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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_922/2011 
 
Urteil vom 29. Mai 2012 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichterin Glanzmann, 
nebenamtlicher Bundesrichter Weber, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Basel-Landschaft, 
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
P.________, 
vertreten durch Advokat Nikolaus Tamm, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 
vom 1. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1954 geborene P.________ war seit ... als diplomierte Sozialpädagogin im Schichtdienst tätig. Vom ... bis ... 2009 war sie zu 100 %, danach teilweise arbeitsunfähig. Im Mai 2009 meldete sich P.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Landschaft klärte die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse ab. U.a. liess sie die Versicherte durch Dr. med. Z.________, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, untersuchen und begutachten (Expertise vom 27. Mai 2010). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach ihr die IV-Stelle eine Viertelsrente ab 1. November 2009 zu (Verfügung vom 7. März 2011). 
 
B. 
In Gutheissung der Beschwerde der P.________ hob das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, die Verfügung vom 7. März 2011 auf und stellte fest, sie habe mit Wirkung ab 1. November 2009 Anspruch auf eine halbe Rente (Entscheid vom 1. September 2011). 
 
C. 
Die IV-Stelle Basel-Landschaft führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 1. September 2011 sei aufzuheben. 
P.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
D. 
Mit Verfügung vom 1. März 2012 ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Die unvollständige Sachverhaltsfeststellung entspricht einer Bundesrechtsverletzung (Ulrich Meyer/ Johanna Dormann, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 59 zu Art. 105 BGG). Keine Frage der Vollständigkeit der Sachverhaltsfeststellung ist, ob im Rahmen einer vorinstanzlich beantworteten Tatfrage erhebliche aktenkundige Tatsachenelemente auch vollständig erfasst worden sind. Eine unvollständige Auswertung der Beweise mit der Folge, dass wesentliche Aussagegehalte nicht in die Beweiswürdigung einfliessen, kann hingegen eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG begründen (Urteil 9C_29/2011 vom 8. Juli 2011 E. 1.2). 
 
2. 
In der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung wurde der Invaliditätsgrad nach der gemischten Methode mit einem Anteil der Erwerbstätigkeit von 0,8 (= 80 % des ohne gesundheitliche Beeinträchtigung geleisteten Arbeitspensums als Sozialpädagogin; Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 125 V 146 E. 2a-c S. 148 ff. in Verbindung mit BGE 130 V 343) ermittelt. Demgegenüber ist nach Auffassung der Vorinstanz überwiegend wahrscheinlich davon auszugehen, dass die Versicherte heute bei voller Gesundheit einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit nachgehen würde. Sie hat daher den Invaliditätsgrad nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) bestimmt, was die Beschwerde führende IV-Stelle als bundesrechtswidrig rügt. 
Je nach anwendbarer Invaliditätsbemessungsmethode bzw. Beantwortung der Statusfrage besteht, insoweit unbestritten, Anspruch auf eine Viertelsrente oder eine halbe Rente. 
 
3. 
3.1 
3.1.1 Ob eine versicherte Person als ganztägig oder teilzeitlich erwerbstätig oder als nichterwerbstätig einzustufen ist, ergibt sich aus der Prüfung, was sie bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Entscheidend ist somit nicht, welches Ausmass der Erwerbstätigkeit der versicherten Person im Gesundheitsfall zugemutet werden könnte, sondern in welchem Pensum sie hypothetisch erwerbstätig wäre (BGE 133 V 504 E. 3.3 S. 507; Urteil 9C_49/2008 vom 28. Juli 2008 E. 3.3; je mit Hinweisen). Bei im Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen sind die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse ebenso wie allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen zu berücksichtigen. Die Statusfrage beurteilt sich praxisgemäss nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Erlass der Verwaltungsverfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-)Erwerbstätigkeit der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 396; 125 V 146 E. 2c S. 150 mit Hinweisen). 
3.1.2 Die auf eine Würdigung konkreter Umstände, nicht ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützte Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ist eine Tatfrage, welche das Bundesgericht nur eingeschränkt überprüft (E. 1; Urteil 9C_709/2009 vom 14. Dezember 2009 E. 3.2 mit Hinweisen). 
 
3.2 Die IV-Stelle weist richtig darauf hin, dass die (anwaltlich vertretene) Beschwerdegegnerin weder im Vorbescheidverfahren noch in der vorinstanzlichen Beschwerde den Status als Teilerwerbstätige mit einem hypothetischen erwerblichen Arbeitspensum von 80 % bestritten hatte. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob ihr das kantonale Gericht nicht das rechtliche Gehör hätte gewähren müssen, wenn sie beabsichtigte, von Vollerwerbstätigkeit im Gesundheitsfall auszugehen und damit von der Anwendbarkeit der allgemeinen Einkommensvergleichsmethode (in diesem Sinne Urteil 8C_934/2011 vom 15. März 2011 E. 3 und 4). Dieser Punkt kann indessen offenbleiben. 
3.3 
3.3.1 Die vorinstanzliche Feststellung, es sei überwiegend wahrscheinlich davon auszugehen, dass die Versicherte heute einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit nachgehen würde (vorne E. 2), stützt sich auf die Angaben der Beschwerdegegnerin. Im Rahmen der Abklärung der erwerblichen Verhältnisse hatte sie sich dahingehend geäussert, aufgrund des Angebots durch den Arbeitgeber zur Veränderung der Stellenprozente innerhalb des Betriebes habe sie im Mai 2003 das Arbeitspensum von 80 % auf 70 % reduziert, da sie bereits aus gesundheitlichen Gründen mit 80 % an die Belastbarkeitsgrenze gelangt sei. Sie würde heute bei guter Gesundheit, wie bisher, zu 80 % resp. 33,6 Stunden in der Woche als Sozialpädagogin, einschliesslich Nacht- und Wochenenddienst, arbeiten. Sie würde nicht mehr arbeiten, weil diese Arbeit anspruchsvoll sei und sie deshalb auch längere Regenerationszeiten brauche (Fragebogen zur Ermittlung der Erwerbstätigkeit vom 5./12. Juli 2010). Die IV-Stelle war in der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung aufgrund derselben Angaben der Versicherten gegenüber dem Abklärungsdienst von einem hypothetischen erwerblichen Arbeitspensum von 80 % ausgegangen. 
3.3.2 Die Feststellung einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall beruht einzig auf den subjektiven Angaben der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Abklärungsdienst. Ob die übrigen, namentlich auch die medizinischen Akten diese Annahme stützen, hat die Vorinstanz nicht geprüft und insoweit den rechtserheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig, für das Bundesgericht somit nicht verbindlich festgestellt (vorne E. 1). 
3.3.2.1 Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich nichts, was den Schluss erlaubte, die Beschwerdegegnerin habe aus gesundheitlichen Gründen bis April 2003 nicht mehr als 80 % gearbeitet. Dr. med. Z.________ erwähnte in seinem Gutachten vom 27. Mai 2010 lediglich, die Explorandin habe ihre ursprünglich 85%ige Anstellung später auf 70 % reduziert. Der behandelnde Psychiater und Psychotherapeut Dr. med. S.________ hielt in seinem Bericht vom 14. September 2010 fest, dass es der Patientin trotz der mehrjährigen sehr schwierigen Phase in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter gelungen sei, Boden zu finden, die Ausbildung zur Sozialpädagogin zu bewältigen und fast 20 Jahre erfolgreich in ihrem Beruf zu arbeiten. Dabei sei sie aber nie frei von ihren Beschwerden gewesen. Auf diese Aussage kann indessen nicht ohne weiteres abgestellt werden, da Dr. med. S.________ die Beschwerdegegnerin erst seit November 2008 behandelte. 
3.3.2.2 Es kommt dazu, dass die (anwaltlich vertretene) Beschwerdegegnerin weder die Feststellung im Vorbescheid und in der Verfügung, sie würde bei vollständiger Gesundheit ihre bisherige Tätigkeit als Sozialpädagogin im Pensum von 80 % ausüben, noch die Anwendung der gemischten Methode bei einem Anteil der Erwerbstätigkeit von 0,8 in Frage stellte. Ihre Einwendungen gegen den Vorbescheid und ihre Vorbringen in der Beschwerde an die Vorinstanz betrafen ausschliesslich den medizinischen Sachverhalt. 
3.3.3 Unter diesen Umständen ist die Statusfrage in dem Sinne zu beantworten, dass überwiegend wahrscheinlich die Beschwerdegegnerin ohne gesundheitliche Beeinträchtigung als Sozialpädagogin mit einem Arbeitspensum von 80 % tätig wäre. Die Invalidität ist demzufolge in Anwendung der gemischten Methode zu bemessen, was unbestritten ist, ebenso wie die weiteren Bemessungsfaktoren, insbesondere die Arbeitsfähigkeit sowie die Einschränkung im Haushalt gemäss der vorinstanzlich angefochtenen Verfügung vom 7. März 2011. Daraus resultiert ein Invaliditätsgrad von 41 %, was Anspruch auf eine Viertelsrente gibt (Art. 28 Abs. 2 IVG). 
Die Beschwerde ist begründet. 
 
4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 1. September 2011 aufgehoben. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Verfahrenskosten des vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Basel-Landschaft zurückgewiesen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 29. Mai 2012 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler