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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 746/01 
 
Urteil vom 28. Februar 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Polla 
 
Parteien 
F.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Schmid, Bachmattstrasse 40, 8048 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 24. Oktober 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1955 geborene F.________ arbeitete zuletzt vom 1. August 1987 bis zum 12. August 1997 als Magaziner bei der Firma X.________. Anfangs 1990 traten erstmals lumbale Rückenschmerzen auf, welche ab 1996 deutlich zunahmen. Zudem wurden ein Analgetikaabusus sowie psychische Beschwerden festgestellt (Bericht der Neurologischen Klinik am Spital Y.________ vom 1. Juli 1999, polydisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle [MEDAS], vom 22. Oktober 1999). Mit Verfügung vom 13. Juni 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich dem Versicherten rückwirkend ab 1. August 1998 bei einem Invaliditätsgrad von 50% eine halbe Invalidenrente zu. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 24. Oktober 2001). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 30. November 2001 lässt F.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheids sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; eventuell sei nochmals ein psychiatrisches Gutachten zu erstellen. Am 8. und 25. Januar 2002 lässt der Versicherte Stellungnahmen des Psychiaters Dr. med. S.________ vom 5. Januar 2002 sowie des Rheumatologen Dr. med. K.________ vom 22. Januar 2002 einreichen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 IVG), insbesondere den invalidisierenden Charakter seelischer Störungen mit Krankheitswert (BGE 102 V 165; AHI 2000 S. 151 Erw. 2a mit Hinweisen), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der Methode des Einkommensver- gleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b), die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) und den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 13. Juni 2000) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine ganze Invalidenrente, insbesondere das Ausmass der körperlich und psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit. 
2.1 Unbestrittenermassen ist der Beschwerdeführer aufgrund einer generalisierten Angststörung (ICD-10: F41.1), einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit deutlicher Symptomausweitung (ICD-10: F 45.4) und eines chronischen unspezifischen zervicovertebralen sowie lumbovertebralen Schmerzsyndroms (ICD-10: M54.5) mit generalisierter Hyperalgesie und unspezifischer Schmerzausstrahlung ins linke Bein nicht mehr in der Lage, seine angestammte Tätigkeit als Magaziner (zumindest bei gleichbleibend grosser Belastung) auszuüben. Die Vorinstanz ist in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Akten - insbesondere gestützt auf das Gutachten der MEDAS vom 22. Oktober 1999 (mit rheumatologischem und psychiatrischem Untergutachten) zum überzeugenden Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer bezüglich einer leichten bis mittelschweren, wechselnd belastenden Tätigkeit, unter Vermeidung von fixierten Körperpositionen und Überkopfarbeiten sowie ohne Tragen schwerer Lasten zu 50% arbeitsfähig ist, was der Beschwerdeführer bestreitet. 
2.2 Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingewendet wird, die Vorinstanz verkenne, dass der Beschwerdeführer trotz intensiver psychiatrischer Betreuung seine Angstzustände nicht verloren habe, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist unbestritten, dass diese generalisierte Angststörung mit ängstlicher Krankheitsverarbeitung und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers vermindert (vgl. zum invalidisierenden Charakter von schmerzhaften somatoformen Beschwerden oder Schmerzverarbeitungsstörungen generell BGE 102 V 165; AHI 2001 S. 228 Erw. 2b mit Hinweisen; siehe auch BGE 127 V 298 ff. Erw. 4c und 5). Gerade in der entscheidwesentlichen MEDAS-Expertise wird ausdrücklich auf die vorhandene Angststörung mit Krankheitswert hingewiesen (psychiatrisches Untergutachten von Frau Prof. Dr. med. E.________ und Dr. med. V.________ vom 8. Oktober 1999, Expertise vom 22. Oktober 1999). Auch mit dem in diagnostischer Hinsicht weitgehendst übereinstimmenden psychiatrischen Gutachten der Frau Dr. med. et phil. N.________ vom 7. April 2001, welches der Beschwerdeführer vor Vorinstanz beibrachte, setzte sich diese ausführlich auseinander und legte überzeugend dar, dass hinsichtlich des Ausmasses der Arbeitsunfähigkeit auf das MEDAS-Gutachten abzustellen ist. Auf die entsprechenden Erwägungen wird verwiesen. 
 
Daran vermögen auch die letztinstanzlich eingereichten ärztlichen Stellungnahmen des Dr. med. S.________ vom 5. Januar 2002 und des Dr. med. K.________ vom 22. Januar 2002 zur Arbeitsfähigkeit nichts zu ändern. Da dies ausserhalb der Rechtsmittelfrist und nicht im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels erfolgte, sind diese Berichte nur beachtlich, soweit sie neue erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel im Sinne von Art. 137 lit. b OG enthalten oder diese eine Revision des Gerichtsurteils rechtfertigen könnten (BGE 127 V 353). Im Übrigen ist die Einschätzung des Psychiaters Dr. med. S.________ insofern unbeachtlich, als sie sich ausdrücklich auf den jetzigen und nicht den hier massgebenden Sachverhalt, der zur Zeit des Verfügungserlasses (13. Juni 2000) gegeben war (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen), bezieht. Der Rheumatologe Dr. med. K.________ hält in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2002 fest, dass aus fachärztlicher Sicht eine leichte wechselbelastende Tätigkeit im Umfang von 50% zumutbar sei. Zu Recht weist er darauf hin, dass er sich zur Einschätzung der Arbeitsfähigkeit hinsichtlich der psychischen Leiden nicht näher zu äussern hat. Des weiteren führt er aber aus, dass Psyche und Soma untrennbar miteinander verbunden seien. Die chronische Schmerzkrankheit habe einen ganz ungünstigen Verlauf genommen. Meist verursache schliesslich die psychosomatische Fixierung die Arbeitsunfähigkeit. Darin besteht mit den Gutachtern der MEDAS Einigkeit, sodass von der aus rheumatologischer Sicht des Dr. med. W.________ geschätzten (mit den dargelegten Einschränkungen) vollen Arbeitsfähigkeit auszugehen ist (rheumatologisches Untergutachten vom 12. September 1999), da Dr. med. K.________ in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2002 lediglich die Arbeitsfähigkeit unterschiedlich einschätzt, ohne dass neue erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel im Sinne von Art. 137 lit. b OG vorliegen. Anhaltspunkte dafür, dass nebst der anerkannten schmerz- und angstbedingten Reduktion des Leistungsvermögens (vgl. hiezu AHI 2000 S. 159 Erw. 4b mit Hinweisen; Urteile R. vom 2. Dezember 2002 [I 53/02] Erw. 2.2, L. vom 6. Mai 2002 [I 275/01] Erw. 3a/bb und b und Q. vom 8. August 2002 [I 783/01] Erw. 3a) weitere psychische oder körperliche Faktoren mit Krankheitswert limitierend wirken, ergeben sich aus den medizinischen Akten keine. Somit vermag auch die Stellungnahme des Dr. med. K.________ vom 22. Januar 2002 die Beweiskraft der als umfassend und im Ergebnis als nachvollziehbar und schlüssig zu bezeichnenden Expertise der MEDAS nicht zu erschüttern, sodass auch letztinstanzlich keine weiteren Beweisvorkehren angezeigt sind (BGE 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweisen). 
2.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht auch die Aussage von Dr. med. B.________ (recte wohl von Frau Prof. Dr. med. E.________) es sei eine Arbeitstätigkeit von "rund vier Stunden" täglich zumutbar, zur geschätzten 50 %-igen Arbeitsunfähigkeit nicht im Widerspruch. Der Umstand, dass der Einsatz bei einem 50 %-Arbeitspensum in der Regel etwas über der angegebenen Stundenzahl liegt (rund 4.17 Stunden/Tag bei einer betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 41.7 Stunden im Jahre 2001 [Tabelle B9.2, in: Die Volkswirtschaft 2002/Heft 12, S. 88], ändert daran nichts. Denn die Angabe des Leistungsvermögens ("rund vier Stunden") legt den zumutbaren Einsatz stundenmässig nicht exakt fest, sondern lässt mit Blick auf den Ermessensanteil einer jeden ärztlichen Einschätzung eine leichte Abweichung nach oben durchaus zu. 
2.4 Weiter ist das Argument des Versicherten nicht stichhaltig, bei einer Restarbeitsfähigkeit von vier Stunden könne keine Stelle gefunden werden. Massgebend für die Bemessung der Invalidenrente ist die objektiv zu verstehende Zumutbarkeit, die verbliebene Arbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt - den persönlichen Verhältnissen entsprechend - zu verwerten und zwar unabhängig der tatsächlichen Beschäftigungslage (BGE 113 V 22 Erw. 4a, 110 V 276 Erw. 4b; ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b). Damit bleibt es bei der von Vorinstanz und Verwaltung angenommenen Restarbeitsfähigkeit von 50 %. 
3. 
3.1 In erwerblicher Hinsicht besteht weder nach den Akten noch der Vorbringen der Parteien wegen Anlass, auf das von der Vorinstanz ermittelte hypothetische Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) von Fr. 59'746.- für das Jahr 2000 zurückzukommen (vgl. BGE 110 V 53 Erw. 4b). Die IV-Stelle hat sich für die Bestimmung des hypothetischen Einkommens nach Eintritt der Invalidität (Invalideneinkommen) auf mehrere Arbeitsplatzdokumentationen (DAP) abgestützt und ein Einkommen von Fr. 22'000.- ermittelt. Das kantonale Gericht griff im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung auf Tabellenlöhne zurück. Unter Zuhilfenahme statistischer Angaben gemäss der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 1998 (LSE) des Bundesamtes für Statistik (BGE 126 V 76 Erw. 3b/bb; AHI 2002 S. 67 Erw. 3b) ging es vom monatlichen Bruttoeinkommen für Männer in einfachen und repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4, privater Sektor) von Fr. 4'268.- aus, rechnete diesen Betrag auf die durchschnittliche Arbeitszeit von 41,8 Stunden im Jahre 2000 um, was ein Einkommen von Fr. 53'520.- ergibt. Unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung für 1999 (+0,3 %) und 2000 (+1,3 %; Die Volkswirtschaft 2001 Heft 7, S. 96, Tabelle B 9.2) entspricht dies im Jahre 2000 Fr. 54'379.-, bzw. Fr. 27'189.50 bei einer 50 %igen Tätigkeit. Da sich die Ermittlung des Invalideneinkommens auf der Grundlage von statistischen Durchschnittswerten als zutreffend erweist, nachdem der Beschwerdeführer seit August 1997 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht (BGE 126 V 76 Erw. 3b/aa und bb mit Hinweisen), ist auf die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen generellen Rügen hinsichtlich der von der Verwaltung beigezogenen Arbeitsplatzdokumentationen (DAP) nicht näher einzugehen. 
3.2 Einer zu erwartenden behinderungsbedingten Verdiensteinbusse sowie allfälligen weiteren einkommensmindernden Faktoren kann durch einen prozentualen Abzug vom Tabellenlohn Rechnung getragen werden (BGE 126 V 79 Erw. 5b mit Hinweisen). Dieser Abzug ist unter Berücksichtigung sämtlicher relevanten Faktoren gesamthaft festzulegen. Es rechtfertigt sich nicht, für jedes Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen und diese zusammenzuzählen, da damit Wechselwirkungen ausgeblendet werden (BGE 126 V 80 Erw. 5b/bb mit Hinweisen). Zu Recht hat die Vorinstanz hauptsächlich aufgrund der leidensbedingten Einschränkung des Beschwerdeführers einen Abzug von 10 % gegenüber dem Tabellenlohn vorgenommen, was im Rahmen der Ermessensprüfung (Art. 132 lit. a OG; BGE 126 V 81 Erw. 6, 123 V 152 Erw. 2 mit Hinweisen) nicht zu beanstanden ist, und so ein Einkommen von Fr. 24'470.50 im Jahre 2000 ermittelt. Weitere arbeitsmarktrelevante Benachteiligungen sind anhand der Aktenlage nicht ersichtlich. Verglichen mit dem Valideneinkommen, welches unbestrittenermassen auf Fr. 59'746.- im Jahr 2000 festzusetzen ist, ergibt sich somit ein Invaliditätsgrad von 59,04 %. Vorinstanz und Verwaltung haben demnach den Anspruch auf eine ganze Invalidenrente zu Recht verneint. An diesem Ergebnis ändert nichts, wenn der Einkommensvergleich bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns (1998) vorgenommen wird (BGE 128 V 174). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 28. Februar 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: