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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6A.86/2006 /hum 
 
Urteil vom 28. März 2007 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, Rathausplatz 1, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Führerausweisentzug, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde [OG] gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, vom 10. April 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Amtsstatthalteramt Sursee fand X.________ mit Strafverfügung vom 5. April 2005 des ungenügenden Abstandhaltens mit Personenwagen beim Hintereinanderfahren, begangen am 1. Oktober 2004 bei Neuenkirch auf der A2, schuldig. Es stellte fest, er habe glaubhaft dargelegt, dass sein zu nahes Aufschliessen auf momentane mangelnde Aufmerksamkeit zurückzuführen war. Es bestrafte ihn (in Anwendung von Art. 34 Abs. 4, 90 Ziff. 1 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV) mit 700 Franken Busse. Dieser Strafbefehl erwuchs in Rechtskraft. 
B. 
Das Verkehrssicherheitszentrum OW/NW entzog ihm mit (rektifizierter) Verfügung vom 29. Juni 2005 den Führerausweis (in Anwendung von Art. 16 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 1 lit. a aSVG) für die Dauer eines Monats. 
 
Das Verkehrssicherheitszentrum OW/NW wies am 18. August 2005 die Einsprache gegen die Entzugsverfügung ab und bestätigte den Entzug des Führerausweises für die Dauer eines Monats. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden wies am 10. April 2006 die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab. 
C. 
X.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, eventualiter eine Verwarnung auszusprechen bzw. die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, die Kosten der Vorinstanz aufzuerlegen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren. 
 
Das Verwaltungsgericht verzichtete auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das angefochtene Urteil ist am 10. April 2006 und damit vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007 ergangen. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem bisherigen Recht (Art. 97 ff. OG; Art. 132 Abs. 1 BGG, e contrario). 
Am 1. Januar 2005 sind die revidierten Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes über den Führerausweisentzug in Kraft getreten (BGE 131 II 248 E. 3 mit Hinweisen). In der zu beurteilenden Sache ist unbestritten noch das Strassenverkehrsgesetz in seiner früheren und milderen Fassung anwendbar. 
2. 
Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, für die massgebende Distanzschätzung liege kein ausreichender Beweis vor. 
 
Nach der Rechtsprechung muss derjenige, der weiss oder annehmen muss, dass gegen ihn ein Führerausweisentzugsverfahren durchgeführt wird, seine Verteidigungsrechte schon im (summarischen) Strafverfahren geltend machen, und die für den Führerausweisentzug zuständige Behörde darf in der Regel nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen Strafentscheids abweichen. Dies gilt auch bei Entscheiden, die im Strafbefehlsverfahren gefällt wurden (BGE 123 II 97 E. 3c/aa; 121 II 214 E. 3a; 119 Ib 158). 
 
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung angehört. Dabei erklärte der Beschwerdeführer, dass der Abstand zu den vorausfahrenden Fahrzeugen über eine Distanz von ca. 3 km bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von abwechselnd 80 bis 100 km/h 15 bis 20 m betrug. Dass die hinter ihm herfahrende Polizeipatrouille einen ungenügenden Abstand protokolliert hatte, bezeichnete er als Fehleinschätzung der Polizei. Diese Aussagen des Beschwerdeführers widersprechen bezüglich des Abstands den polizeilichen Angaben (Polizeirapport vom 18. Nov. 2004 sowie Aktenvermerk des Amtsschreibers vom 23. Dez. 2004) und entsprechen seinen Aussagen bei der Einvernahme durch das Amtsstatthalteramt Sursee am 11. März 2005. Die Vorinstanz kommt zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe über eine Fahrstrecke von 3 km einen maximalen Abstand von 5 m eingehalten (angefochtenes Urteil S. 15). Dieses Beweisergebnis entspricht offensichtlich jenem des Amtsstatthalteramts, das von einem ungenügenden Abstand im Sinne von Art. 34 Abs. 4 SVG ausgegangen war und somit auf die polizeilichen Angaben abgestellt hatte. Die Vorinstanz war nicht verpflichtet, weitere Beweiserhebungen vorzunehmen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die beiden Polizeibeamten den Abstand nicht richtig hätten einschätzen können. Es wird vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, dass er den Beizug der polizeilichen Videoaufnahmen (vgl. Aktenvermerk vom 23. Dez. 2004) im kantonalen Verfahren beantragt hätte. Diesen Beweisantrag kann er vor Bundesgericht nicht mehr stellen. Soweit seiner Ansicht nach in dubio pro reo angenommen werden müsste, er habe "auf der fraglichen Strecke mehrmals, dafür nur kurz den gesetzlichen Mindestabstand nicht eingehalten" (Beschwerde S. 9), würde das an der Feststellung nichts ändern, dass der Abstand (mehrmals) nicht eingehalten wurde. Das Beweisergebnis ist nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden. Das Bundesgericht ist somit daran gebunden (Art. 104 lit. b i.V.m. Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
Die Tatbestandsumschreibungen für den Führerausweisentzug und die strafrechtliche Sanktion stimmen zwar nicht überein. Es bestehen aber gewisse Parallelen. Die Strafnorm von Art. 90 SVG legt das Schwergewicht auf das Verschulden des Fahrzeuglenkers und verlangt eine Würdigung des Sachverhalts unter einem subjektiven Gesichtspunkt, während die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen von Art. 16 ff. SVG mehr auf die objektive Gefährdung des Verkehrs abstellen (BGE 102 Ib 193 E. 3). Der Entscheid über die Schwere einer Verkehrsgefährdung ist eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts (BGE 6A.64/2006 vom 20. März 2007, E. 2.1). 
 
Die Vorinstanz geht (unter Verweisung auf BGE 6A.56/2004 vom 29. Nov. 2004, E. 3.1) zu Recht davon aus, dass eine einfache Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG sowohl den leichten wie auch den mittelschweren Fall im Sinne von Art. 16 Abs. 2 SVG abdeckt. Dagegen entspricht eine grobe Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Ziff. 2 SVG) einer schweren Widerhandlung gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG bzw. Art. 16c SVG in der revidierten Fassung (BGE 132 II 234 E. 3.1 und 3.2; 126 II 358 E. 1b). Strafrechtliche Verurteilungen gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG können somit zu einem Führerausweisentzug wegen mittelschwerer Widerhandlung führen. Vorausgesetzt ist eine konkrete oder jedenfalls erhöhte abstrakte Gefährdung (BGE 6A.19/2006 vom 16. Mai 2006, E. 2; BGE 105 Ib 255 E. 1b). Bei einem mittelschweren Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG) kommt ein Verzicht auf den Führerausweisentzug nur unter besonderen Umständen in Betracht (BGE 126 II 358 E. 1a mit Hinweis auf BGE 118 Ib 229). 
 
Die Vorinstanz nimmt zutreffend an, dass die vorgeworfene Fahrweise eine erhöhte abstrakte Gefahr begründet und angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer zugegebenermassen unaufmerksam war, auch nicht mehr als leichtes Verschulden im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG eingestuft werden kann. Auf die Rechtsprechung zum Fahren mit ungenügenden Abständen auf Autobahnen kann verwiesen werden (BGE 131 IV 133 und 126 II 358). Die Einstufung des zu beurteilenden Verhaltens als (zumindest) mittelschwer (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG) sowie die unter Berücksichtigung des Verschuldens, des leicht getrübten automobilistischen Leumunds und der beruflichen Angewiesenheit angeordnete gesetzliche Mindestentzugsdauer von einem Monat (Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG) ist bundesrechtlich - auch angesichts des Verschlechterungsverbots - nicht zu beanstanden. Besondere Umstände, die zu einem Verzicht auf den Ausweisentzug führen könnten (BGE 118 Ib 229), sind nicht gegeben. 
4. 
Bei diesem Verfahrensausgang ist auf die Eventualanträge nicht mehr einzutreten. Die Beschwerde ist kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG) abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, sowie dem Verkehrssicherheitszentrum Obwalden/Nidwalden und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 28. März 2007 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: