Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
I 216/01 Hm 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Leuzinger und 
Bundesrichter Kernen; Gerichtsschreiber Jancar 
 
Urteil vom 27. August 2001 
 
in Sachen 
Z.________, 1964, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin, 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
A.- Mit Verfügung vom 27. März 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau Z.________ gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. Juni 1995 eine ganze Invalidenrente zu. Am 5. September 2000 stellte sie dem Versicherten eine Kopie dieser Verfügung zu. 
B.- Dagegen erhob Z.________ am 2. Oktober 2000 Beschwerde. 
Am 6. Dezember 2000 und am 16. Januar 2001 forderte ihn das Versicherungsgericht des Kantons Aargau auf, die Beschwerde innert 10 Tagen zu verbessern, ansonsten auf sie nicht eingetreten werde. Am 29. Januar 2001 gab der Versicherte die Beschwerdeverbesserung bei der französischen Post auf. Mit Entscheid vom 13. Februar 2001 trat die Vorinstanz auf die Beschwerde nicht ein, da sie verspätet erhoben und zudem nicht innert angesetzter Frist verbessert worden sei. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Versicherte, auf die Beschwerde sei einzutreten; der Rentenbeginn sei per 1991 festzusetzen. 
Die IV-Stelle verzichtet auf eine Stellungnahme, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lässt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid. Obwohl sie sich auch mit der materiellen Seite des Streitfalles befasst, ist nur zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht auf die Beschwerde nicht eingetreten ist, während das Eidgenössische Versicherungsgericht auf das materielle - die Festsetzung des Rentenbeginns per 1991 betreffende - Begehren nicht eintreten kann (BGE 117 V 122 Erw. 1 mit Hinweisen). 
Da es somit nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern ausschliesslich um eine prozessrechtliche Frage geht, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- a) Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über die Beschwerdefrist gegen die aufgrund des Invalidenversicherungsgesetzes erlassenen Verfügungen (Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 84 AHVG), die Beweislast bezüglich des Zustellungszeitpunktes uneingeschrieben versandter Verfügungen (BGE 121 V 6 Erw. 3b; ZAK 1984 S. 124 Erw. 1b) sowie die Fristwahrung bei Aufgabe einer Postsendung im Ausland (BGE 125 V 66 Erw. 1, 106 III 4 Erw. 2; nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Februar 2000, I 327/98) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. 
Zu ergänzen ist, dass gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG die Beschwerde eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten muss. Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht, so setzt die Rekursbehörde dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. 
 
b) Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid zutreffend dargelegt, dass die 30-tägige Frist zur Einreichung der Beschwerde gegen die Verfügung vom 27. März 2000 im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vom 2. Oktober 2000 längst verstrichen war. Der Versicherte führte in der Beschwerde nämlich selber aus, die Vorinstanz habe die Daten zu überprüfen, da die Frist vermutlich abgelaufen sei. Dass ihm die Verfügung überhaupt nicht oder erst mehrere Monate später zugesandt worden sei, machte er - wie die Vorinstanz zu Recht ausführt - in der Beschwerde (noch) nicht geltend. 
c) aa) Zu beachten ist indessen folgendes: Wie nun in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde brachte der Versicherte bereits in der Beschwerdeverbesserung zu Handen der Vorinstanz vom 29. Januar 2001 (Postaufgabe) vor, er habe von den Rentenzahlungen nicht mit einer Verfügung Kenntnis erhalten, sondern die Rentenzahlungen aufgrund seines Kontostandes auf dem PC-Konto vermutet. Er habe zwar angenommen, dass eine Verfügung vorhanden sein müsse, sei sich darüber aber nicht ganz im Klaren gewesen, da die IV-Stelle auch aufgrund einer Mitteilung zahlen könne. Damit macht er geltend, er habe die streitige Verfügung vom 27. März 2000 nicht bzw. erst nachträglich in Kopie am 5. September 2000 erhalten, weshalb seine Beschwerde vom 2. Oktober 2000 rechtzeitig erfolgt sei. 
Die Vorinstanz hat indessen - wie gesagt - zu diesem Einwand nicht Stellung genommen, da sie die Eingabe des Versicherten vom 29. Januar 2001 als verspätet erachtet hat. Ob dies zutrifft, ist nachfolgend zu überprüfen. Denn sollte diese Eingabe verspätet gewesen sein, so ist das nun auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachte Argument des Versicherten, er habe die Verfügung erst am 5. September 2000 erhalten, eine neue Tatsache, die im Prozess vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht nicht mehr berücksichtigt werden könnte (Art. 105 Abs. 2 OG; SVR 1997 AHV Nr. 122 S. 374 Erw. 4a; AHI 1994 S. 211 Erw. 2b). 
 
 
bb) Mit Verfügung vom 6. Dezember 2000 forderte die Vorinstanz den Versicherten auf, die Beschwerde vom 2. Oktober 2000 innert 10 Tagen gemäss den Anforderungen von Art. 85 Abs. 2 lit. b AHVG zu verbessern und verband damit die Androhung, dass im Unterlassungsfall darauf nicht eingetreten werde. Diese Verfügung wurde von der Poststelle Bern mit dem Vermerk "nicht abgeholt (ist z. Zeit im Ausland)" retourniert. 
Bei den vorinstanzlichen Akten befand sich eine Vollmacht vom 7. August 2000, worin der Beschwerdeführer Fürsprecher M.________ zur Vertretung in Sachen "Übermittlung der Korrespondenz von und an die Invalidenversicherung ohne Rechtsvertretung" bevollmächtigt hatte. Gestützt hierauf stellte die Vorinstanz die Verfügung vom 6. Dezember 2000 am 16. Januar 2001 Fürsprecher M.________ zu zur Verbesserung und Einreichung einer ordnungsgemässen Beschwerde unter den in der Verfügung vom 6. Dezember 2000 angedrohten Säumnisfolgen bzw. zur Abgabe einer Erklärung betreffend das Vertretungsverhältnis. Fürsprecher M.________ nahm die Verfügung vom 16. Januar 2001 am 18. Januar 2001 in Empfang. Die 10-tägige Frist zur Verbesserung der Beschwerde lief daher - da der 28. Januar 2001 ein Sonntag war - am 29. Januar 2001 ab (Art. 81 IVG in Verbindung mit Art. 96 AHVG und Art. 20 Abs. 3 VwVG). 
Die vom Versicherten selber verfasste Beschwerdeverbesserung datiert vom 28. Januar 2001, wurde - wie gesagt - unbestrittenermassen am 29. Januar 2001 um 17.00 Uhr per Express bei der französischen Poststelle 71 A.________ aufgegeben und ging gemäss Strichcode-Aufzeichnung über die Poststelle Genf (1200 Genève 2 CC Etranger) am 1. Februar 2001 um 07.18 Uhr bei der Post R.________ ein. Die Vorinstanz führte zur Rechtzeitigkeit dieser Eingabe aus, sie hätte spätestens am 29. Januar 2001 von der schweizerischen Post in Empfang genommen werden müssen, "was aufgrund des Zustellungsverlaufs ausgeschlossen erscheint", so dass sie als verspätet zu betrachten sei. Dieser Argumentation ist nicht beizupflichten. Es ist vielmehr durch Nachfrage bei der Poststelle in Genf abzuklären, ob die per Express versandte Eingabe noch am 29. Januar 2001 (bis Mitternacht) bei der schweizerischen Post einging. Zu diesem Zweck ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
3.- Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern um eine prozessrechtliche Frage geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 Verbindung mit Art. 135 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf 
einzutreten ist, in dem Sinne gutgeheissen, dass der 
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 13. Februar 2001 aufgehoben und die Sache an dieses 
zurückgewiesen wird, damit es, nach erfolgter 
Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Rechtzeitigkeit 
der Beschwerde neu entscheide. 
 
II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird dem 
 
Beschwerdeführer zurückerstattet. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 27. August 2001 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: