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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
8C_802/2012 {T 0/2} 
 
Urteil vom 29. April 2013 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Ursprung, Maillard, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, vertreten durch 
Rechtsanwalt Christos Antoniadis, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Basler Versicherung AG, 
vertreten durch Advokat Andrea Tarnutzer-Münch, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Unfallbegriff), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 29. August 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
B.________, geboren 1981, arbeitete als Physiotherapeutin bei der Physiotherapie H.________ und war bei der Basler Versicherung AG (nachfolgend: Basler) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 11. Mai 2009 meldete sie der Basler, dass sie am 4. Mai 2009 einem Patienten Sprünge vorgezeigt und sich bei der Landung auf dem linken Bein das Knie nach innen verdreht habe. Die Basler kam zunächst für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder aus, lehnte ihre (weitere) Leistungspflicht jedoch mit Verfügung vom 28. Juli 2011 und Einspracheentscheid vom 30. September 2011 ab mit der Begründung, dass das Geschehen weder als Unfall im Rechtssinne noch als unfallähnliche Körperschädigung zu qualifizieren sei. 
 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 29. August 2012 ab. 
 
C. 
B.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihr die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen. Es sei festzustellen, dass das Gutachten des PD Dr. med. S.________ aussagekräftig sei, und es sei die Beschwerdegegnerin anzuweisen, bei der weiteren Fallbearbeitung auf die gutachtlichen Schlussfolgerungen abzustellen. 
 
Während die Basler auf Abweisung der Beschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Unfallbegriff (Art. 4 ATSG) und zur unfallähnlichen Körperschädigung (Art. 9 Abs. 2 UVV) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Streitig ist die Leistungspflicht des Unfallversicherers aus dem Ereignis vom 4. Mai 2009 über den 28. Juli 2011 hinaus. Dazu gehört auch die Frage, ob überhaupt ein Unfall (oder eine unfallähnliche Körperschädigung) vorliegt. Da vorliegend die Leistungseinstellung ex nunc et pro futuro verfügt worden ist, keine Rückforderung bereits ausgerichteter Leistungen zur Diskussion steht und es nicht um Dauerleistungen geht, ist die Leistungseinstellung ohne Berufung auf einen Wiedererwägungs- oder Revisionsgrund möglich (BGE 130 V 380 E. 2.3 S. 384; vgl. auch in BGE 136 V 2 nicht publ. E. 5.1 des Urteils 8C_444/2009 vom 11. Januar 2010; Urteil 8C_1019/2009 vom 26. Mai 2010 E. 4.2). 
 
4. 
Letztinstanzlich zu Recht unbestritten geblieben ist, dass der Unfallversicherer für das Ereignis vom 4. Mai 2009 nicht gestützt auf Art. 9 Abs. 2 UVV (unfallähnliche Körperschädigung) einzustehen hat. Eine Haftung fällt schon deshalb ausser Betracht, weil nach Lage der medizinischen Akten keine Hinweise dafür bestehen, dass sich die Beschwerdeführerin eine der in Art. 9 Abs. 2 lit. a bis h UVV abschliessend aufgezählten Körperschädigungen zugezogen hätte (BGE 134 V 72 E. 4.3.2.2 S. 81; 123 V 43 E. 2b S. 45). 
 
5. 
Zu prüfen bleibt, ob sich am 4. Mai 2009 ein Unfall ereignet hat. Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat (Art. 4 ATSG). 
 
Nach Lehre und Rechtsprechung kann das Merkmal des ungewöhnlichen äusseren Faktors in einer unkoordinierten Bewegung bestehen. Bei Körperbewegungen gilt dabei der Grundsatz, dass das Erfordernis der äusseren Einwirkung lediglich dann erfüllt ist, wenn ein in der Aussenwelt begründeter Umstand den natürlichen Ablauf der Bewegung gleichsam "programmwidrig" beeinflusst hat (BGE 130 V 117 E. 2.1 S. 118). Bei Schädigungen, die sich auf das Körperinnere beschränken, unterliegt der Nachweis eines Unfalls strengen Anforderungen. Die unmittelbare Ursache der Schädigung muss unter besonders sinnfälligen Umständen gesetzt worden sein; denn ein Unfallereignis manifestiert sich in der Regel in einer äusserlich wahrnehmbaren Schädigung, während bei deren Fehlen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit rein krankheitsbedingter Ursachen besteht (BGE 99 V 136 E. 1 S. 138). 
 
6. 
Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss im Wesentlichen geltend, dass mit der Verdrehung des Knies die Programmwidrigkeit des Geschehens und damit das Erfordernis der Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors erstellt sei. Dem kann mit Blick auf vergleichbare Fälle nicht gefolgt werden. 
 
Eine Qualifikation als Unfall erfolgte beim Fussballer, dem ein gegnerischer Spieler in die Beine grätschte (RKUV 1993 Nr. U 165 S. 58). Das Eidgnössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) hat erwogen, dass der Bewegungsablauf durch den Angriff des Gegenspielers - einen in der Aussenwelt begründeten Umstand - und die damit einhergehende schmerzhafte Verdrehung des Knies "programmwidrig" gestört worden sei (E. 3b). Anders verhielt es sich jedoch beim Gleitschirmflieger, der sich das Knie bei einer "normalen" Landung verdreht hatte (Urteil U 137/06 vom 17. Oktober 2006 E. 3), oder bei der Volleyballspielerin, die nach einem Sprung ebenfalls normal gelandet war, dann jedoch unvermittelt zusammensackte und sich nach ärztlicher Einschätzung durch eine Kniedistorsion eine Knorpelfraktur zugezogen hatte (Urteil 8C_909/2012 vom 4. Februar 2013 E. 4). 
 
Entscheidwesentlich ist auch hier, dass die Beschwerdeführerin nie einen in der Aussenwelt begründeten Umstand benannt hat, der den natürlichen Ablauf ihrer Körperbewegung bei dem einem Patienten gezeigten Sprung beziehungsweise bei der Landung gestört hätte, sodass es bedingt dadurch zu einer Programmwidrigkeit im Bewegungsablauf gekommen wäre (vgl. zu dem auch bei unfallähnlichen Körperschädigungen erforderlichen äusseren Moment Urteil 8C_118/2008 vom 23. Oktober 2008 E. 3.4 [Knie verdreht beim Joggen]). Ihrer Auffassung, dass aufgrund ihrer Übung als Physiotherapeutin aus der Verletzung selber auf eine Programmwidrigkeit zu schliessen sei, kann nicht beigepflichtet werden, zumal sich der Hechtsprung der geübten Turnerin (RKUV 1992 Nr. U 156 S. 258) mit dem einem Patienten gezeigten Sprung in der Physiotherapie nicht vergleichen lässt (vgl. auch BGE 134 V 72 E. 4.2.3 S. 79). 
 
7. 
Nicht von Belang ist bei diesem Ergebnis, dass gemäss den ärztlichen Stellungnahmen die festgestellte Knorpelfraktur (am medialen Condylus) bei zwar vorgeschädigtem Knie auf den "Unfall" vom 4. Mai 2009 zurückzuführen sei (Berichte des behandelnden Arztes Dr. med. W.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 7. Januar 2010 und vom 24. Juni 2010), dass der mediale Knorpeldefekt von der Beschreibung her durch das Distorsionstrauma vom 4. Mai 2009 entstanden sein müsse (Aktengutachten des Dr. med. H.________, Leitender Arzt Allgemein- und Unfallchirurgie am Spital X.________ vom 6. Juli 2010) beziehungsweise dass die mediale Degeneration im Kniegelenk traumatisch bedingt sei (frühzeitige Gonarthrose bei Zustand nach diversen prätraumatischen Voroperationen; Gutachten des PD Dr. med. S.________, FMH Orthopädische Chirurgie, Institut Y.________, vom 30. Juni 2011). Der mangelhafte Nachweis eines die Merkmale des Unfalles erfüllenden Ereignisses lässt sich nur selten durch medizinische Feststellungen ersetzen. Diesen kommt im Rahmen der Beweiswürdigung für oder gegen das Vorliegen eines unfallmässigen Geschehens in der Regel nur die Bedeutung von Indizien zu. Auch deckt sich der Begriff des Traumas nicht mit dem Unfallbegriff im Sinne von Art. 4 ATSG (in BGE 130 V 380 nicht publ. E. 1 des Urteils U 199/03 vom 10. Mai 2004; RKUV 2003 Nr. U 485 S. 253, U 307/01 E. 5; RKUV 1996 Nr. U 253 S. 199 E. 4b). Die erwähnten ärztlichen Berichte vermögen die hier gestützt auf die Angaben der Beschwerdeführerin gegebenen Umstände in keinem anderen Licht erscheinen zu lassen und zu keiner anderen Beurteilung zu führen. 
 
8. 
Zusammengefasst ist ein Unfallgeschehen (ebenso wie eine unfallähnliche Körperschädigung) anlässlich des am 4. Mai 2009 ausgeführten Sprungs nicht erstellt und entfällt eine Haftung des Unfallversicherers. 
 
9. 
Nicht weiter einzugehen ist bei diesem Ausgang auf das letztinstanzlich erneuerte Begehren um Feststellung, dass das Gutachten des PD Dr. med. S.________ aussagekräftig sei. 
 
10. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 29. April 2013 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo