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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.129/2006 /bie 
 
Urteil vom 27. Juni 2006 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Klopfenstein. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Buttliger, 
 
gegen 
 
Migrationsamt des Kantons Aargau, 
Postfach, 5001 Aarau, 
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 24. Januar 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der aus dem Kosovo stammende X.________ (geb. 1969) heiratete am 5. September 1995 in der Heimat seine Landsfrau Y.________ (geb. 1969). Am 25. Januar 1996 kam die gemeinsame Tochter des Paares, A.________, zur Welt. Wenige Monate später, am 26. November 1996, wurde die Ehe X.________-Y.________ durch ein kosovarisches Gemeindegericht geschieden. Am 6. Dezember 1996 ehelichte X.________ in Albanien die Schweizer Bürgerin Z.________ (geb. 1978) und gelangte kurz darauf in die Schweiz, wo ihm im Rahmen des Familiennachzuges eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Diese wurde ihm mehrmals verlängert, ohne dass er die Fremdenpolizeibehörden auf seine zwei weiteren inzwischen mit Y.________ gezeugten Kinder (B.________, geb. 1998, und C.________, geb. 2000) hingewiesen hätte (vgl. etwa das Formular "Verfallsanzeige (Ausweis B)", unterzeichnet am 17. September 2001). Am 10. Oktober 2001 erhielt X.________ die Niederlassungsbewilligung. Am 10. September 2002 wurde er von seiner Schweizer Ehefrau geschieden. Daraufhin heiratete er erneut seine erste Ehefrau und stellte am 14. April 2004 für sie und seine drei Kinder ein Familiennachzugsgesuch. 
B. 
Nachdem das Migrationsamt des Kantons Aargau X.________ das rechtliche Gehör gewährt hatte, widerrief es mit Verfügung vom 3. Februar 2005 dessen Niederlassungsbewilligung und forderte ihn auf, die Schweiz bis spätestens 30 Tage nach Rechtskraft der Verfügung zu verlassen. Bereits am 20. Dezember 2004 hatte das Migrationsamt das Familiennachzugsgesuch für die Ehefrau und die drei Kinder sistiert. 
 
Eine beim Rechtsdienst des Migrationsamtes erhobene Einsprache gegen die Widerrufsverfügung vom 3. Februar 2005 blieb erfolglos, und am 24. Januar 2006 wies das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau die gegen den Einspracheentscheid vom 13. April 2005 gerichtete Beschwerde ebenfalls ab. 
C. 
Mit Eingabe vom 27. Februar 2006 führt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 24. Januar 2006 aufzuheben und ihm - dem Beschwerdeführer - die Niederlassungsbewilligung nicht zu widerrufen. 
Das Migrationsamt des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Denselben Antrag stellt das Bundesamt für Migration. 
D. 
Mit Verfügung vom 28. März 2006 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde - antragsgemäss - aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung fällt hingegen nicht unter diesen Ausschlussgrund (vgl. Art. 101 lit. d OG). Vorliegend ist über das Familiennachzugsgesuch für die Ehefrau und die drei Kinder, welches das Widerrufsverfahren ausgelöst hat, formell noch nicht befunden worden (vgl. vorne "B."). Verfahrensgegenstand bildet ausschliesslich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers. Hiegegen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach dem Gesagten zulässig, und der Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 103 lit. a OG). 
1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG). 
1.3 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 128 II 145 E. 1.2.2 S. 150 f.; 127 II 264 E. 1b S. 268 mit Hinweisen). 
2. 
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG (SR 142.20) hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; des Weiteren hat er nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung. Kein Anspruch besteht indessen, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Art. 7 Abs. 2 ANAG). Erfasst wird davon die sog. Scheinehe bzw. Ausländerrechtsehe, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche Lebensgemeinschaft beabsichtigen. Auch wenn die Ehe nicht bloss zum Schein eingegangen worden ist, heisst dies jedoch nicht zwingend, dass dem ausländischen Ehepartner der Aufenthalt weiterhin gestattet werden muss. Zu prüfen ist diesfalls, ob nicht insofern ein Rechtsmissbrauch vorliegt, als die Ehe, auf welche sich der Ausländer im Verfahren um Erteilung einer fremdenpolizeilichen Anwesenheitsbewilligung beruft, nur (noch) formell und ohne Aussicht auf Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft besteht (BGE 128 II 145 E. 2.1/2.2 S. 151 mit Hinweisen). 
 
Als eigenes und selbständiges Niederlassungsrecht erlischt die einmal erteilte Niederlassungsbewilligung mit Wegfall der Ehe nicht automatisch, sondern sie kann allenfalls widerrufen werden, und zwar nicht nach den allgemeinen Regeln über den Widerruf von Verfügungen, sondern ausschliesslich unter den Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 4 ANAG (BGE 112 Ib 161 E. 3 S. 162 f., 473 E. 2 S. 475). 
2.2 Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn der Ausländer sie durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat (Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG). Der Widerruf setzt voraus, dass der Betroffene wissentlich falsche Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat, in der Absicht, gestützt darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu erhalten (Urteile des Bundesgerichts 2A.436/2003 vom 6. Januar 2004, E. 3.1; 2A.551/2003 vom 21. November 2003, E. 2.1; 2A.432/2002 vom 5. Februar 2003, E. 2.1; BGE 112 Ib 473 E. 3b S. 475 f.). Nach Art. 3 Abs. 2 ANAG ist der Ausländer verpflichtet, der Behörde wahrheitsgetreu über alles Auskunft zu geben, was für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann. Hievon ist er selbst dann nicht befreit, wenn die Fremdenpolizeibehörde die fragliche Tatsache bei gebotener Sorgfalt selbst hätte ermitteln können. Wesentlich sind dabei nicht nur Umstände, nach denen die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den Bewilligungsentscheid massgeblich sind (Urteile 2A.511/2001 vom 10. Juni 2002, publ. in: Pra 2002 Nr. 163, E. 3.2; 2A.57/2002 vom 20. Juni 2002, publ. in: Pra 2002 Nr. 165, E. 2.2, je mit Hinweisen). Die Erschleichung einer Niederlassungsbewilligung durch falsche Angaben oder durch wissentliches Verschweigen von Tatsachen kann schon darin liegen, dass die Angaben, auf welche sich die Behörden bei der seinerzeitigen Erteilung der Aufenthaltsbewilligung gestützt hatten oder die bei späteren Verlängerungen der Aufenthaltsbewilligung oder bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung mangels anderer Angaben immer noch als massgebend betrachtet werden konnten, falsch oder unvollständig waren (Urteil 2A.511/2001 vom 10. Juni 2002, E. 3.2). 
3. 
3.1 Das Rekursgericht im Ausländerrecht hat offen gelassen, ob im Falle des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungsbewilligung von einer Scheinehe oder von einem rechtsmissbräuchlichen Berufen auf eine nur noch formell bestehende Ehe ausgegangen werden müsste (E. 3 des angefochtenen Entscheides). Das Gericht erwog jedoch mit Bezug auf die vorstehend erwähnte bundesgerichtliche Rechtsprechung, das "Vorhandensein" von Kindern sei für die Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung bei objektiver Betrachtung relevant, was für den Beschwerdeführer erkennbar gewesen sei. Dieser habe durch das Verschweigen der Kinder die Fremdenpolizei im Glauben gelassen, er habe im Ausland keine verwandtschaftlichen Beziehungen mehr. Insgesamt sei daher der Widerrufsgrund von Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG erfüllt (S. 8 des angefochtenen Entscheides). 
3.2 Das Vorgehen des Beschwerdeführers (Erwirkung einer Aufenthaltsbewilligung durch Heirat einer Schweizer Bürgerin, Verschweigen der Weiterführung einer engen Beziehung zur früheren Ehefrau sowie der Existenz der während der Ehe mit der Schweizerin in dieser Parallelbeziehung gezeugten Kinder, Scheidung nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung, Wiederverheiratung mit der Landsfrau und Familiennachzugsgesuch für diese und die drei mit ihr gezeugten Kinder) entspricht einem bekannten Verhaltensmuster (vgl. die in E. 2.2 erwähnten Urteile). Bei ordnungsgemässer Bekanntgabe der familiären Verhältnisse hätte für die Fremdenpolizeibehörde Anlass zur Annahme bestanden, dass die Ehe mit der Schweizer Bürgerin jedenfalls seitens des Beschwerdeführers nicht als Lebensgemeinschaft geplant war, sondern bloss als Mittel zur Verschaffung eines späteren Anwesenheitsrechts für die mit der Landsfrau gegründete Familie dienen sollte. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung hätte alsdann wegen Rechtsmissbrauches verweigert werden können (vgl. E. 2.1), was den Widerruf der erschlichenen Niederlassungsbewilligung rechtfertigt. 
3.3 Die in der weitschweifigen Beschwerdeschrift gegebene Darstellung, wonach es nur zufällig zur Zeugung der Kinder mit der ersten Ehefrau gekommen sei und der Beschwerdeführer bei Eingehung der Ehe mit Z.________ keineswegs den ihm zur Last gelegten Rechtsmissbrauch geplant habe, vermag gegenüber der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil, an die das Bundesgericht nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG gebunden ist (E. 1.2), nicht durchzudringen. Das Rekursgericht durfte aufgrund der objektiven Umstände zulässigerweise auf das Vorliegen eines Widerrufsgrundes schliessen und in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. BGE 122 II 464 E. 4a S. 469) auf die Abnahme weiterer Beweise verzichten. Nach der Rechtsprechung (E. 2.2) genügt, dass die verschwiegenen Tatsachen geeignet gewesen wären, den Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung ernsthaft in Frage zu stellen. Auch beschönigende Erklärungen der Beteiligten hätten an der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verletzung der Informations- bzw. Auskunftspflicht nichts ändern können. 
3.4 Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erscheint sodann auch nicht unverhältnismässig. Der Beschwerdeführer verfügt zwar in der Schweiz über eine feste Arbeitsstelle und gilt als beruflich integriert (angefochtener Entscheid S. 10). Aufgrund seiner Erfahrung in der Baubranche hat er jedoch Chancen, im Heimatland beruflich wieder Fuss zu fassen. Nachdem sich der Beschwerdeführer mit seiner ersten Ehefrau, welche zusammen mit ihren Kindern immer im Kosovo lebte, erneut verheiratet hat, ist es ihm durchaus zuzumuten, dorthin zurückzukehren. 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 27. Juni 2006 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: