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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_7/2023  
 
 
Urteil vom 28. Februar 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ Fondation, 
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Odermatt, Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vertretungsbefugnis des Rechtsvertreters, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, vom 22. November 2022 (BZ 2022 80). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 8. April 2022 reichte die A.________ Fondation (Beschwerdeführerin), U.________, vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Odermatt, beim Einzelrichter am Kantonsgericht Zug gegen die B.________ AG (Beschwerdegegnerin), V.________, Klage betreffend Nichtigkeit, eventualiter Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen, ein. 
Am 10. Mai 2022 stellte die Beschwerdegegnerin u.a. den prozessualen Antrag, es sei die fehlende Postulationsfähigkeit von Rechtsanwalt Patrik Odermatt festzustellen, sämtliche Eingaben desselben aus dem Recht zu weisen und Meldung an die zuständige Aufsichtsbehörde / Strafbehörde zu tätigen. Sie berief sich im Wesentlichen auf einen Interessenkonflikt, in dem der genannte Rechtsanwalt stehe, da dieser bzw. dessen Kanzleikollegen gleichzeitig und in unmittelbarem Sachverhaltszusammenhang ehemalige Anwälte der Beschwerdegegnerin gewesen seien. 
Mit Entscheid vom 21. Juli 2022 wies der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug die Eingaben und Vertretungshandlungen von Rechtsanwalt Patrik Odermatt vom 8. April 2022, 25. April 2022, 23. Mai 2022, 31. Mai 2022 und 22. Juni 2022 als unwirksam zurück. Er setzte der Beschwerdeführerin Frist an, die unveränderten Eingaben des nicht befugten Vertreters selbst oder durch einen neuen von ihr bestellten Rechtsvertreter erneut einzureichen, ansonsten sie als nicht erfolgt gelten würden. 
 
B.  
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Odermatt, Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zug. Sie beantragte, es sei in Aufhebung des angefochtenen Entscheids festzustellen, dass die Eingaben und Vertretungshandlungen von Rechtsanwalt Patrik Odermatt vom 8. April 2022, 25. April 2022, 23. Mai 2022, 31. Mai 2022 und 22. Juni 2022 wirksam und zu berücksichtigen seien. Eventualiter sei die Sache im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen. 
Mit Beschluss vom 22. November 2022 trat das Obergericht nicht auf die Beschwerde ein. Es qualifizierte den angefochtenen Entscheid unter Hinweis auf BGE 147 III 351 als prozessleitende Verfügung, gegen die die Beschwerde nach Art. 319 lit. b ZPO nur offen stehe, wenn ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil drohe. In der Folge verneinte das Obergericht einen solchen. 
 
C.  
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und dieses anzuweisen, auf die Beschwerde vom 25. Juli 2022 vollumfänglich einzutreten. 
Die Vorinstanz beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdegegnerin reichte keine Antwort ein. 
Mit Verfügung vom 7. Februar 2023 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist in der Regel erst gegen Endentscheide zulässig (Art. 90 BGG). Der angefochtene Nichteintretensbeschluss betreffend eine prozessleitende Verfügung, mit der dem Rechtsvertreter einer Partei die Vertretungsbefugnis abgesprochen wurde, schliesst das Verfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Vor- und Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.  
Gegen solche Zwischenentscheide ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss ein Nachteil rechtlicher Natur sein, der auch durch einen späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigt werden kann, wogegen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht ausreichen (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; je mit Hinweisen). 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bewirkt ein Entscheid, mit dem der Rechtsvertretung einer Partei (wegen eines durch das Anwaltsgesetz verpönten Interessenkonflikts) untersagt wird, die Partei zu vertreten, für diese einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Dieser kann auch durch den Endentscheid nicht mehr behoben werden, nachdem der Prozess vollständig mit einem anderen Anwalt durchgeführt wurde (Urteile 4A_20/2021 vom 12. Oktober 2021 E. 1; 4A_313/2020 vom 1. Oktober 2020 E. 3; 4D_58/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 1.3). Die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für die selbstständige Anfechtung ist demnach vorliegend gegeben. 
 
1.2. Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1). Die Parteien sind sich uneinig über den der Hauptsache zugrunde liegenden Streitwert. Die Vorinstanz hat keine Angaben gemacht. Ob der für eine Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert von Fr. 30'000.-- erreicht ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG), kann offen bleiben, da auf die rechtsgenügend begründete Beschwerde auch als subsidiäre Verfassungsbeschwerde einzutreten ist.  
 
2.  
Die Vorinstanz ist nicht auf die Beschwerde eingetreten mit der Begründung, die Verfügung des Einzelrichters bewirke keinen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 319 lit. b ZPO
Damit setzt sie sich in Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Danach bewirkt eine Verfügung, mit der dem Rechtsvertreter einer Prozesspartei untersagt wird, die Partei zu vertreten, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Die Partei ist in ihrem Recht verletzt, sich durch einen Anwalt oder eine Anwältin ihrer Wahl vertreten zu lassen (Urteile 4A_313/2020 vom 1. Oktober 2020 E. 3; 4D_58/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 4.2). Kann der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken, so kann er erst recht einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO nach sich ziehen (BGE 137 III 380 E. 2.2; Urteil 4A_415/2014 vom 12. Januar 2015 E. 2, nicht publ. in: BGE 141 III 80; vgl. auch Urteil 4A_534/2020 vom 25. Januar 2021 E. 2.4). Dies hat die Vorinstanz verkannt. Sie hätte auf die Beschwerde eintreten müssen. 
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich begründet (Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG). Der angefochtene Beschluss des Obergerichts ist aufzuheben und die Sache zur weiteren Behandlung an dieses zurückzuweisen. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin obsiegt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, vom 22. November 2022 (BZ 2022 80) wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. Februar 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle