondere verwehrt, die als abschliessend konzipierten Listen durch Analogieschlüsse zu erweitern oder etwa die WZW-Kriterien (Art. 32 KVG) eigenmächtig zu überprüfen (GEBHARD EUGSTER, a.a.O., S. 618 Rz. 691 mit Hinweisen, insbesondere auf BGE 125 V 21 [E. 6a]; vgl. BGE 134 V 83 E. 4.1 f. mit Hinweisen). 
 
4.  
Das kantonale Gericht hat erwogen, seit dem 1. Juli 2012 übernehme die Krankenversicherung die Kosten für eine prophylaktische Mastektomie zur Prophylaxe von Krankheiten bei Trägerinnen von Mutationen oder Deletionen im BRCA1- oder BRCA2-Gen (Art. 12b lit. e KLV). Da die PALB2-Mutation im Gegensatz zu Letzteren nicht auf der Positivliste in Art. 12b lit. e KLV aufgeführt sei, habe die Beschwerdegegnerin grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen für eine vorsorgliche Mastektomie. Ausgehend von einer Analyse des Einzelfalles sei jedoch zu prüfen, ob dennoch - trotz der gebotenen Zurückhaltung - eine Ausnahme von diesem Grundsatz gerechtfertigt sei. 
Zunächst sei festzuhalten, dass die Massnahme einer prophylaktischen Mastektomie in der Positivliste enthalten sei. Damit sei die Massnahme an sich bereits in die Positivliste aufgenommen. Der therapeutische Nutzen der Massnahme sei bei Vorliegen bestimmter Genmutationen damit offensichtlich ein hoher. Zu untersuchen sei daher im Besonderen die Frage, ob eine Mutation des PALB2-Gens in ihrer Auswirkung vergleichbar mit Mutationen oder Deletionen im BRCA1- oder BRCA2-Gen sei. 
In der Folge hat die Vorinstanz auf das bei der Beschwerdegegnerin anlässlich einer genetischen Abklärung festgestellte erwartete Lebenszeitrisiko von über 50 % für ein Mammakarzinom Bezug genommen. Sie hat sodann die Ausführungen der behandelnden Fachärztin der Beschwerdegegnerin wiedergegeben, wonach Mutationen im Gen PALB2 gemäss Studien zu einer deutlichen, mit BRCA-Mutationen vergleichbaren, Risikoerhöhung für die Entstehung von Brustkrebs führten, weshalb aus medizinischer Sicht die gleichen Massnahmen - hier die prophylaktische Mastektomie beidseits - empfohlen werden könnten. Sie halte allerdings fest, dass es bisher keine Studie für PALB2-Mutationesträgerinnen gebe, die einen Überlebensvorteil für prophylaktische Operationen belegen würde. Es sei jedoch von einem ähnlichen Effekt auszugehen. 
Weiter hat das kantonale Gericht darauf hingewiesen, dass die European Society for Medical Oncology (ESMO) als Massnahme für Trägerinnen von Mutationen im PALB2-Gen im Alter zwischen 30 und 75 Jahren entweder ein jährliches Brust-MRI und/oder eine Mammographie oder eine risikoreduzierende Mastektomie empfehle. 
Schliesslich hat es darauf Bezug genommen, dass im Zusammenhang mit Art. 12d Abs. 1 lit. d KLV das BAG-Referenzdokument "Überwachungsprotokoll" (Stand 01/2021, abrufbar unter: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesetze-und-bewilligungen/gesetzgebung/gesetzgebung-versicherungen/gesetzgebung-krankenver-sicherung/kvg/referenzdokumente-zur-klv-und-deren-anhaenge.html, zuletzt besucht am 12. Oktober 2022; nachfolgend: "Überwachungsprotokoll") bei BRCA1/2-Mutationen und bei PALB2-Mutationen ab dem Alter von 30 Jahren identische Überwachungsmassnahmen vorsieht. Gestützt hierauf hat es erwogen, dass kein Grund ersichtlich sei, BRCA1/2-Mutationen und PALB2-Mutationen in Bezug auf eine Mastektomie unterschiedlich zu behandeln, da sie - wie die gleichlautenden Überwachungsmassnahmen aufzeigten - ein offensichtlich sehr ähnliches Gefährdungspotential aufwiesen. Im neuen "Überwachungsprotokoll" seien die aktuellen medizinischen Erkenntnisse über das Risikopotential weiterer Gen-Mutationen (wie PALB2) eingeflossen und es habe eine Angleichung an die BRCA1- und BRCA2-Mutationen stattgefunden. Es sei daher zu erwarten, dass auch die Bestimmung zur vorsorglichen Mastektomie (Art. 12b lit. e KLV) an die neu gewonnenen Erkenntnisse über die Gen-Mutationen angepasst, die PALB2-Mutation den BRCA1/2-Mutationen gleichgesetzt und aufgrund der neuen Studienergebnisse und des hohen Risikos in Art. 12b lit. e KLV aufgenommen werde. Unter Verweis auf das Urteil 9C_305/2008 vom 5. November 2008 hat das kantonale Gericht sodann ausgeführt, hätte die Beschwerdegegnerin die Operation zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen lassen, wären die Kosten von der Grundversicherung ohne Weiteres übernommen worden. Ein Zuwarten mit der Operation wäre dann für die Beschwerdeführerin auch insgesamt mit höheren Kosten verbunden gewesen, da sie bis zum Operationszeitpunkt die Kosten für die regelmässigen bildgebenden Untersuchungen zu übernehmen gehabt hätte. In Würdigung der persönlichen Situation der Beschwerdegegnerin (Familienanamnese, psychische Belastung, Alter, Risiko) hat das kantonale Gericht darauf geschlossen, dass ihr nach der Erkenntnis aus den genetischen Untersuchungen ein Zuwarten bis zur Aufnahme der Genmutation in die Positivliste nicht zuzumuten gewesen wäre. 
Die Vorinstanz hat schliesslich die Annahme getroffen, dass die Wirtschaftlichkeitskontrolle bezüglich einer Mastektomie aufgrund einer PALB2-Mutation vergleichbar mit derjenigen bezüglich der Aufnahme der Mastektomie als Präventivmassnahme bei BRCA1/2-Mutationen ausfallen müsse. Nach dem Hinweis darauf, dass die Entscheidung zwischen einer Mastektomie und der Teilnahme an Früherkennungsprogrammen sehr persönlich sei, hat die Vorinstanz darauf geschlossen, dass eine Mutation des PALB2-Gens in ihrer Auswirkung vergleichbar mit Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen sei, weswegen die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen die Kosten für die am 10. Februar 2021 durchgeführte prophylaktische Mastektomie zu übernehmen habe. 
 
5.  
 
5.1. Vorab ist festzuhalten, dass die prophylaktische Mastektomie für Trägerinnen von PALB2-Mutationen bis heute keinen Eingang in die Positivliste von Art. 12b (lit. e) KLV gefunden hat (vgl. zum Grundsatz: E. 3.2.2 hiervor). Der Verweis der Vorinstanz auf das Urteil 9C_305/2008 vom 5. November 2008 - in dem die Behandlung mit einem Medikament im Fokus stand, welches nach Therapiebeginn bereits in die entsprechende Liste aufgenommen worden war - ist daher mangels vergleichbarer Konstellation nicht angezeigt. Dies gilt insbesondere auch für die diesbezüglichen Ausführungen zur Zumutbarkeit eines weiteren Zuwartens mit der Massnahme. Eine richterliche Prüfung der WZW-Kriterien fällt im Übrigen ausser Betracht (E. 3.2.5 hiervor).  
 
5.2. Im Rahmen seiner Untersuchung, ob die prophylaktische Mastektomie für Trägerinnen von PALB2-Mutationen zu Unrecht nicht in Art. 12b (lit. e) KLV aufgenommen wurde, hat das kantonale Gericht im Wesentlichen einen Analogieschluss vorgenommen. So hat es die Auswirkungen - insbesondere das Risikopotenzial betreffend eine Brustkrebserkrankung - einer Mutation im PALB2-Gen mit denjenigen von BRCA1/2-Mutationen verglichen und daraus gefolgert, dass wie bei Letzteren auch bei einer Mutation im PALB2-Gen eine prophylaktische Mastektomie vom Krankenversicherer, hier der Beschwerdeführerin, im Rahmen der OKP zu übernehmen sei. Mit Blick auf die dargelegten Grundsätze (E. 3.2.5 hiervor) ist ein solcher Analogieschluss bei der Überprüfung von Positivlisten jedoch nicht zulässig.  
Im Übrigen kann die Beschwerdegegnerin mit dem Hinweis darauf, dass es in der Medizin gängige Praxis sei, eine unbekannte Erkrankung bis zum Vorliegen konkreter Erkenntnisse und Studienergebnisse wie eine ähnliche, bekannte Erkrankung zu behandeln, nichts zu ihren Gunsten ableiten. So handelt es sich bei der PALB2-Mutation nicht um eine Erkrankung, sondern um eine Genmutation, die das Potenzial in sich trägt, eine Erkrankung (hier von Interesse: Brustkrebs) hervorzurufen. Für medizinische Präventionsmassnahmen in diesem Zusammenhang gelten die dargelegten Grundsätze (E. 3 hiervor) betreffend Kostenübernahme im Rahmen der OKP. 
Das kantonale Gericht hat mit seinem Vorgehen somit Bundesrecht verletzt. Zu prüfen bleibt, ob eine richterliche Ergänzung von Art. 12b lit. e KLV um PALB2-Genmutationen ausnahmsweise (E. 3.2.3 ff. hiervor) zulässig ist. 
 
5.3.  
 
5.3.1. Mit der Nichtaufnahme der prophylaktischen Mastektomie für Trägerinnen von PALB2-Genmutationen in Art. 12b lit. e KLV hat das EDI die ihm übertragenen Kompetenzen nicht überschritten. Das Departement ist (nach Rücksprache mit der Fachkommission) zuständig, die Liste gemäss Art. 12b KLV anzupassen. Zudem steht die Nichtaufnahme der Massnahme mit dem vom Gesetzgeber vorgesehenen restriktiven System im Einklang, wonach nur eine beschränkte Anzahl von Massnahmen in die Liste aufzunehmen ist, weshalb auch eine Gesetzeswidrigkeit grundsätzlich zu verneinen ist (vgl. E. 3.2.1 f. und 3.2.5 hiervor).  
 
5.3.2. Die aktenkundigen Unterlagen zur medizinischen Evidenzlage äussern sich insbesondere zum Risiko einer Brustkrebserkrankung, unter anderem bei TrägerInnen von PALB2-Genmutationen (Rahman, Nazneen et al. "PALB2, which encodes a BRCA2-interacting protein, is a breast cancer suspectibility gene." Nature genetics vol. 39,2 (2007) : 165-167. doi:10.1038/ng1959; Antoniou, A.C. et al. "Breast-cancer risk in families with mutations in PALB2." The New England journal of medicine vol. 371, no. 6 (2014) : 497-506. doi:10.1056/NEJMoa 1400382; Paluch-Shimon, S. et al. "Prevention and screening in BRCA mutation carriers and other breast/ovarian hereditary cancer syndromes: ESMO Clinical Practice Guidelines for cancer prevention and screening." Annals of oncology: official journal of the European Society for Medical Oncology vol. 27, supplement 5 (2016) : v103-v110. doi:10.1093/annonc/mdw327; Yang, Xin et al. "Cancer risks associated with germline PALB2 pathogenic variants: An international study of 524 families." Journal of clinical oncology vol. 38, issue 7 (2019) : 674-685. doi:10.1200/JCO.19.01907; Breast Cancer Association Consortium "Breast cancer risk genes - association analysis in more than 113,000 women." The New England journal of medicine vol. 384, no. 5 (2021) : 428-439. doi:10.1056/NEJMoa1913948; Tischkowitz, Marc et al. "Management of individuals with germline variants in PALB2: a clinical practice resource of the American College of Medical Genetics an Genomics (ACMG)." Genetics in Medicine vol. 23, issue 8 (2021) : 1416-1423. doi:10.1038/s41436-021-01151-8; Hu, C. et al. "A population-based study of genes previsously implicated in breast cancer." The New England journal of medicine vol. 384, no. 5 (2021) : 440-451. doi:10.1056/NEJMoa2005936; Zur Funktionsweise des PALB2-Gens vgl. Park, J. et al. "PALB2: the hub of a network of tumor suppressors involved in DNA damage responses." Biochim Biophys Acta vol. 1846, issue 1 (2014) : 263-275. abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4183126/; alle zuletzt besucht am 12. Oktober 2022).  
In der Studie von Antoniou, A.C. et al. aus dem Jahr 2014 wird erst davon gesprochen, dass risikoreduzierende chirurgische Optionen getestet werden könnten (S. 504). In den Leitlinien der ESMO von 2016 wird bei PALB2-Genmutationen die klinische Untersuchung der Brust alle sechs bis zwölf Monate, beginnend vom Alter von 20 bis 25 Jahren, ein jährliches Brust-MRI vom Alter von 20 bis 29 Jahren und ein jährliches Brust-MRI und/oder eine Mammographie vom Alter von 30 bis 75 Jahren empfohlen. Eine risikoreduzierende Mastektomie wird dagegen - entgegen der Ausführungen der Vorinstanz - lediglich als "in Erwägung zu ziehen" bezeichnet (v104), jedoch im Wesentlichen im Zusammenhang mit BRCA1/2-Mutationen diskutiert (v 105 f.). Gemäss Yang, Xin et al. (2019) werden mit der Studie kritische Daten zur Verfügung gestellt, die eine Verbesserung der Leitlinien zur risikoreduzierenden Mastektomie bei PALB2-Mutationen erlauben. Dabei wird jedoch einzig auf das Risiko einer Brustkrebserkrankung bei PALB2-Mutationen Bezug genommen, welches vergleichbar ist mit BRCA1/2-Mutationen. Eine konkrete Empfehlung zur prophylaktischen Mastektomie bei PALB2-Genmutationen wird nicht abgegeben (S. 680). 
Eine solche fehlt auch in der Studie des Breast Cancer Association Consortium aus dem Jahr 2021. Dort wird unter Bezugnahme auf das Risiko einer Brustkrebserkrankung bei Mutationen im PALB2-Gen lediglich festgehalten, die Resultate der Studie könnten Screening und Prävention mittels risikoreduzierender Operation oder Medikation anleiten, in Übereinstimmung mit den nationalen Richtlinien (S. 436). Auch in der von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren zitierten Studie von Tischkowitz, Marc et al. aus dem Jahr 2021 wird festgehalten, dass eine risikoreduzierende Mastektomie als eine Option in Erwägung gezogen werden könne (S. 1420). Ebenfalls wird darauf hingewiesen, dass weitergehende Daten gesammelt werden müssten, um die Effizienz risikoreduzierender Operationen bestimmen zu können (S. 1421, hierzu nachfolgend). 
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die aktenkundigen Studien im Wesentlichen zum Risiko einer Brustkrebserkrankung bei einer PALB2-Genmutation äussern und zumindest mehrheitlich keine konkrete Empfehlung zur prophylaktischen Mastektomie abgeben. 
 
5.3.3. Sodann fällt insbesondere auf, dass bei gesunden BRCA1/2-Mutationsträgerinnen von einer erheblichen Risikoreduktion betreffend Brustkrebserkrankung mittels beidseitiger prophylaktischer Mastektomie ausgegangen wird (Deutsche Krebshilfe, AWMF: Interdisizplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Langversion 4.4 - Juni 2021, AWMF-Registernummer: 032-045OL [nachfolgend: Leitlinienprogramm Onkologie], abrufbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-045OL.html, zuletzt besucht am 12. Oktober 2022, S. 64; Leitlinien der ESMO v105; vgl. Heemskerk-Gerritsen, Bernadette A.M. et al. "Survival after bilateral risk-reducing mastectomy in healthy BRCA1 and BRCA2 mutation carriers." Breast Cancer Research and Treatment vol. 177, issue 3 (2019) : 723-733. doi:10.1007/s10549-019-05345-2 betreffend geringere Sterblichkeit bei BRCA1-Mutationen durch prophylaktische Mastektomie im Vergleich zur Überwachung). Im Gegensatz hierzu ist der Nutzen prophylaktischer Operationen bei Frauen mit Nachweis einer Mutation in einem Nicht-BRCA1/2-Risikogen nicht belegt (Leitlinienprogramm Onkologie S. 65).  
Mit Blick auf diesen - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - wesentlichen Unterschied in der medizinischen Evidenzlage zwischen PALB2-Genmutationen und Mutationen im BRCA1/2-Gen ist bezüglich der Nichtaufnahme der prophylaktischen Mastektomie für Trägerinnen von PALB2-Mutationen in Art. 12b lit. e KLV von einem qualifizierten Schweigen des Verordnungsgebers auszugehen und das Vorliegen einer echten Lücke ist auszuschliessen. Daran ändert nichts, dass die Massnahme an sich Eingang in Art. 12b KLV gefunden hat. So ist deren therapeutischer Nutzen aktuell - wie die Vorinstanz selbst bestätigt und aus dem Dargelegten hervorgeht - offenbar erst bei bestimmten Genmutationen zu bejahen. 
Von einem qualifizierten Schweigen ist auch nach Einsicht in das "Überwachungsprotokoll" auszugehen. Wie die Vorinstanz korrekt erwogen hat, flossen darin die neusten medizinischen Erkenntnisse ein. Hinsichtlich der Überwachungsmassnahmen (Art. 12d Abs. 1 lit. d KLV) fand (bewusst) eine Angleichung von PALB2- an BRCA1/2-Genmutationen statt, nicht jedoch eine Gleichstellung. 
Zusammenfassend ist somit darauf zu schliessen, dass der Nichtaufnahme der PALB2-Genmutation in die Positivliste von Art. 12b KLV eine differenzierte Abwägung durch den Verordnungsgeber zugrunde liegt, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 8 Abs. 1 BV, Art. 5 lit. f KVAG) Rechnung trägt. Damit ist Willkür auszuschliessen. In Nachachtung des Listenprinzips (Art. 34 Abs. 1 KVG) fällt eine richterliche Ergänzung von Art. 12b lit. e KLV um PALB2-Mutationen ausser Betracht. 
Hinzuweisen bleibt darauf, dass im Bereich der medizinischen Präventionsmassnahmen eine medizinische Indikation zu einer Behandlung noch nicht mit der Pflicht zur Kostenübernahme im Rahmen der OKP gleichgesetzt werden kann und darf. Wie von den behandelnden Ärzten der Beschwerdegegnerin aufgezeigt, liegt die Mission der Ärzte darin, die Patienten optimal bezüglich Risikomanagement einer Brustkrebserkrankung zu informieren. Die Kostenübernahme im Rahmen der OKP setzt dagegen eine ganzheitliche, nicht im Wesentlichen auf das Risiko einer Erkrankung beschränkte, Prüfung der WZW-Kriterien durch den Verordnungsgeber voraus (E. 3.2.4 hiervor). 
 
6.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die obsiegende Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 14. Juni 2021 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Arcosana AG vom 23. Februar 2021 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt zurückgewiesen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 26. Oktober 2022 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Nünlist