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«AZA 0» 
4C.283/1999/rnd 
 
 
I. Z I V I L A B T E I L U N G 
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28. Juli 2000 
 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Walter, Präsident, Leu, Nyffeler und Gerichtsschreiberin Zähner. 
 
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In Sachen 
 
 
A.________, Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Epstein, Grütlistrasse 96, Postfach 163, 8027 Zürich, 
 
 
gegen 
 
 
B.________, Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Müller, Uraniastrasse 40, 8001 Zürich, 
 
 
 
betreffend 
Arbeitsvertrag; Überstunden, 
 
 
hat sich ergeben: 
 
 
A.- B.________ (Kläger) war vom 12. November 1986 bis zum 31. Mai 1996 im Gastgewerbebetrieb von A.________ (Beklagter) als Kellner tätig. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte er vom Beklagten die Abgeltung geleisteter Überstunden, was der Beklagte ablehnte. Eine einvernehmliche Lösung konnte von den Parteien nicht erzielt werden. 
 
 
B.- Am 25. Juli 1997 reichte B.________ beim Bezirksgericht Affoltern Klage gegen A.________ ein. Damit verlangte er die Bezahlung von Fr. 18'689.95 nebst Zins zu 5% seit dem 5. Mai 1996. Der Beklagte machte widerklageweise geltend, der Kläger sei zur Zahlung von Fr. 3'204.30 nebst Zins zu verpflichten. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Affoltern wies am 6. April 1999 die Klage ab und schützte die Widerklage. Auf Berufung des Klägers hin verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 15. Juni 1999 den Beklagten zur Bezahlung von Fr. 18'689.95 nebst Zins von 5% ab 1. Juni 1996 und wies die Widerklage ab. Zur Begründung führte es an, der Beklagte habe den Beweis nicht erbracht, dass der Kläger die geltend gemachten Überstunden nicht geleistet habe. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat am 6. März 2000 eine gegen diesen Beschluss eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten abgewiesen. 
 
 
C.- Gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich erhebt der Beklagte eidgenössische Berufung mit den Begehren, der Beschluss sei aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen, eventualiter sei die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung. 
 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
 
1.- Im Berufungsverfahren hat das Bundesgericht seiner Entscheidung die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als wahr und vollständig zugrunde zu legen, es sei denn, sie beruhten auf einem offensichtlichen Versehen, seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen oder bedürften der Ergänzung, weil das Sachgericht in fehlerhafter Rechtsanwendung einen gesetzlichen Tatbestand nicht oder nicht hinreichend klärte, obgleich ihm entscheidwesentliche Behauptungen und Beweisanerbieten dazu prozesskonform unterbreitet worden waren (Art. 63 und 64 OG; BGE 125 III 193 E. 1e S. 205; 123 III 110 E. 2 S. 111; 115 II 484 E. 2a S. 485). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, hat die Partei, die den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. d. OG). Eine Ergänzung setzt zudem voraus, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im kantonalen Verfahren prozesskonform aufgestellt, von der Vorinstanz aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder übersehen worden sind, was wiederum näher anzugeben ist. Ohne diese Angaben gelten Vorbringen, welche über die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil hinausgehen, als neu und damit als unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung des Sachrichters ist, soweit nicht Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, von der Berufung ausgeschlossen (BGE 126 III 10 E. 2b S. 12; 120 II 97 E. 2b S. 99; 119 II 84 E. 3 S. 85; 115 II 484 E. 2a S. 485/6 mit Hinweisen). 
 
 
Der Beklagte, der keine substanziierten Sachverhaltsrügen vorbringt, ist nicht zu hören, soweit er mit der Berufung Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz übt. Das gilt namentlich für die Würdigung der vom Bezirksgericht Affoltern angeordneten Expertise der Kontrollstelle für den Landesgesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes. 
 
 
2.- a) Es ist unbestritten, dass der Landesgesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe vom 25. März 1992 (L-GAV 92) auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Gemäss Art. 62 und Art. 82 L-GAV 92 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit seiner Angestellten zu kontrollieren. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, führt dies zu einer Umkehr der Beweislast im Zusammenhang mit Überstunden, welche der Arbeitnehmer geltend macht. Die Beweislastumkehr hat zur Folge, dass dem Arbeitgeber der Beweis obliegt, dass der Arbeitnehmer die behaupteten Überstunden nicht geleistet hat. 
 
Der Beklagte hat nach Auffassung der Vorinstanz weder mit den von ihm angerufenen Zeugen, noch durch die Parteibefragung, noch mit der Expertise der Kontrollstelle gemäss L-GAV 92 den ihm obliegenden Beweis erbringen können. Die Vorinstanz ist zudem zum Ergebnis gekommen, dass aufgrund der vorhandenen Unterlagen ein Gutachter über die vom Kläger tatsächlich geleistete Arbeitszeit keine überzeugenden Aussagen machen könne. Die Widerklage wird von der Vorinstanz abgewiesen, weil der Kläger den widerklageweise geltend gemachten Betrag bereits vom Klagebetrag in Abzug gebracht habe. 
 
b) Der Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 343 Abs. 4 OR verletzt. Nachdem sie das Gutachten als für die Beweisführung unbehelflich erachtet habe, hätte sie von Amtes wegen Massnahmen treffen oder anordnen sollen, welche das Gutachten für die Beweiswürdigung verwertbar gemacht hätten. 
 
Der Beklagte verkennt die Tragweite von Art. 343 Abs. 4 OR. Der Untersuchungsgrundsatz, wie er in der genannten Bestimmung für arbeitsrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von Fr. 20'000.-- festgelegt ist, bedeutet nicht, dass die Parteien die Hände in den Schoss legen dürfen (Streiff/von Kaenel, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. Auflage, N. 14 zu Art. 343 OR). Die Parteien haben vielmehr aktiv an der Sammlung des Prozessstoffes mitzuwirken. Sie haben dem Gericht möglichst detaillierte Tatsachenbehauptungen zu unterbreiten (Behauptungs- und Substanziierungspflicht) und die Beweismittel zu bezeichnen. Das Gericht hat nachzuprüfen, ob die Vorbringen und Beweisangebote der Parteien vollständig sind, sofern sachliche Gründe bestehen, an deren Vollständigkeit zu zweifeln (BGE 107 II 233 E. 2c S. 236). Der Untersuchungsgrundsatz ändert sodann nichts an der Verteilung der Beweislast (Streiff/von Kaenel, a.a.O., N. 14 in fine zu Art. 343 OR). Ebenfalls bedeutet er nicht, dass die vom kantonalen Recht für das Rechtsmittelverfahren angeordnete Einschränkungen der Kognitionsbefugnis wie namentlich Novenverbote unbeachtlich wären (BGE 107 II 233 E. 3 S. 237; vgl. auch BGE 118 II 50 E. 2a S. 52). Der Grundsatz entbindet schliesslich den Rechtsmittelkläger nicht von seiner prozessualen Verpflichtung, das Rechtsmittel zu begründen, das heisst im Einzelnen darzulegen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er den angefochtenen Entscheid beanstandet (Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 35 zu Art. 343 OR). 
 
Dies gilt auch für das bundesgerichtliche Verfahren, wird aber vom Beklagten übersehen, indem er nicht angibt, welche Massnahmen die Vorinstanz hätte anordnen sollen, um das Gutachten für die Beweiswürdigung verwertbar zu machen. Der Beklagte übersieht auch, dass die Vorinstanz die ins Recht gelegte Expertise deshalb für nicht schlüssig hielt, weil mit den auf den Kassenzetteln registrierten Tippvorgängen Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit sowie die Überzeit nicht zu belegen seien, weshalb auch schwer zu sehen sei, wie aufgrund der vorhandenen Unterlagen ein anderer Gutachter die Überzeit schlüssig feststellen könnte. 
 
Der Untersuchungsgrundsatz wird durch die Vorinstanz nicht verletzt, wenn sie aus den abgenommenen und erhobenen Beweisen andere Schlüsse zieht, als sie nach Auffassung des Beklagten richtig wären. Dies ist eine Frage der Beweiswürdigung, welche nicht berufungsfähig ist. Das Bezirksgericht ist mit der Einvernahme von über zehn Zeugen, der Anordnung einer Expertise und der Parteibefragung den Anforderungen der Untersuchungsmaxime ausreichend nachgekommen. Dass die abgenommenen Beweise nicht die notwendige Beweiskraft aufwiesen, kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden; auch im Anwendungsbereich der Untersuchungsmaxime können Tatsachen unbewiesen bleiben. Die Folgen der Beweislosigkeit treffen denjenigen, der beweisbelastet ist, im vorliegenden Fall somit den Beklagten. 
 
Eine Verletzung des in Art. 343 Abs. 4 OR verankerten Untersuchungsgrundsatzes liegt nicht vor, die Berufung ist daher abzuweisen. 
 
 
3.- In arbeitsrechtlichen Verfahren bis zu einem Streitwert von Fr. 20'000.-- sind gemäss Art. 343 Abs. 2 und 3 OR keine Gerichtskosten zu erheben. Die in der Sache obsiegende Partei hat auch in Verfahren, die gemäss Art. 343 Abs. 3 OR kostenlos sind, Anspruch auf Ersatz der Parteikosten (BGE 115 II 30 E. 5c S. 42). 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und der Beschluss des Obergerichtes (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 15. Juni 1999 wird bestätigt. 
 
2.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.- Der Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 28. Juli 2000 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: