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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_357/2008 
 
Urteil vom 28. November 2008 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle. 
 
Parteien 
S.________, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Helsana Versicherungen AG, 
Versicherungsrecht, Postfach, 8081 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten vom 26. März 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Dr. med. S.________ erwarb im Jahre 1966 das eidgenössische Arztdiplom (Staatsexamen) und ist seit 1975 in eigener Praxis als Radiologin tätig. Im Rahmen einer Tarifstreitigkeit mit den Helsana Versicherungen AG, Zürich, betreffend die Frage, ob sie berechtigt sei, bestimmte Tarifpositionen zu verrechnen, stellte Dr. med. S.________ beim für die Beurteilung der von den Helsana Versicherungen AG angehobenen Klage zuständigen Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern (im Folgenden: Schiedsgericht) ein Ablehungsbegehren gegen die Verwaltungsrichterin T.________ wegen Befangenheit. 
 
B. 
Das Schiedsgericht verfügte am 4. März 2008 die Sistierung des Klageverfahrens, soweit nicht die Behandlung des Ablehnungsbegehrens betreffend, und wies nach durchgeführtem Vernehmlassungsverfahren das Ablehnungsbegehren mit Entscheid vom 26. März 2008 ab. 
 
C. 
Dr. med. S.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt - unter anderem - sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, damit "über die Frage der Neutralität der Richterin eine Expertise" veranlasst werde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der angefochtene Entscheid ist ein selbstständig eröffneter Zwischenentscheid über ein Ablehnungsbegehren, sodass die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 92 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
Streitgegenstand des kantonalen Verfahrens und Anfechtungsgegenstand der Beschwerde an das Bundesgericht bildet einzig das Ablehnungsbegehren gegen die neutrale Vorsitzende des Schiedsgerichts, Verwaltungsrichterin T.________. Soweit die Beschwerdeführerin weitere Rechtsbegehren stellt (insbesondere Anordnung einer gerichtlichen Untersuchung betreffend einer "Mobbingkampagne" verschiedener Krankenkassen bzw. der santésuisse gegen ihre Person; Antrag "auf einen rekursfähigen Vorentscheid über die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung"; Abklärung, ob der vorsitzende Schiedsrichter C.________ identisch oder verwandt sei mit dem Rechtsanwalt C.________), ist darüber, da sie ausserhalb des Anfechtungsgegenstands liegen, nicht zu befinden (vgl. BGE 130 V 501 E. 1.1 S. 502), zumal die Beschwerdeführerin gegen den vorsitzenden Richter C.________ auch vor der kantonalen Instanz nicht rechtzeitig ein Ablehnungsbegehren gestellt hat. 
 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt insbesondere, Verwaltungsrichterin T.________ sei bekannt dafür, sich "seit Jahren dem identisch lautenden Diktat (Statistiken) der Krankenkassen unterzuordnen". Sie habe bei einer Reihe von Entscheiden über Tarifstreitigkeiten mitgewirkt, die zu Ungunsten der jeweiligen Ärztinnen und Ärzte, namentlich auch zum Nachteil ihres Praxispartners (Dr. med. I.________, FMH für Innere Medizin) ausfielen und welche unter anderem das Risiko einer gravierenden Verschlechterung der medizinischen Versorgung insbesondere von chronisch kranken und/oder polymorbiden Patienten beinhalteten. Aus diesem Grund sei sie als Richterin bezüglich der sich im hängigen Klageverfahren stellenden Fragen nicht neutral. 
 
3.2 Nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid hat, gestützt auf Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Dazu gehört auch, dass gegenüber den urteilenden Richtern keine Ausstands- und Ablehnungsgründe bestehen (BGE 129 V 335 E. 1.3.1 S. 338 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 I 128 E. 3c S. 130). Der Ausstand kantonaler Gerichtsmitglieder richtet sich im Rahmen der genannten Mindestgarantien grundsätzlich nach kantonalem Recht (hier: Art. 26 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 [BSG 101.1] sowie Art. 9 Abs. 1 lit. a-e des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG] vom 23. Mai 1989 [BSG 155.21]), dessen Anwendung vom Bundesgericht nur auf Bundesrechtswidrigkeit, namentlich auf Willkür hin, überprüft wird (Art. 95 lit. a BGG; Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar BGG, Bern 2007, N 21 f. zu Art. 95). Dass das kantonale Recht strenger wäre als das Bundesrecht, wird in der Beschwerde nicht geltend gemacht. 
3.3 
3.3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, Verwaltungsrichterin T.________ sei wegen ihrer Beteiligung an ähnlich gelagerten Entscheiden nicht mehr neutral. Richtig ist, dass eine sogenannte Vorbefassung unter Umständen eine Befangenheit begründen kann. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn eine Richterin oder ein Richter sich durch ihre oder seine Mitwirkung an früheren Entscheiden zur gleichen Streitsache in einzelnen Punkten bereits in einer Art festgelegt hat, die sie oder ihn nicht mehr als unvoreingenommen und das Verfahren dementsprechend als nicht mehr offen erscheinen lässt, was anhand der konkreten Gegebenheiten beurteilt werden muss. Von Bedeutung ist etwa, unter welchen tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umständen die richtende Person sich im früheren Zeitpunkt mit der Sache befasste bzw. später zu befassen hat oder welche Fragen jeweils zu entscheiden und inwiefern sie sich ähnlich sind oder miteinander zusammenhängen. In Betracht zu ziehen sind ferner der Umfang des Entscheidungsspielraums bei der Beurteilung der sich stellenden Rechtsfragen und die Bedeutung der Entscheidungen auf den Fortgang des Verfahrens (Urteil 8C_555/2007 vom 31. Juli 2008, E. 6.1.2). 
3.3.2 Eine Vorbefassung setzt voraus, dass sich die Gerichtsperson zur gleichen Streitsache, und nicht zur gleichen Streitfrage, im soeben erwähnten Sinn geäussert hat. Dass die Beteiligung einer Richterin oder eines Richters an einem Entscheid über eine gleiche oder ähnliche Streitfrage wie die sich konkret stellende zum Vornherein nicht geeignet ist, deren oder dessen Neutralität in Frage zu stellen, bedarf keiner Weiterungen, würde die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht doch über kurz oder lang einen Grossteil der Gerichtspersonen in den Ausstand zwingen. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Richterin habe in diversen, nicht sie selbst betreffenden Verfahren zu Ungunsten anderer Ärztinnen und Ärzte entschieden, reicht dies somit auch unter Berücksichtigung des Umstandes nicht aus, den Anschein der Befangenheit zu begründen, dass die angeführten Entscheide den Praxispartner der Beschwerdeführerin betroffen haben. Im Übrigen legt das Schiedsgericht im angefochtenen Entscheid eingehend und überzeugend dar, dass und weshalb das Ablehnungsbegehren vom 16. Oktober 2007 in allen Punkten unbegründet ist und auch die weiteren in diesem Gesuch angeführten Umstände (namentlich verfahrensrechtlicher Natur: telefonische Anfrage der Verwaltungsrichterin T.________ an den damaligen Rechtsvertreter der Versicherten, ob er eine weitere Eingabe einreichen wolle) keine Befangenheit der abgelehnten Gerichtsperson zu begründen vermögen. Der vorinstanzliche Entscheid, auf dessen in allen Teilen überzeugende Begründung (ergänzend) verwiesen werden kann (Art. 109 Abs. 3 BGG), ist mit Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ohne weiteres vereinbar und damit bundesrechtskonform. 
 
4. 
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Da keine Vernehmlassung eingeholt wurde, erübrigt sich der sinngemäss beantragte zweite Schriftenwechsel. 
 
5. 
Als unterliegende Partei hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 28. November 2008 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Borella Bollinger Hammerle