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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_1056/2010 
 
Urteil vom 29. Juni 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Zug, 
Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug 
vom 11. November 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
S.________, geboren 1958, bezog wegen Rücken- und psychischen Beschwerden seit dem 1. März 2003 eine halbe, ab dem 1. Mai 2004 eine ganze Invalidenrente (Verfügungen vom 17. Januar 2005). Im Rahmen eines von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die IV-Stelle Zug ein Gutachten des medizinischen Begutachtungsinstituts X.________ vom 22. September 2008 ein. Gestützt darauf ging sie von einer Verbesserung des Gesundheitszustandes und einer Arbeitsfähigkeit von 60 % aus und ermittelte einen Invaliditätsgrad von 47 %. Mit Verfügung vom 18. Mai 2009 teilte sie der Versicherten mit, dass mit Wirkung ab dem 1. Juli 2009 nur noch Anspruch auf eine Viertelsrente bestehe. 
 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 11. November 2010 ab. 
 
C. 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und erneuert ihren Antrag, es sei unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Rentenrevision nicht gegeben seien, eventualiter sei ihr eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f., 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f., je mit Hinweisen). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194 E. 3 S. 196 ff.). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG). 
 
1.2 Die Feststellung des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung, die gestützt darauf gestellte Diagnose, die ärztliche Stellungnahme zu dem noch vorhandenen Leistungsvermögen oder (bei psychischen Gesundheitsschäden) zur Verfügbarkeit von Ressourcen der versicherten Person sowie die aufgrund der medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeits(un)fähigkeit betreffen Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398), welche sich nach der dargelegten Regelung der Kognition einer Überprüfung durch das Bundesgericht weitgehend entziehen. 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG), zur Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 133 V 108; 130 V 343; 130 V 71 E. 3.2.3 S. 75 f.) sowie zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 132 V 93 E. 4 S. 99; 125 V 256 E. 4 S. 261 f.; vgl. auch AHI 2002 S. 62, I 82/01 E. 4b/cc) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Nach einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Berichte hat das kantonale Gericht festgestellt, dass das Gutachten des medizinischen Begutachtungsinstituts X.________ die für den Beweiswert von Arztberichten massgebenden Anforderungen in jeder Hinsicht erfülle (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.; 135 V 465, insb. E. 4.3 und 4.4 S. 468 ff.) und daher darauf abzustellen sei. Gestützt darauf sei eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes, namentlich in psychiatrischer Hinsicht, ausgewiesen und die Voraussetzungen für eine Rentenrevision seien daher erfüllt gewesen. 
Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, dass sich seit der ursprünglichen Rentenzusprechung weder in somatischer noch in psychischer Hinsicht eine Verbesserung eingestellt habe. Vielmehr hätten die Gutachter des medizinischen Begutachtungsinstituts X.________ einen gleich gebliebenen oder sogar verschlechterten medizinischen Sachverhalt anders beurteilt, was für eine Rentenrevision nicht genüge. 
 
4. 
4.1 Die IV-Stelle ging bei der ursprünglichen Rentenzusprechung am 17. Januar 2005 davon aus, dass die Beschwerdeführerin seit März 2002 in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei. Unter Berücksichtigung der einjährigen Wartefrist gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in der bis am 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung) setzte sie den Rentenbeginn auf den 1. März 2003 fest. Sie stützte sich auf eine medizinisch attestierte Arbeitsunfähigkeit von 50 % und ermittelte anhand des vormals erzielten Valideneinkommens als Montageangestellte im Vergleich zum statistischen Invalideneinkommen (Tabellenlohn gemäss Schweizerischer Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik, LSE) einen Invaliditätsgrad von 52 %, sodass der Versicherten zunächst eine halbe Invalidenrente zustand. Zufolge einer medizinisch attestierten 100%igen Arbeitsunfähigkeit und eines entsprechenden Invaliditätsgrades von 100 % bestand mit Wirkung ab Mai 2004 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. 
Den medizinischen Akten ist zu entnehmen, dass die Versicherte vom 4. bis zum 22. November 2002 wegen lumbalen Beschwerden in der Klinik Y.________, Zentrum für Rehabilitation und Nachbehandlung, hospitalisiert worden war. Im Austrittsbericht vom 27. November 2002 attestierten die Ärzte noch eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit; am 5. Januar 2003 könne die Versicherte ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen, wobei vorerst ein 50 %-Pensum empfohlen wurde. Dr. med. D.________, Facharzt FMH für physikalische Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumaerkrankungen, nahm anlässlich seiner Begutachtung vom 6. Dezember 2002 zuhanden des Krankenversicherers eine 50%ige Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Montageangestellte an, erachtete indessen eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit auf 100 % innert eines Monats als realistisch. Die Stelle war jedoch von der Arbeitgeberin per 31. März 2003 gekündigt worden. Gemäss Einschätzung des Hausarztes Dr. med. M.________, Chirurgie FMH, vom 1. Mai 2003 bestand auch weiterhin eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit. Im Februar 2004 begab sich die Versicherte in die psychiatrische Behandlung des Dr. med. H.________, welcher ihr eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestierte. 
Den ursprünglichen Rentenverfügungen vom 17. Januar 2005 mit Zusprechung einer halben Invalidenrente ab dem 1. März 2003 und einer ganzen Invalidenrente ab dem 1. Mai 2004 lag somit die Annahme zugrunde, dass wegen Rückenbeschwerden eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit bestehe und im Februar 2004 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus psychischen Gründen eingetreten sei. 
 
4.2 Nach Einschätzung der Gutachter des medizinischen Begutachtungsinstituts X.________ besteht hinsichtlich der Rückenbeschwerden nunmehr eine 60%ige Arbeitsfähigkeit für eine körperlich leichte Tätigkeit. Aus psychiatrischer Sicht wurde - wie schon durch Dr. med. H.________ - eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Während damals im Weiteren eine mittelschwere depressive Störung vorlag, leidet die Versicherte nach Einschätzung der Gutachter nunmehr an einer gemischten ängstlich-depressiven Störung. Das psychische Rendement sei eingeschränkt, wesentliche Teile der psychischen Funktionen wie Urteilsbildung, Entscheidungsfähigkeit oder Willensbildung seien jedoch kaum oder nur gering betroffen, eine schwere Hemmung oder Blockierung der psychischen Aktivität habe nicht beobachtet werden können. Eine Willensanstrengung zur Überwindung der Beschwerden sei daher zumutbar, wobei der Versicherten diesbezüglich eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit um 30 % zu attestieren sei. 
 
4.3 Der psychiatrische Gutachter hat damit eine erhebliche gesundheitliche Verbesserung festgestellt, ergab die Untersuchung im medizinischen Begutachtungsinstitut X.________ doch, dass insgesamt nur noch eine leichte psychische Störung und dementsprechend eine deutlich geringere Einbusse der Leistungsfähigkeit vorliegt als im Verfahren der ursprünglichen Rentenzusprechung. Darauf ist abzustellen. 
Anzufügen bleibt, dass es der Einschätzung der Gutachter zu überlassen ist, ob weitere Abklärungen angezeigt sind, und es lässt sich kein genereller Zeitrahmen für eine Untersuchung definieren (Urteile I 58/06 vom 13. Juni 2006 E. 2.2; I 1094/06 vom 14. November 2007 E. 3.1.1; vgl. auch Andreas Traub, Neues aus den sozialrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts: Zum Beweiswert psychiatrischer Gutachten unter dem Aspekt der Untersuchungsdauer, SZS 2008 S. 393 f.). 
 
4.4 Wie die Beschwerdeführerin hingegen zu Recht einwendet, ist anhand des medizinischen Gutachtens des Begutachtungsinstituts X.________ eine Verbesserung des somatischen Gesundheitszustandes nicht ausgewiesen, auch wenn damit eine geringfügig höhere 60%ige Arbeitsfähigkeit attestiert wird. 
Anlass für die ursprüngliche Rentenzusprechung war eine akute radikuläre Symptomatik mit weitgehend aufgehobener Wirbelsäulenbelastbarkeit, die einen Rehabilitationsaufenthalt in der Klinik Y.________ im November 2002 erforderlich machte. Eine solche lag nach Einschätzung der Gutachter des medizinischen Begutachtungsinstituts X.________ nicht mehr vor. Sie stellten ein residuelles radikuläres Syndrom fest (nach akutem radikulärem Syndrom L5 rechts bei grosser Diskushernie L4/5 paramedian rechts 2001 bis 2002 gemäss Akten; degenerative Diskopathie L4/5 und L5/S1 mit jeweils kleiner Diskushernie paramedian rechts gemäss MRI vom Februar 2007; Schmerzchronifizierung) und führten dazu aus, dass die sensorische Ausfallssymptomatik im Verlauf der genannten stationären Behandlung rückläufig gewesen sei. Eine Schmerzlinderung habe jedoch schon damals nicht erreicht werden können und die Schmerzsymptomatik habe seither in weitgehend unverändertem Ausmass persistiert. Der begutachtende Rheumatologe äussert sich eingehend zu den geklagten Beschwerden und den von ihm durchgeführten Untersuchungen. Es liege zweifellos eine erhebliche Pathologie im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule vor, wobei die klinischen Befunde für eine residuelle radikuläre Symptomatik sprechen würden, aktuell indessen eher mit einem chronischen myofaszialen Schmerzsyndrom im Lenden-Becken-Hüftbereich rechts vereinbar seien. Die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei dadurch funktionell mässiggradig bis deutlich vermindert. 
Damit fehlt es an einer rentenerheblichen Veränderung des Rückenleidens. 
 
4.5 Zusammengefasst sind die Revisionsvoraussetzungen hinsichtlich der aus psychischen Gründen erfolgten Rentenerhöhung per 1. Mai 2004 zufolge erheblicher Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes erfüllt. Davon geht auch die Vorinstanz zutreffend aus. 
Was die Rückenbeschwerden betrifft, die zur Zusprechung einer halben Rente ab 1. März 2003 geführt haben, sind die Revisionsvoraussetzungen hingegen nicht gegeben, denn eine revisionsweise Anpassung setzt Tatsachenänderungen im massgeblichen Vergleichszeitraum voraus, während eine einfache Neubeurteilung nach besserem Wissen nicht zulässig ist (Urteil 9C_114/2008 vom 30. April 2008 E. 2.1). Daran mangelt es vorliegend. 
Es ist somit zwar auf die - aus psychischen Gründen erfolgte - Rentenerhöhung per 1. Mai 2004 zurückzukommen, nicht aber auf die Zusprechung einer (halben) Invalidenrente zufolge der Rückenbeschwerden. Eine neue Invaliditätsbemessung ist bei dieser speziellen Konstellation nicht durchzuführen, sondern es ist vielmehr auf den der ursprünglichen Rentenverfügung zugrunde liegenden Einkommensvergleich abzustellen, welcher einen Invaliditätsgrad von 52 % ergab. 
Damit besteht ab 1. Juli 2009 wiederum Anspruch auf eine halbe Invalidenrente. 
 
5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem Prozessausgang entsprechend der Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG); des Weiteren hat sie der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 11. November 2010 und die Verfügung der IV-Stelle Zug vom 18. Mai 2009 werden insoweit abgeändert, als festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin mit Wirkung ab dem 1. Juli 2009 Anspruch auf eine halbe Invalidenrente hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug zurückgewiesen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 29. Juni 2011 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Durizzo