Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_136/2022  
 
 
Urteil vom 28. Februar 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Matten bei Interlaken, Baupolizeibehörde, Baumgartenstrasse 14, 3800 Matten b. Interlaken, 
Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3013 Bern. 
 
Gegenstand 
Baupolizei; nachträgliche Baubewilligung und Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands bezüglich Nutzungsänderung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 19. Januar 2022 (100.2021.40U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ ist Eigentümerin der in der Mischzone MA3 gelegenen Parzelle Nr. 850 im Grundbuch Matten. Darauf steht nebst weiteren Bauten das Gebäude Oelestrasse 2e, das im Grundstück-Informationssystem des Kantons Bern (GRUDIS) als "Schopf" eingetragen ist. Im Herbst 2018 liess A.________ bauliche Änderungen im Inneren des Gebäudes vornehmen. Am 25. Oktober 2018 stellte die Bauverwaltung der Einwohnergemeinde Matten fest, dass im Gebäude ohne erforderliche Bewilligung eine Dusche eingebaut sowie die Anschlüsse für eine Toilette, ein Handwaschbecken und einen Waschtrog erstellt worden waren. Am 4. Februar 2019 reichte A.________ ein entsprechendes nachträgliches Baugesuch zwecks "Umnutzung und Ausbau des Gebäudes Oelstrasse 2e, Matten zu Wohnzwecken" und, auf Aufforderung des Bauamtes hin, zwei ergänzende Gesuche um Ausnahmebewilligungen ein, da die Baute nicht den einschlägigen baurechtlichen Vorgaben zur Raumhöhe und zum Gebäudeabstand zum Nachbargebäude entsprach. Am 19. Juli 2019 befand das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli, dem Ausnahmegesuch zur Raumhöhe sei nicht stattzugeben. In der Folge verweigerte die Einwohnergemeinde Matten am 12. Mai 2020 die nachträgliche Baubewilligung unter Einschluss der Ausnahme für das Unterschreiten der minimalen Raumhöhe und verfügte, das Gebäude an der Oelestrasse 2e dürfe nicht zu Wohnzwecken genutzt werden.  
 
A.b. Dagegen erhob A.________ Beschwerde bei der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern (BVD). Diese passte den angefochtenen Bauentscheid mit eigenem Entscheid vom 14. Januar 2021 insoweit an, als sie die Wirkung des Verbots der Wohnnutzung ab dem 1. Mai 2021 festsetzte, die Beschwerde jedoch im Übrigen abwies und zusätzlich anordnete, dass die Dusche, die Toilette und die Kochgelegenheit bis zum 31. Mai 2021 zu entfernen seien.  
 
B.  
Mit Urteil vom 19. Januar 2022 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern eine dagegen von A.________ eingereichte Beschwerde ab und legte die Frist zur Umsetzung des Benützungsverbots neu auf den 30. April 2022 sowie diejenige zur Umsetzung der baulichen Massnahmen (Entfernung von Dusche, Toilette und Kochgelegenheit) auf den 31. Mai 2022 fest. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 18. Februar 2022 an das Bundesgericht beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die ersuchte Baubewilligung zu erteilen; eventuell sei auf die angeordnete Wiederherstellung zu verzichten und subeventuell seien die angesetzten Fristen aufzuheben und angemessen zu verlängern. 
Die Einwohnergemeinde Matten schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Bau- und Verkehrsdirektion sowie das Verwaltungsgericht stellen Antrag auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG) im Bereich des Raumplanungs- und Baurechts, das zum öffentlichen Recht zählt und vom Anwendungsbereich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht ausgenommen ist (vgl. Art. 83 ff. BGG e contrario; BGE 133 II 249). Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gemäss Art. 82 ff. BGG offen.  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin war an den vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und ist als Eigentümerin des betroffenen Grundstücks und direkte Adressatin des Bauabschlags sowie der Wiederherstellungsverfügung von der Streitsache direkt betroffen. Sie ist damit gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 IV 154 E. 1.1; 143 I 310 E. 2.2; je mit Hinweis). Die beschwerdeführende Partei kann die Feststellung des Sachverhalts unter den gleichen Voraussetzungen beanstanden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Sie kann sich allerdings nicht mit der Behauptung begnügen, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung sei falsch, sondern sie muss nachvollziehbar dartun, inwiefern sie offensichtlich unrichtig sein sollte. Dabei hat sie substanziiert darzulegen, weswegen dies so sein sollte; andernfalls bleibt es beim vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).  
 
2.2. Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, aktenwidrig sind oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Soweit die Beschwerdeführerin die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts kritisiert, legt sie nicht ausreichend dar, weshalb diese nicht nur falsch, sondern offensichtlich unrichtig sein sollten. Ergänzend kann dazu namentlich angefügt werden, dass das Verwaltungsgericht in E. 3.1 des angefochtenen Urteils wiederholt ausdrücklich auf die Akten verweist und damit seine Feststellungen unterlegt und im Zusammenhang mit dem Eintrag des strittigen Gebäudes als "Schopf" im GRUDIS explizit darauf hinweist, dieser Eintrag sei aus Sicht der Beschwerdeführerin falsch. In E. 4.3 des angefochtenen Entscheids wird dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin selbst habe das Gebäude in ihrem Baugesuch vom 4. Februar 2019 als "Gartenhaus/Abstellraum" bezeichnet, weshalb der Vermerk als Schopf nicht willkürlich erscheine. Sodann sei es nicht ausgeschlossen, dass das Gebäude früher zeitweise bewohnt gewesen sei; spätestens seit 2005 sei es jedoch aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin selbst nicht mehr regelmässig als Wohnraum genutzt worden. Das Verwaltungsgericht stützt sich dabei mit genauen Verweisen auf die Akten. Dementsprechend ist nicht ersichtlich, dass seine tatsächlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig sein sollten.  
 
3.  
 
3.1. In rechtlicher Hinsicht kann mit der Beschwerde an das Bundesgericht, von hier nicht interessierenden weiteren Möglichkeiten abgesehen, die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführenden geltend gemacht und begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2, mit Hinweisen).  
 
3.2. Soweit die Beschwerdeschrift überhaupt rechtliche Erwägungen enthält, beziehen sich diese praktisch ausnahmslos auf kantonales Recht, insbesondere auf die Besitzstandsgarantie nach bernischem Recht. Die Verletzung von kantonalem Recht kann aber mit Beschwerde ans Bundesgericht nicht gerügt werden. Dass das Verwaltungsgericht insofern auch gegen Bundesrecht verstossen haben sollte, legt die Beschwerdeführerin nicht dar, weshalb insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Soweit die Beschwerdeführerin Vertrauensschutz geltend machen will, weil die Gemeinde ihr Bauvorhaben begleitet bzw. sie dieses regelmässig mit der Gemeinde abgesprochen habe, führt sie auch nicht ausreichend aus, inwiefern dadurch eine bundesrechtlich massgebliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden sein sollte. Analoges gilt für die Rügen, die Anordnung der Wiederherstellung sowie die Festsetzung der Fristen für die verfügten baulichen Massnahmen seien unverhältnismässig. Aufgrund der Argumentation der Beschwerdeführerin ist nicht nachvollziehbar, inwiefern das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang Bundesrecht verletzt haben sollte. Im Übrigen erhielt die Beschwerdeführerin jedenfalls durch das kantonale Verfahren genügend Aufschub, um sich auf die strittigen Massnahmen, mit denen sie spätestens seit dem Entscheid der Bau- und Verkehrsdirektion vom 14. Januar 2021 rechnen musste, vorzubereiten. Insoweit kann daher auf die Beschwerde grösstenteils nicht eingetreten werden; im Übrigen erweist sie sich als unbegründet.  
 
4.  
 
4.1. Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.  
 
4.2. Nach Art. 103 Abs. 1 BGG hat die Beschwerde ans Bundesgericht in der Regel keine aufschiebende Wirkung. Ein Ausnahmetatbestand gemäss Art. 103 Abs. 2 BGG liegt hier nicht vor. Da die Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren kein ausdrückliches Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung nach Art. 103 Abs. 3 BGG gestellt hatte, sah die Verfahrensleitung des Bundesgerichts von einer entsprechenden prozessualen Verfügung ab. Ob der Subeventualantrag, die vom Kanton festgelegten Fristen zur Umsetzung der baulich verfügten Massnahmen aufzuheben und angemessen zu verlängern, allenfalls als Gesuch um Suspensiveffekt zu verstehen gewesen wäre, kann mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache offenbleiben. Soweit die Beschwerdeführerin den Anordnungen der kantonalen Instanzen noch nicht vollumfänglich nachgekommen ist, wovon vermutungsweise ausgegangen werden kann, sind die entsprechenden Fristen neu festzusetzen. Die Sache geht zu diesem Zweck an die Bau- und Verkehrsdirektion, welche die ursprünglichen Fristen als erste Instanz verfügt hatte.  
 
4.3. Angesichts des Verfahrensausgangs sind die bundesgerichtlichen Kosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (vgl. Art. 68 BGG).  
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Sache wird der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern überwiesen zur Neuansetzung der Fristen zur Umsetzung des Benützungsverbots (Verbot der Wohnnutzung) sowie der baulichen Massnahmen (Entfernung von Dusche, Toilette und Kochgelegenheit). 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Einwohnergemeinde Matten bei Interlaken, der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. Februar 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax