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[AZA 7] 
C 114/99 Ge 
 
I. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Schön, Spira, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; 
Gerichtsschreiberin Polla 
 
Urteil vom 27. Juli 2001 
 
in Sachen 
 
V.________, 1950, Tösstalstrasse 114, 8623 Wetzikon/ZH, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Gabathuler, Schifflände 22, 8024 Zürich, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Sektion Zürcher Oberland, Bankstrasse 36, 8610 Uster, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Die 1950 geborene V.________ ist seit 2. Oktober 1978 als Hilfs- und Speditionsmitarbeiterin bei der Firma Z.________ AG tätig. Aus wirtschaftlichen Gründen reduzierte die Arbeitgeberin den Beschäftigungsrad von ursprünglich 100 % ab 1992 zunächst auf 80 %, dann auf 70 % und ab 2. August 1993 auf 50 %. Am 31. August 1994 meldete sich V.________ zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 22. August 1994 an. Mit Verfügung vom 16. September 1994 verneinte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Sektion Zürcher Oberland, einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, da die Versicherte keinen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten habe. In Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache an die Arbeitslosenkasse zurück, damit diese im Sinne der Erwägungen über den Anspruch neu verfüge (Entscheid vom 16. Oktober 1995). Die dagegen von der Arbeitslosenkasse erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 18. Juni 1996 ab. 
Daraufhin bejahte die GBI zwar den grundsätzlichen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, richtete jedoch kein Taggeld aus, da unter Anrechnung eines versicherten Verdienstes von Fr. 2'554. - kein Anspruch auf Differenzausgleich im Rahmen der 50%igen Zwischenverdiensttätigkeit bestünde (Verfügung vom 7. Oktober 1996). 
 
B.- V.________ liess hiegegen Beschwerde erheben und beantragen, die Sache sei zur Neufestsetzung des versicherten Verdienstes und zur Berechnung des Taggeldanspruchs an die Verwaltung zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 5. März 1999 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt V.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern. 
Die Arbeitslosenkasse verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA; seit 1. Juli 1999 Staatssekretariat für Wirtschaft, nachfolgend seco) hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
D.- Im Hinblick auf die Berufung der Beschwerdeführerin auf eine Verwaltungsweisung des seco wurde ein zweiter 
Schriftenwechsel durchgeführt, in dessen Verlauf das seco die teilweise Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt. 
V.________ lässt erneut auf deren Gutheissung schliessen und die Arbeitslosenkasse verzichtet wiederum auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu den in zeitlicher Hinsicht massgeblichen Rechtsnormen (BGE 123 V 143 Erw. 1 mit Hinweis) richtig wiedergegeben, wonach sich vorliegend die Bemessung des versicherten Verdienstes nach Art. 23 Abs. 1 AVIG in der bis Ende 1995 in Kraft gewesenen Fassung vom 25. Juni 1982 richtet, welchen die 
Vorinstanz ebenfalls zutreffend dargelegt hat. Ebenso hat sie die massgebende Bestimmung zu den dabei je nach Sachlage anwendbaren Bemessungszeiträumen richtig wiedergegeben (Art. 37 AVIV). 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist die Höhe des versicherten Verdienstes, welcher den Taggeldberechnungen zu Grunde zu legen ist; insbesondere steht die Frage des relevanten Bemessungszeitraums sowie die Berücksichtigung des schwankenden Beschäftigungsgrades im Vordergrund. 
 
a) Vorinstanz und Verwaltung erachten Art. 37 Abs. 3 AVIV als massgeblich und stellen demzufolge zur Ermittlung des versicherten Verdienstes auf einen Bemessungszeitraum von zwölf Monaten ab. Aufgrund der dazu ergangenen Rechtsprechung (BGE 121 V 172 Erw. 4b) sei es zwar nicht zwingend, die letzten dem Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug unmittelbar vorausgehenden Kalendermonate zu berücksichtigen, sodass sich der versicherte Verdienst (bei Beschäftigungslücken) anhand des Durchschnittsverdienstes der letzten zwölf Beitragsmonate berechnen lässt. Da die Versicherte jedoch während allen zwölf Monaten vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug gearbeitet habe, und somit zwischen den einzelnen Beitragsmonaten keine Zeitlücken liegen, seien die weiter zurückliegenden - mit grösserem Beschäftigungsgrad höheren Verdienste - jedoch nicht zu beachten. 
 
b) Die Beschwerdeführerin stellt sich mit dem seco auf den Standpunkt, dass sich der versicherte Verdienst nach dem gesuchten Beschäftigungsgrad richtet, soweit die versicherte Person innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung im entsprechenden Umfang ausgeübt habe. 
Entgegen der Stellungnahme des seco könne die Berechnung jedoch durchaus auf der Basis des Durchschnittsverdienstes der letzten zwölf Beitragsmonate vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug erfolgen. 
 
c) Unbestrittenermassen findet weder die Grundregel nach Art. 37 Abs. 1 AVIV, welche als Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst den letzten Beitragsmonat (Art. 11 AVIV) vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug vorsieht, noch Art. 37 Abs. 2 AVIV Anwendung, da der Lohn im letzten Beitragsmonat nicht um mindestens 10 % vom Durchschnittslohn der letzten sechs Monate abweicht. Ebenso wenig ist die Sonderfallregelung nach Art. 37 Abs. 3bis AVIV massgeblich, die einen besonderen, in der Art des Arbeitsverhältnisses oder des branchenüblichen Arbeitszeitkalenders angelegten Grund für die Lohnschwankungen voraussetzt, wobei mit der Wendung "Art des Arbeitsverhältnisses" in erster Linie die in Art. 8 Abs. 1 AVIV genannten Personen gemeint sind (BGE 121 V 173 Erw. 4b), was vorliegend auch nicht zutrifft. 
 
d) Es stellt sich daher die Frage, ob eine unechte Gesetzeslücke vorliegt, welche im Sinne der richterlichen Lückenfüllung zu schliessen ist. Eine solche Lücke regelbildend zu füllen steht dem Gericht nur dort zu, wo der Gesetzgeber sich offenkundig über gewisse Tatsachen geirrt hat oder wo sich die Verhältnisse seit Erlass des Gesetzes in einem Masse gewandelt haben, dass die Vorschrift unter gewissen Gesichtspunkten nicht oder nicht mehr befriedigt und ihre Anwendung rechtsmissbräuchlich wird (BGE 126 V 155 Erw. 5b mit Hinweisen). 
Angesichts des Ergebnisses bei Anwendung von Art. 37 Abs. 3 AVIV, wonach bei einem versicherten Verdienst von Fr. 2'554. -, unter Anrechnung der 50%igen Zwischenverdiensttätigkeit in der Höhe von Fr. 2'123. 30 der Taggeldanspruch verneint würde, muss auf eine unechte Lücke in Art. 37 AVIV geschlossen werden (vgl. BGE 121 V 176 Erw. 4d). Die Arbeitslosenkasse anerkennt ebenso in ihrer vorinstanzlichen Vernehmlassung, dass die Anwendung von Art. 37 Abs. 3 AVIV bei Fällen mit sukzessiver Pensenreduktion innerhalb eines Arbeitsverhältnisses zu stossenden Ergebnissen führen kann, insbesondere wenn sich Versicherte nicht unmittelbar im Anschluss daran arbeitslos melden. Gleicher Ansicht ist das seco, welches daher zur Ermittlung des versicherten Verdienstes bei schwankendem Beschäftigungsgrad eine verwaltungsinterne Weisung erlassen hat (ALV-P 97/1, Blatt 11). 
Sämtliche Bestimmungen des Art. 37 AVIV führen demnach vorliegend zu einem stossenden und unbilligen Resultat, sodass der Richter hier eingreifen und nach der Regel entscheiden muss, die er als Gesetzgeber (Art. 1 Abs. 2 ZGB) aufstellen würde (BGE 118 V 173 Erw. 2b mit Hinweisen). 
3.- Verwaltungsweisungen sind zwar für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich, sollen jedoch bei der 
Entscheidung mit berücksichtigt werden, wenn sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (BGE 126 V 68 Erw. 4b, 125 V 379 Erw. 1c, je mit Hinweisen. 
 
a) Das seco sieht in seiner Weisung vor, dass sich der versicherte Verdienst nach dem von der arbeitslosen Person gesuchten Beschäftigungsgrad bemisst, sofern diese innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung im entsprechenden Umfang ausgeübt hat. Damit soll vermieden werden, dass Personen, die sich trotz Erleidens eines anrechenbaren Verdienstausfalls nicht sofort zum Taggeldbezug anmelden oder deren Verdienstausfall z.B. infolge Pensenreduktion erst mittelbar einen Anspruch begründet, bei einer späteren Taggeldberechnung benachteiligt werden. 
 
b) Wenn mit der Beschwerdeführerin gemäss ihren Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine Berechnungsgrundlage von zwölf anstatt sechs Monaten herangezogen würde, vermöchte dies am Ergebnis des fehlenden Taggeldanspruchs nichts zu ändern. Anhand der Aktenlage weist die Versicherte keine Zeitlücken bezüglich der Beitragsmonate auf (BGE 121 V 172 Erw. 4b/4e; ARV 1992 Nr. 1 S. 71), sodass die Beitragsmonate mit den Kalendermonaten identisch sind, was sich bei einem in den letzten zwölf Monaten vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug (22. August 1993 bis 21. August 1994) 50%igen Arbeitspensum in dargelegter Weise negativ auswirken würde. 
Entgegen der Vorinstanz kann dieser Härte auch nicht mit einer frühzeitigeren Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung entgegengewirkt werden, weil das Ziel der Arbeitslosenversicherung darin liegt, Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen (Art. 17 Abs. 1 AVIG) und nicht, diese möglichst früh zu begründen. 
c) Daher ist der versicherte Verdienst vielmehr in Anlehnung an die Weisung des seco zu berechnen. Diese Lösung lässt sich durchaus mit Art. 37 AVIV vereinbaren und wirkt, wie das seco ausführt, einer unbilligen Schlechterstellung von Versicherten entgegen, deren Arbeitspensum im Laufe der Rahmenfrist für die Beitragszeit sukzessive reduziert worden ist. Mit Blick auf den von der Beschwerdeführerin gesuchten Beschäftigungsgrad von 100 % (prospektive Beurteilung) wäre der versicherte Verdienst auf der Grundlage eines Vollzeitpensums zu berechnen, sofern innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung in diesem Umfang ausgeübt wurde, was vorliegend nicht erfüllt ist. Die Versicherte war aber innerhalb dieser massgeblichen Zeit während sechs Monaten im Umfang von 70 % beitragspflichtig tätig, sodass sich der versicherte Verdienst aufgrund dieses Arbeitspensums bemisst. Bei einer 50%igen Tätigkeit mit einem monatlichen Verdienst von Fr. 2'123. 30 (inkl. 13. Monatslohn) resultiert bei einem Beschäftigungsgrad von 70 % ein versicherter Verdienst von Fr. 2'972. 65. Dementsprechend ist die Arbeitslosenentschädigung neu festzusetzen. Die verbleibende Teilzeitbeschäftigung im geltend gemachten Umfang ist von der Arbeitslosenkasse als Zwischenverdiensttätigkeit nach Art. 24 AVIG in die Berechnung der Arbeitslosenentschädigung einzubeziehen und nach dem Prinzip des Verdienstausfalles zu entschädigen (BGE 120 V 233 und 502, 121 V 54 Erw. 2, welche Rechtsprechung gemäss dem nicht veröffentlichten Urteil K. vom 25. Mai 1998, C 148/96, auch im Anwendungsbereich von Art. 24 AVIG in der seit 1. Januar 1996 in Kraft stehenden Fassung gilt; SVR 1995 ALV Nr. 47 S. 137). 
 
4.- Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses entsprechend steht der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zulasten der Arbeitslosenkasse zu (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). 
Angesichts des Ausgangs des vorinstanzlichen Verfahrens hat das kantonale Gericht keine Parteientschädigung zugesprochen. Weil auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung kein bundesrechtlicher Anspruch auf Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren besteht (vgl. Art. 103 AVIG), ist davon abzusehen, die Akten zum allfälligen 
Entscheid über eine Parteientschädigung der Vorinstanz zuzustellen. Hingegen ist es der letztinstanzlich obsiegenden Beschwerdeführerin unbenommen, mit Blick auf den Ausgang des Prozesses vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht bei der Vorinstanz einen entsprechenden Antrag zu stellen. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichtes des Kantons Zürich vom 5. März 1999 und die Verfügung der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI vom 7. Oktober 1996 aufgehoben, und es wird die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie die Arbeitslosenentschädigung im Sinne der Erwägungen neu festsetze. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
Luzern, 27. Juli 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: 
 
i.V.