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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2D_22/2021  
 
 
Urteil vom 27. Juli 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Wiedererwägung/Aufenthaltsbewilligung/Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 31. März 2021 (VB.2020.00910). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1978) ist türkische Staatsangehörige. Sie heiratete am 30. April 2016 den ursprünglich ebenfalls aus der Türkei stammenden Schweizer Bürger B.________ (geb. 1974). Sie verfügte gestützt hierauf über eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Gatten. Das Migrationsamt des Kantons Zürich widerrief die Bewilligung am 25. April 2017. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg; das Bundesgericht wies eine entsprechende Beschwerde seinerseits am 23. Januar 2020 ab, soweit es darauf eintrat (2C_878/2018). 
 
B.  
Das Migrationsamt des Kantons Zürich trat am 29. Juni 2020 mangels wesentlicher Änderung der Sach- und Rechtslage auf ein Gesuch von A.________ nicht ein, die Verfügung vom 25. April 2017 wiedererwägungsweise aufzuheben. Den hiergegen erhobenen Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 8. Dezember 2020 ab, soweit sie darauf eintrat. Sie setzte eine neue Ausreisefrist bis zum 8. Januar 2021 an. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies die hiergegen gerichtete Beschwerde am 31. März 2021 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.________ beantragt vor Bundesgericht mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2021 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Soweit die Beschwerdeführerin sich auf ein Aufenthaltsrecht gestützt auf Art. 8 EMRK (Privatleben; BG 144 I 266 ff.) bzw. Art. 50 AIG beruft, ist dieses mit dem Urteil des Bundesgerichts vom 23. Januar 2020 rechtskräftig (Art. 61 BGG) dahin gefallen (Urteil 2C_141/2021 vom 13. April 2021 E. 1.2).  
 
1.2. Da das Bundesgericht im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur Anspruchsbewilligungen prüfen kann, ist die Beschwerde einzig dann zulässig, wenn aktuell ein Rechtsanspruch auf die neue Bewilligung besteht (Urteile 2C_663/2020 vom 2. März 2021 E. 2.2; 2C_221/2020 vom 19. Juni 2020 E. 1.2.1; 2D_37/2018 vom 29. Oktober 2018 E. 2.2; 2C_644/2014 vom 9. Februar 2015 E. 1.3). Andernfalls steht nur die (subsidiäre) Verfassungsbeschwerde offen (Urteil 2C_183/2016 vom 26. Mai 2016 E. 1.2.3).  
 
1.3. Ob vorliegend die Beschwerde als solche in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten oder als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen ist, kann angesichts des Ausgangs des Verfahrens dahin gestellt bleiben (vgl. Urteil 2C_572/2020 vom 22. Oktober 2020 E. 1.3).  
 
2.  
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet einzig die Frage, ob das Migrationsamt auf das Wiedererwägungsgesuch bezüglich seiner Verfügung vom 25. April 2017 hätte eintreten und die Sache materiell (neu) prüfen müssen bzw. ob die Vorinstanz dessen Nichteintretensentscheid im Resultat zu Recht geschützt hat (vgl. das Urteil 2C_446/2018 vom 22. August 2019 E. 1.2 mit Hinweisen). 
 
2.1. Wenn sich die Umstände in einer bereits beurteilten Angelegenheit des öffentlichen Rechts seit dem früheren Entscheid wesentlich verändert haben, besteht für die Rechtssuchenden gestützt auf Art. 29 Abs. 2 BV ein verfassungsmässiger Anspruch darauf, dass sich die zuständige Behörde mit einem neuen Gesuch bzw. einem Wiedererwägungsgesuch materiell auseinandersetzt (vgl. BGE 136 II 177 E. 2.1; 124 II 1 E. 3a S. 6; 120 Ib 42 E. 2b S. 46 f.; Urteil 2C_446/2018 vom 22. August 2019 E. 2.2). Die entsprechend Pflicht besteht, "wenn die Umstände sich seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben, oder wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft macht, die ihm im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand" (vgl. BGE 124 II 1 E. 3a S. 6; Urteil 2C_883/2018 vom 21. März 2019 E. 4.2).  
 
2.2. Die Wiedererwägung von Verwaltungsentscheiden, die in Rechtskraft erwachsen sind, ist indessen nicht beliebig zulässig. Sie darf namentlich nicht bloss dazu dienen, rechtskräftige Verwaltungsentscheide immer wieder infrage zu stellen oder die Fristen für die Ergreifung von Rechtsmitteln zu umgehen bzw. im ursprünglichen Verfahren Versäumtes nachzuholen (BGE 136 II 177 E. 2.1 S. 181). Ob ein entsprechendes Gesuch materiell zu behandeln ist, hängt davon ab, ob sich der Sachverhalt oder bei Dauersachverhalten auch die Rechtslage in einer Art geändert haben, dass ein anderer Ausgang des Verfahrens ernstlich in Betracht fällt (BGE 136 II 177 E. 2.2.1; Urteile 2C_977/2017 vom 6. Juni 2018 E. 3 und 2C_335/2009 vom 12. Februar 2010 E. 2.1). Es besteht nicht bereits dann ein Anspruch auf Neubeurteilung, wenn ein Wiedererwägungsgrund nur behauptet wird (Urteil 2C_393/2019 vom 18. September 2019 E. 3.2); die betroffene Person hat vielmehr glaubhaft zu machen und mit geeigneten Beweismitteln zu belegen, welche tatsächlichen Verhältnisse sich seit dem ersten Entscheid derart verändert haben, dass es sich gestützt darauf rechtfertigt, die Situation neu zu prüfen (Urteile 2C_883/2018 vom 21. März 2019 E. 4 und 2C_393/2019 vom 18. September 2019 E. 3.2, je mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihr bei einer Rückkehr in die Türkei aufgrund der Drohungen der Familien und insbesondere des Schwiegervaters als geschiedene Frau und Alevitin eine unmenschliche, erniedrigende und lebensgefährliche Behandlung drohe (Ehrenmord). Sie sei bereits von ihrem früheren Ehegatten innerhalb der Ehe unmenschlich und erniedrigend behandelt und in ihrer körperlichen sowie psychischen Integrität verletzt worden. Es liege insofern eine neue tatsächliche Situation vor, als die Türkei aus der Istanbul-Konvention vom 11. Mai 2001 austreten werde (Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt [SR 0.311.35]), was "einen Rückschritt in der Bekämpfung von gegen Frauen gerichteten Gewalttaten" darstelle. Die Menschenrechtslage habe sich seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15./16. Juni 2016 weiter verschlechtert. Das angefochtene Urteil stehe im klaren Widerspruch zur tatsächlichen Situation der alevitischen Minderheit in der Türkei; es verkenne die persönliche und konkrete Drohung durch ihren ehemaligen Schwiegervater, die kulturelle Akzeptanz und die "steigende Ausführungen von Ehrenmorden" in der Türkei sowie die Diskriminierung und brutale Gewalt, der geschiedene Frauen sich in der Türkei "gemäss humanitären Organisationen und der Lebenserfahrung" ausgesetzt sähen. Die Vorinstanz verletze mit ihrem Entscheid das Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW [SR 0.108]).  
 
3.2. Wenn die Vorinstanz davon ausgegangen ist, dass keine relevante Veränderung des Sachverhalts vorliege, ist dies nicht zu beanstanden:  
 
3.2.1. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin beziehen sich - entgegen ihrer Kritik - in erster Linie auf die generelle politische, soziale und wirtschaftliche Lage in der Türkei, welche sich weder seit dem Widerrufsentscheid des Migrationsamts vom 25. April 2017 noch dem bundesgerichtlichen Entscheid vom 23. Januar 2020 wesentlich verändert hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend darlegt, eine Wegweisung von Aleviten in die Türkei - mit Ausnahme der Grenzprovinzen Sirnak und Hakkari - möglich, zulässig und zumutbar (vgl. die Urteile 2C_495/2020 vom 28. September 2020 E. 6 mit Hinweisen und D-3555/2017 vom 16. September 2020 E. 6.2.1). Die Beschwerdeführerin hätte die entsprechende Kritik zudem bereits im ursprüngliche Verfahren gelten machen können und müssen. Sie kann heute nicht nachholen, was sie damals zu tun unterlassen hat (vgl. vorstehende E. 2.2).  
 
3.2.2. Die Nichtbeachtung eines rechtskräftigen Wegweisungsentscheids kann nicht zu einem Bewilligungsanspruch führen (Urteil 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.2.3). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin bereits vor ihrer Einreise als geschiedene Frau in ihrer Heimat gelebt hat und sie sich nicht neu mit dieser Situation bzw. den allenfalls damit verbundenen Widrigkeiten konfrontiert sieht. Die in Aussicht genommene Kündigung der Istanbul Konvention durch die Türkei mag zwar einen Rückschritt in der Bekämpfung von gegen Frauen gerichteten Gewalttaten darstellen, hat aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die Bewilligungssituation bzw. das Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdeführerin und kann nicht als entscheidwesentliche Änderung des Sachverhalts gelten.  
 
3.2.3. Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, durch die Familie ihrer früheren Schwiegereltern mit den Tod bedroht worden zu sein, weist die Vorinstanz zu Recht daraufhin, dass die entsprechende Problematik bereits im Widerrufsverfahren ausgiebig thematisiert worden ist. Die Beschwerdeführerin stellt dies nicht infrage. Die entsprechenden Vorbringen wurden in der Beschwerdeschrift vom 14. Mai 2018 und im bundesgerichtlichen Verfahren wiederholt, jedoch überwiegend als nicht glaubhaft bzw. zu pauschal erachtet (Urteil 2C_878/2018 vom 23. Januar 2020 E. 6.4). Die im Wiedererwägungsverfahren vorgelegte zweite Stellungnahme der Tante der Beschwerdeführerin vom 28. Oktober 2018 stellte inhaltlich weitgehend eine neuformulierte Wiederholung der bereits im Widerrufsverfahren erhobenen Vorwürfe dar. Die Beschwerdeführerin hätte dieses Schreiben im Übrigen wiederum bereits im Widerrufsverfahren einbringen können und müssen.  
 
3.2.4. Bezüglich ihrer Integration und gesundheitlicher Situation, auf welche die Beschwerdeführerin erneut verweist, hat das Bundesgericht bereits festgehalten, dass die psychischen Probleme ihrer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nicht im Wege gestanden hätten; aufgrund des Umstands, dass sie rund 38 Jahre und damit den weitaus grössten Teil ihres bisherigen Lebens in der Türkei verbracht habe, sei sie dort mehr verwurzelt als in der Schweiz; eine konkrete Bedrohung sei nicht nachgewiesen (Urteil 2C_878/2018 vom 23. Januar 2020 E. 6.5). Wenn sich die Beschwerdeführerin für die Bedrohungssituation auf neue Schreiben ihres früheren Vertreters vom 3. März und 20. Februar 2020 sowie eigene Erklärungen beruft, wurden die entsprechenden Parteibehauptungen in ähnlicher Form schon im rechtskräftig abgeschlossenen Widerrufsverfahren vorgebracht und in dessen Rahmen berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin macht nicht ernsthaft geltend, dass die von ihr dargelegte Gefährdung gegenüber dem früheren Urteil neu aufgetreten sei; sie beruft sich im Wesentlichen auf zusätzliche Beweismittel, die sie wiederum weitgehend bereits im Widerrufsverfahren hätte gelten machen können und müssen (Bericht von DW vom 31. Januar 2013; Türkei-Länderinfo vom August 2019; Human-Rights-Watch-Bericht vom 4. Mai 2011; Bericht "Teleopolis" vom 10. August 2016 usw.). Das Institut der Wiedererwägung bzw. der Anspruch auf Neubeurteilung darf nicht dazu dienen, prozessuale Versäumnisse nachzuholen (vgl. vorstehende E. 2.2). Die angerufenen Beweismittel sind nicht geeignet, eine wesentliche Änderung des Sachverhalts darzutun, die ein Eintreten auf das Wiedererwägungsgesuch bzw. das neue Ersuchen um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gebieten würde.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde ist abzuweisen. Dies kann unter Verweis auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Entscheid im Verfahren nach Art. 109 BGG geschehen.  
 
4.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Juli 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar