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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 109/06 
 
Urteil vom 30. Januar 2007 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön, 
Gerichtsschreiber Lanz. 
 
Parteien 
F.________, 1947, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi, Aeschenvorstadt 71, 4051 Basel, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 14. Dezember 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1947 geborene italienische Staatsangehörige F.________ war ab 1969 als Gipser in der Firma M.________ AG tätig. Ab Oktober 2001 bestand eine Arbeitsunfähigkeit wegen eines rechtsseitigen Schulterleidens, welches im März 2002 operativ behandelt wurde. Im Februar 2003 meldete sich F.________ bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle Basel-Stadt holte Berichte der behandelnden Ärzte sowie ein Gutachten des Dr. med. R.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 27. Februar 2004 ein und traf erwerbliche Abklärungen. Mit Verfügung vom 25. Mai 2004 lehnte sie das Rentenbegehren mangels eines anspruchsbegründenden Invaliditätsgrades ab. Daran hielt die Verwaltung mit Einspracheentscheid vom 28. Februar 2005 fest, wobei sie auch den einspracheweise geltend gemachten Anspruch auf berufliche Massnahmen verneinte. 
B. 
Die von F.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt nach Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ab (Entscheid vom 14. Dezember 2005). 
C. 
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das letztinstanzliche Verfahren ersucht. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2). 
1.2 Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 1. Juli 2006 bereits hängig war, sind auch die auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen, für Streitigkeiten um Leistungen der Invalidenversicherung geltenden Anpassungen von Art. 132 und Art. 134 OG gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG nicht anwendbar. Die Beurteilung hat daher mit voller Kognition zu erfolgen und das Verfahren ist kostenfrei (Art. 132 und Art. 134 OG je in der massgebenden, bis 30. Juni 2006 in Kraft gestandenen Fassung). 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der streitigen Ansprüche auf Leistungen der Invalidenversicherung einschliesslich der zu beachtenden Beweisgrundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
3.1 Gemäss dem orthopädischen Gutachten des Dr. med. R.________ vom 27. Februar 2004 kann der Versicherte aufgrund des Schulterleidens die angestammte Tätigkeit eines Gipsers mit vielen Arbeiten über Kopf und regelmässigem Gebrauch der oberen Extremität trotz gutem OP-Resultat nicht mehr ausüben. Hingegen sind ihm sämtliche alternativen, adaptierten Arbeiten mit Gebrauch der Arme am kurzen Hebel (z.B. Überwachungsaufgaben mit Bedienung einfacher Schaltelemente und Geräte ohne körperliche Beanspruchung der oberen Extremität, einfache handwerkliche Produktionsprozesse ohne schwere Lasten und im engeren Radius um den Rumpf, Botengänge ohne Heben und Tragen von Lasten etc.) mit ganztägigem Pensum zu 100 % zumutbar. Eine Reduktion auf ein zumutbares Pensum von 50 %, d.h. 4 Stunden täglich, ergibt sich, sobald die Arbeiten mit dem regelmässigen Gebrauch des rechten Armes, vor allem am längeren Hebel (Arbeiten in einem weiteren Radius vom Oberkörper entfernt), oder mit länger dauernden repetitiven Bewegungen des rechten Armes verbunden sind. Zu diesen Tätigkeiten zählen z.B. Arbeiten im Sitzen, wobei das Material über eine grössere Arbeitsfläche verteilt ist, Arbeiten an einem Fliessband mit sich ständig wiederholenden Bewegungsabläufen des rechten Armes. 
Die dargelegte fachärztliche Einschätzung beruht auf eingehenden Untersuchungen und berücksichtigt angemessen die geklagten Beschwerden sowie die medizinischen Vorakten. Die Folgerungen des Experten in Bezug auf Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit sind umfassend und schlüssig begründet. Das Gutachten erfüllt damit die Anforderungen an einen beweiskräftigen Arztbericht (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Vorinstanz und Verwaltung haben zu Recht darauf abgestellt und auf eine volle Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassen Tätigkeit geschlossen. 
 
Was hiegegen vorgetragen wird, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Namentlich ergibt sich aus der Expertise vom 27. Februar 2004 klar und überzeugend, dass eine volle Arbeitsfähigkeit nur, aber immerhin, an einem der Behinderung Rechnung tragenden Arbeitsplatz besteht. Das Gutachten bietet auch hinreichend genauen Aufschluss über das gesundheitlich noch zumutbare Tätigkeitsspektrum, um ohne weitere Abklärungen als Grundlage für den zur Bestimmung der Invalidität vorzunehmenden Einkommensvergleich dienen zu können. Dass bei längerer Ausübung bestimmter Verrichtungen Schmerzen auftreten können, begründet ebenfalls keine Zweifel an den Aussagen des orthopädischen Gutachters, welcher diesen Umstand in seine Überlegungen mit einbezogen hat. Es kann im Übrigen auf die einlässliche Auseinandersetzung mit den medizinischen Gesichtspunkten im angefochtenen Entscheid verwiesen werden. 
3.2 Die erwerblichen Auswirkungen der festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigung sind unstreitig mittels der bei Erwerbstätigen anzuwendenden Methode des Einkommensvergleichs zu bestimmen (Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis Ende 2002 in Kraft gestandenen Fassung). 
3.2.1 Das im Jahr 2002 (Beginn des allfälligen Rentenanspruchs als massgebender Vergleichszeitpunkt; BGE 129 V 222) mutmasslich erzielte Erwerbseinkommen (Valideneinkommen) haben Verwaltung und Vorinstanz gestützt auf den zuletzt erzielten und der Nominallohnentwicklung angepassten Lohn auf Fr. 76'947.- festgesetzt. 
 
Zur Bestimmung des trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbarweise noch erzielbaren Erwerbseinkommens (Invalideneinkommen) haben IV-Stelle und kantonales Gericht auf Tabellenlöhne gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) abgestellt. Dabei rechneten sie den monatlichen Bruttolohn (Zentralwert bei einer standardisierten Arbeitszeit von 40 Wochenstunden) der mit einfachen und repetitiven Arbeiten (Anforderungsniveau 4) im gesamten privaten Sektor beschäftigten Männer im Jahr 2002 von Fr. 4557.- (LSE 2002, S. 43 Tabelle TA1) auf die betriebsübliche Wochenarbeitszeit von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft, Heft 12/2006, S. 82 Tabelle B9.2) um, was aufs Jahr (x 12) und unter Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzuges von 15 % (rechnerisch genau) Fr. 48'456.85 ergibt. Die Gegenüberstellung mit dem Validenlohn von Fr. 76'947.- führt (gerundet) zu einem - nicht rentenbegründenden - Invaliditätsgrad von 37 %. 
3.2.2 Das Valideneinkommen ist zu Recht nicht umstritten. Das dargelegte Vorgehen entspricht auch in Bezug auf das Invalideneinkommen in allen Teilen Gesetz und Praxis (vgl. namentlich BGE 126 V 75 ff.). 
 
Die Einwendungen des Versicherten führen zu keiner anderen Beurteilung. Seinen begrenzten beruflichen Qualifikationen wurde mit der Verwendung der Tabellenlöhne des niedrigsten Anforderungsniveaus 4 Rechnung getragen. Dass der Beschwerdeführer keine leidensangepassten Tätigkeiten im Rahmen dieses Anforderungsniveaus vollzeitlich ausüben können soll, trifft aufgrund des zuvor Gesagten nicht zu. Gleiches gilt, soweit geltend gemacht wird, die Restarbeitsfähigkeit sei erwerblich nicht verwertbar. Es gilt in diesem Zusammenhang auch zu betonen, dass für die Invaliditätsbemessung nicht der aktuelle, sondern der ausgeglichene Arbeitsmarkt massgebend ist (Art. 7 und Art. 16 ATSG; Art. 28 Abs. 2 IVG in der bis 31. Dezember 2002 in Kraft gestandenen Fassung). Bei der Beurteilung der Aussichten einer versicherten Person, im Arbeitsmarkt effektiv vermittelt zu werden, sind somit nicht die dort herrschenden konkreten Verhältnisse massgebend. Vielmehr wird - abstrahierend - unterstellt, hinsichtlich der in Frage kommenden Stellen bestehe ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Es kommt also darauf an, ob die versicherte Person die ihr verbliebene Arbeitskraft wirtschaftlich nutzen könnte, wenn die verfügbaren Arbeitsplätze dem Angebot an Arbeitskräften entsprechen würden (Urteil R. vom 16. Januar 2006, I 180/05, Erw. 5.1; vgl. auch AHI 1998 S. 291, je mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der ausgeglichene Arbeitsmarkt Stellen bietet, die der tatsächlichen Behinderung des Versicherten gerecht werden. Bei den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Weiteren genannten Umständen, welche der Wiederaufnahme einer zumutbaren erwerblichen Tätigkeit entgegenstehen sollen, handelt es sich sodann um invaliditätsfremde Faktoren, wie die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache, welche bei der Invaliditätsbemessung nicht berücksichtigt werden können. Es kann im Übrigen auch hier auf die zutreffenden vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden. 
4. 
Zu prüfen bleibt der von Verwaltung und Vorinstanz ebenfalls verneinte Anspruch auf berufliche Massnahmen, wobei konkret Umschulung (Art. 17 IVG) und Arbeitsvermittlung (Art. 18 Abs. 1 IVG) zur Diskussion stehen. 
4.1 Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid erwogen, der Versicherte bedürfe zur Ausübung des ihm noch zumutbaren Arbeitsspektrums keiner Umschulung. Diese Beurteilung, mit welcher sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht weiter auseinandersetzt, ist nicht zu beanstanden. 
4.2 Der Anspruch auf Arbeitsvermittlung setzt rechtsprechungsgemäss nebst anderem eine spezifische Einschränkung gesundheitlicher Art bei der Stellensuche voraus (vgl. AHI 2003 S. 270 Erw. 2c). Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, trifft dies hier nicht zu. Eine Einschränkung der genannten Art kann entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung auch nicht darin gesehen werden, dass ein potentieller Arbeitgeber bei der Bewerbung auf die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigung hinzuweisen ist, ist doch nicht ersichtlich, weshalb der Versicherte dies nicht selber tun können soll. Damit ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in allen Teilen unbegründet. 
5. 
Das Verfahren ist kostenfrei (Erw. 1.2 hievor). Die unentgeltliche Verbeiständung kann dem Versicherten gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Advokat Dr. Marco Biaggi, Basel, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 30. Januar 2007 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: