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[AZA 7] 
I 129/01 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber 
Hadorn 
 
Urteil vom 27. November 2001 
 
in Sachen 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
M.________, 1987, Beschwerdegegner, vertreten durch seinen Vater, 
und 
Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen und die IV-Stellen, Basel 
 
A.- Der 1987 geborene M.________ leidet seit der Geburt an einer arterio-venösen Missbildung der Vena Galeni mit Hydrocephalus. Deswegen wurde er mehrmals im Hôpital Y.________/Frankreich behandelt. Die IV-Stelle Basel-Stadt teilte den Eltern von M.________ mit Schreiben vom 4. Juli 1997 mit, dass die Invalidenversicherung die Kosten der medizinischen Massnahmen im Ausland bis zu demjenigen Betrag übernehmen werde, welcher bei Durchführung der Behandlungen an der Kinderklinik X.________ entstanden wäre. 
Nachdem der Vater von M.________ am 8. März 1999 zusätzlich um Übernahme der Kosten für die Hin- und Rückfahrt nach B.________/Frankreich sowie für Unterkunft und Verpflegung für seinen Sohn und eine Begleitperson ersucht hatte, erliess die IV-Stelle am 26. April 2000 eine Verfügung. Demnach übernahm sie die Kosten der medizinischen Massnahmen im Ausland bis zu dem Betrag, welcher bei einer Behandlung im Kinderspital Z.________ angefallen wäre. 
 
B.- Auf Beschwerde des Vaters von M.________ hin wies die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen und die IV-Stellen, Basel, die Sache mit Entscheid vom 15. Dezember 2000 zur Neufestsetzung der zu übernehmenden Kosten im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück. 
 
C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
Während die IV-Stelle auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt der Vater von M.________ deren Abweisung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Nach Art. 9 Abs. 1 IVG werden Eingliederungsmassnahmen in der Schweiz, ausnahmsweise auch im Ausland gewährt. 
Erweist sich die Durchführung einer Eingliederungsmassnahme in der Schweiz nicht als möglich, insbesondere weil die erforderlichen Institutionen oder Fachpersonen fehlen, oder muss eine medizinische Massnahme notfallmässig im Ausland durchgeführt werden, übernimmt die Invalidenversicherung nach Art. 23bis Abs. 1 IVV die Kosten einer einfachen und zweckmässigen Durchführung im Ausland. Wird eine Massnahme aus andern beachtlichen Gründen im Ausland durchgeführt, vergütet die Versicherung laut Abs. 2 die Kosten bis zu dem Umfang, in welchem solche Leistungen in der Schweiz zu erbringen gewesen wären. 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die in Frankreich durchgeführten Behandlungen unter Abs. 1 oder Abs. 2 von Art. 23bis IVV fallen. 
 
a) Das Beschwerde führende Bundesamt stellt sich auf den Standpunkt, die Invalidenversicherung könne medizinische Massnahmen im Ausland lediglich im Umfang des Abs. 2 übernehmen. Eine Durchführung der umstrittenen Behandlungen sei in der Schweiz auch möglich. Dazu beruft sich das BSV auf eine Bestätigung von Prof. Dr. V.________, Direktor des Instituts für Neuroradiologie des Departements Medizinische Radiologie am Spital C.________, vom 19. März 1998. Danach werden dort seit Anfang der Achtziger Jahre endovaskuläre Eingriffe zur Behandlung von zerebralen Angiomen, einschliesslich V. Galeni Angiome bei Neugeborenen und Kleinkindern routinemässig durchgeführt. Das Institut sei auf diesem Gebiet ein international führendes Kompetenz- und Referenzzentrum mit hoher Zuweisungsrate aus dem Ausland. 
 
b) Der Vater des Versicherten macht demgegenüber geltend, Abs. 1 von Art. 23bis IVV sei anwendbar. Er verweist auf einen Bericht von Dr. med. B.________, Leitender Arzt am Kinderspital X.________, vom 25. Januar 2000. Demnach gehe es vorliegend um eine sehr seltene Missbildung. Wohl gebe es in der Schweiz an den Kliniken D._________ und E._________ grundsätzlich die Möglichkeit einer Behandlung. 
Die Erfahrungen mit solchen Malformationen sei jedoch sowohl absolut als auch relativ im Vergleich zum Hôpital in Frankreich nur sehr gering. Das Hôpital Y.________/Frankreich mit Prof. L.________ sei das europäische Referenzzentrum für die Diagnostik und Therapie von cerebro-vaskulären Malformationen. Frühere Patienten des Kinderspitals X.________ seien ebenfalls dort behandelt worden. In einem Bericht vom 19. Juni 1997 führt Dr. B.________ aus, die Embolisationstherapie bei Missbildungen von cerebralen Gefässen sei beispielsweise an den Kliniken D._________ oder E._________ möglich. Die anatomischen Verhältnisse des Versicherten seien jedoch derart kompliziert, dass in Europa nur das Zentrum von Prof. L.________ über ausreichende Erfahrungen verfüge. Auch Prof. G.________, Chef der Neurochirurgie am Spital A.________, sei der Meinung, die Eingriffe sollten in Frankreich vorgenommen werden. 
Überdies macht der Vater des Versicherten geltend, das Schreiben von Prof. V.________ beziehe sich auf Neugeborene und Kleinkinder, während sein Sohn bei der Operation bereits 10 Jahre alt gewesen sei. 
 
c) Das Schreiben von Prof. V.________, auf welches sich das BSV stützt, bezieht sich dem Wortlaut nach auf die Behandlung von Neugeborenen und Kleinkindern, während es sich nicht zu Jugendlichen und Erwachsenen äussert. Der Versicherte fällt angesichts seines Alters im Zeitpunkt der Operationen in Frankreich nicht mehr unter die Begriffe "Neugeborene" oder Kleinkinder". Indessen räumt selbst Dr. 
B.________ ein, dass die streitigen Eingriffe grundsätzlich an den Kliniken D._________ und E._________ möglich gewesen wären. Es lässt sich daher nicht behaupten, dass in der Schweiz die notwendigen Institutionen oder Fachpersonen fehlten. 
Die beiden genannten Kliniken verfügen zwar gemäss Dr. 
B.________ nur über sehr wenig Erfahrung in komplizierten Fällen wie dem vorliegenden. Es handelt sich somit um eine besonders seltene Krankheit, mit welcher die in der Schweiz tätigen Spezialisten noch kaum konfrontiert worden sind. 
Diese Konstellation reicht nach der Rechtsprechung (Urteile A. vom 21. Juli 2000, I 740/99, H. vom 15. Februar 2000, I 364/99, S. vom 20. September 1999, I 106/99, S. vom 15. Januar 1999, I 303/98) indessen wohl für eine Anspruchsgrundlage nach Art. 23bis Abs. 2 IVV, nicht jedoch nach Abs. 1 IVV aus. 
Nachdem sich ferner in den Akten keine Anhaltspunkte für die von den Eltern vorgebrachte Behauptung finden, die Eingriffe in Frankreich seien notfallmässig erfolgt, muss es mit der Leistungzusprechung im Umfang von Abs. 2 des Art. 23bis IVV sein Bewenden haben, ohne dass weitere Abklärungen zu treffen wären. 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird 
der Entscheid der Kantonalen Rekurskommission für die 
Ausgleichskassen und die IV-Stellen, Basel, vom 15. Dezember 2000 aufgehoben. 
 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der Kantonalen Rekurskommission für die Ausgleichskassen und die IV- Stellen, Basel, der IV-Stelle Basel-Stadt und der 
 
 
Ausgleichskasse Basel-Stadt zugestellt. 
Luzern, 27. November 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: