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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_690/2007 
 
Urteil vom 27. Februar 2008 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Frésard, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Parteien 
P.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Cordula Spörri, St. Urbangasse 2, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. September 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1943 geborene P.________ erlitt am 26. März 1997 einen Verkehrsunfall, wobei sie sich die rechte Hand sowie den rechten Ellbogen verletzte und eine Radiusköpfchenfraktur zuzog. Der zuständige Unfallversicherer, die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), klärte die Verhältnisse in medizinischer sowie beruflich-erwerblicher Hinsicht ab und sprach der Versicherten mit Verfügung vom 3. März 2000 eine Integritätsentschädigung auf der Basis einer Integritätseinbusse von 5 % zu. Auf Einsprache hin verfügte die SUVA am 16. November 2005, nachdem weitere operative Eingriffe sowie ärztliche Behandlungen und Abklärungen vorgenommen worden waren, die Ausrichtung einer Rente rückwirkend ab 1. Mai 2005 auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 41 % sowie eines versicherten Verdienstes von Fr. 88'582.-; ferner nahm sie einen abzugeltenden Integritätsschaden von weiteren 5 % an. Die dagegen eingereichte Einsprache hiess der Unfallversicherer in dem Sinne teilweise gut, dass er den versicherten Verdienst auf Fr. 89'523.85 und den Invaliditätsgrad auf 47 % erhöhte (Einspracheentscheid vom 12. April 2006). 
B. 
Im Rahmen des hiegegen angehobenen Beschwerdeverfahrens wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen P.________ mit Schreiben vom 16. August 2007 darauf hin, dass es auf Grund einer vorläufigen Prüfung beabsichtige, den versicherten Verdienst entsprechend der Berechnung der SUVA in deren Beschwerdeantwort vom 13. November 2006 auf Fr. 86'116.85 festzulegen. Da dieser Betrag den versicherten Verdienst, welcher dem Einspracheentscheid vom 12. April 2006 zugrunde liege, unterschreite und die Reduktion Auswirkungen auf die Höhe der Rentenleistungen zeitige, erhalte sie mit Blick auf die drohende Schlechterstellung Gelegenheit, die Beschwerde in diesem Punkt zurückzuziehen. Am 4. September 2007 teilte die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin dem kantonalen Gericht mit, dass das Rechtsmittel in Bezug auf die Höhe des versicherten Verdienstes von Fr. 89'523.85 zurückgezogen werde; in den anderen Punkten werde an der Beschwerde festgehalten. Mit Entscheid vom 26. September 2007 wurde die Beschwerde, soweit nicht zufolge Rückzugs abzuschreiben, abgewiesen. 
C. 
P.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihr eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Invalidität von 100 % zuzusprechen. 
 
Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
1. 
Die Beschwerdegegnerin beanstandet letztinstanzlich die Vorgehensweise des kantonalen Gerichts in prozessualer Hinsicht, indem dieses zu Unrecht die Versicherte mit Schreiben vom 16. August 2007 auf eine drohende Verschlechterung ihrer Rechtslage in Bezug auf die Höhe des versicherten Verdienstes und die Möglichkeit eines Beschwerderückzugs lediglich in diesem Punkt hingewiesen sowie im Anschluss daran die Beschwerde betreffend den versicherten Verdienst zufolge Rückzugs abgeschrieben habe. Diese - ohnehin von Amtes wegen zu prüfende - Rüge ist vorab zu behandeln, da, wie noch darzulegen ist, deren Begründetheit zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids aus formellen Gründen führen müsste. 
2. 
2.1 Nach Art. 61 Ingress ATSG bestimmt sich das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 3 VwVG nach kantonalem Recht. Es hat dabei den in Art. 61 lit. a-i ATSG umschriebenen Anforderungen zu genügen. Art. 61 lit. d ATSG sieht vor, dass das Versicherungsgericht an die Begehren der Parteien nicht gebunden ist. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der beschwerdeführenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist. 
2.2 Art. 61 lit. d ATSG nimmt zum einen den Gehalt des - mit Inkrafttreten des ATSG aufgehobenen - Art. 85 Abs. 2 lit. d AHVG auf, wonach die kantonale Rekursbehörde den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss, wenn sie eine Verfügung zu Ungunsten der beschwerdeführenden Person abzuändern oder dieser mehr als verlangt zuzusprechen gedenkt. Zusätzlich kodifiziert Art. 61 lit. d ATSG die Rechtsprechung (BGE 122 V 166 E. 2a und b S. 167 f.), nach welcher im Rahmen der Anhörung vor einer beabsichtigten reformatio in peius die Partei, welche eine Verschlechterung ihrer Rechtslage gewärtigen muss, ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, dass sie ihr Rechtsmittel zurückziehen kann (RKUV 2004 Nr. U 520 S. 442, E. 4, U 202/03; Urteile I 868/05 vom 11. August 2006, E. 2.2, und C 259/03 vom 13. Februar 2004, E. 2 mit Hinweisen, zusammengefasst in ZBJV 2004 S. 752). Ein derartiger Rückzug beinhaltet alle Wirkungen eines Beschwerdeverzichts und führt zur formellen Rechtskraft der angefochtenen Verfügung oder des Einspracheentscheids (BGE 107 V 246 E. 1a S. 248 mit Hinweisen; Kieser, ATSG-Kommentar, N 81 in fine zu Art. 61). 
2.3 
2.3.1 Für die Umschreibung des Prozessthemas ist nach den Regeln über den Anfechtungs- und Streitgegenstand zu verfahren. Streitgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege ist das Rechtsverhältnis, welches - im Rahmen des durch die Verfügung bestimmten Anfechtungsgegenstandes - den auf Grund der Beschwerdebegehren effektiv angefochtenen Verfügungsgegenstand bildet. Anfechtungsgegenstand und Streitgegenstand sind identisch, wenn die Verfügung insgesamt angefochten wird. Bezieht sich demgegenüber die Beschwerde nur auf einzelne der durch die Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisse, gehören die nicht beanstandeten Rechtsverhältnisse zwar wohl zum Anfechtungs-, nicht aber zum Streitgegenstand (BGE 130 V 501 E. 1.1 S. 502, 125 V 413 E. 1b in Verbindung mit E. 2a S. 414 ff., je mit Hinweisen). 
2.3.2 Die begriffliche Unterscheidung von Streit- und Anfechtungsgegenstand erfolgt demnach auf der Ebene von Rechtsverhältnissen. Für die Umschreibung des Streitgegenstandes und seine Abgrenzung vom Anfechtungsgegenstand nicht von Bedeutung sind die bestimmenden Elemente ("Teilaspekte") des verfügungsweise festgelegten Rechtsverhältnisses. Dazu zählen bei der Zusprechung von Versicherungsleistungen unter anderem die für die Anspruchsberechtigung als solche massgebenden Gesichtspunkte, wie die versicherungsmässigen Voraussetzungen, ferner die einzelnen Faktoren für die (massliche und zeitliche) Festsetzung der Leistung, bei Invalidenrenten insbesondere der Invaliditätsgrad, die Rentenberechnung und der Rentenbeginn. Teilaspekte eines verfügungsweise festgelegten Rechtsverhältnisses dienen in der Regel lediglich der Begründung der Verfügung und sind daher grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbar. Sie können folgerichtig erst als rechtskräftig beurteilt und damit der richterlichen Beurteilung entzogen gelten, wenn über den Streitgegenstand insgesamt rechtskräftig entschieden worden ist (BGE 125 V 413 E. 2b S. 416 mit Hinweisen). 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16. August 2007 auf eine mögliche Schlechterstellung in Bezug auf die Höhe des versicherten Verdienstes hingewiesen, woraufhin die Beschwerde am 4. September 2007 diesbezüglich zurückgezogen wurde. Nach dem hievor Dargelegten (vgl. namentlich E. 2.2 in fine) müsste daher dieser Punkt als formell rechtskräftig geworden betrachtet werden. Da der versicherte Verdienst indessen - anders als etwa der Anspruch auf Integritätsentschädigung (vgl. etwa RKUV 1998 Nr. U 305 S. 432, E. 2d) - nicht ein separat beurteilbares Rechtsverhältnis (BGE 125 V 413 E. 2a S. 415), sondern einen Teilaspekt der streitgegenständlichen Invalidenrente darstellt, wie beispielsweise auch der Rentenbeginn und die Teuerungszulage (RKUV 1999 Nr. U 323 S. 98, E. 1b, 1998 Nr. U 305 S. 432, E. 2d; Urteile U 186/03 vom 7. Juni 2004, E. 1, und U 144/94 vom 15. Mai 1995, E. 6b), ist er der Rechtskraft nicht zugänglich. Solange über den Streitgegenstand als solchen nicht rechtskräftig entschieden ist, verbietet sich die Annahme, einzelne Elemente der streitigen Rentenzusprechung seien, namentlich durch Beschwerderückzug, rechtskräftig zu erledigen. Dass ausnahmsweise auch über gewisse Aspekte des streitigen Rechtsverhältnisses vorab rechtskräftig entschieden werden kann (BGE 125 V 413 E. 2c S. 416 mit Hinweisen), ändert daran nichts, da der versicherte Verdienst untrennbares Element der Streitgegenstand bildenden Invalidenrente ist (Art. 15 UVG; RKUV 1999 Nr. U 323 S. 98, E. 1b; Urteil U 344/01 vom 11. September 2002, E. 7). 
3.2 Der vom kantonalen Gericht - auf Grund der mit Blick auf die Höhe des versicherten Verdienstes beabsichtigten Verschlechterung des Rechtszustandes, wie er im vorinstanzlich angefochtenen Einspracheentscheid vorgesehen war, grundsätzlich zu Recht - erfolgte Hinweis auf die Möglichkeit eines Beschwerderückzugs hätte somit, wie von der SUVA letztinstanzlich zutreffend ausgeführt, nur hinsichtlich der ganzen Beschwerde, nicht jedoch auf die Frage des versicherten Verdienstes beschränkt ergehen dürfen. Ist die reformatio in peius daher - im Sinne der nicht ordentlich angezeigten Möglichkeit des Rückzugs nur der gesamten Beschwerde - nicht rechtsgültig angedroht worden, verletzt der Entscheid vom 26. September 2007 Art. 61 lit. d ATSG. Da nicht absehbar ist, ob die Beschwerdeführerin ihr vorinstanzliches Rechtsmittel diesfalls dennoch zurückgezogen hätte (um das Verfahren zu beenden und den angefochtenen Einspracheentscheid in Rechtskraft erwachsen zu lassen) oder nicht, wodurch das kantonale Gericht gehalten gewesen wäre, im Rahmen seines Entscheids auch den versicherten Verdienst zu berechnen, entfällt eine Heilung des Verfahrensmangels vor dem Bundesgericht (vgl. auch BGE 107 V 246 E. 3 S. 249 f.; Urteil I 868/05 vom 11. August 2006, E. 3.3). Der angefochtene Entscheid ist mithin ohne materielle Überprüfung aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre. 
4. 
Da keine der Parteien die Vorgehensweise des kantonalen Gerichts zu verantworten hat, rechtfertigt es sich, ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Die Parteikosten werden wettgeschlagen (Art. 68 BGG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. September 2007 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 27. Februar 2008 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Fleischanderl