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[AZA 7] 
H 436/99 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Maillard 
 
Urteil vom 30. März 2001 
 
in Sachen 
 
B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, Zürich, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Appenzell A.Rh., Kasernenstrasse 4, Herisau, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur 
 
A.- Mit Verfügung vom 19. November 1998 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Appenzell A.Rh. nebst anderen Personen B.________ als ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrats der konkursiten Firma X.________ AG zur Bezahlung von Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge (einschliesslich Verwaltungskostenbeiträge, Verzugszinsen, Mahngebühren und Betreibungskosten) im Betrag von Fr. 76'024. 45. 
B.- Nachdem B.________ Einspruch erhoben hatte, machte die Ausgleichskasse am 29. Dezember 1998 ihre Forderung klageweise beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden geltend, welches die Schadenersatzklage mit Entscheid vom 7. September 1999 guthiess. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei insoweit aufzuheben, als er zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von Fr. 76'024. 45 verpflichtet werde; eventuell sei er zur Zahlung eines tieferen Schadenersatzbetrages zu verpflichten. 
 
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Mitbeteiligten Z.________, T.________ und R.________ verzichten auf eine Stellungnahme. Der Mitbeteiligte M.________ und das Bundesamt für Sozialversicherung lassen sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur soweit eingetreten werden, als eine Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 119 V 80 Erw. 1b, 118 V 69 Erw. 1b mit Hinweis). 
 
b) Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- Im vorinstanzlichen Entscheid werden die nach Art. 52 AHVG und der Rechtsprechung für die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers und seiner Organe geltenden Grundsätze zutreffend dargelegt, sodass darauf verwiesen werden kann. Richtig ist auch, dass die Haftung zusätzlich einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der absichtlichen oder grobfahrlässigen Missachtung von Vorschriften und dem eingetretenen Schaden voraussetzt (BGE 119 V 406 Erw. 4a mit Hinweisen auf die Lehre). Nach der Rechtsprechung hat ein Ereignis dann als adäquate Ursache eines Erfolges zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (BGE 121 V 49 Erw. 3a, 119 V 406 Erw. 4a, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 121 IV 15 Erw. 3, 119 Ib 343 Erw. 3c). 
 
3.- a) Zwar weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass ein Verwaltungsratsmitglied mit der Mandatsübernahme in die Verantwortung sowohl für die laufenden als auch für die verfallenen, von der Gesellschaft in früheren Jahren schuldig gebliebenen Sozialversicherungsabgaben eintritt. Hinsichtlich beider Arten von Verbindlichkeiten ist die Untätigkeit des Organs regelmässig kausal, sodass hinsichtlich Schadenersatzpflicht keine unterschiedliche Behandlung angezeigt ist (ZAK 1992 S. 254 f. Erw. 7b). Am Erfordernis des Kausalzusammenhanges zwischen Untätigkeit des Verwaltungsratsmitgliedes und Nichtleistung von Beitragszahlungen, die bei Eintritt in den Verwaltungsrat bereits ausstehend waren, mangelt es indes ausnahmsweise, wenn die Gesellschaft bereits vorgängig dem Eintritt des neuen Verwaltungsrates zahlungsunfähig war (BGE 119 V 406 f. Erw. 4b und c). 
 
b) Der Beschwerdeführer ist gemäss Handelsregistereintrag am 5. Juli 1996 in den Verwaltungsrat der Firma eingetreten, wobei nach den Feststellungen der Vorinstanz die formelle Mandatsübernahme am 1. September 1996 erfolgte. Bereits drei Wochen später, am 24. September 1996, ist über die Firma der Konkurs eröffnet wurde. Wie der Beschwerdeführer in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde überzeugend ausführt, verfügte die Firma über keine finanziellen Mittel mehr, als er in den Verwaltungsrat eintrat. Er konnte daher die Entstehung des Schadens nicht mehr verhindern. Er hätte in der kurzen Zeitspanne der Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat einzig und allein versuchen können zu vermeiden, dass sich der bereits eingetretene Schaden bis zur unvermeidlichen Konkurseröffnung noch verschlimmerte. Zwischen den rückständigen Beiträgen und dem Verhalten des Beschwerdeführers fehlt es daher am adäquaten Kausalzusammenhang. Weil sich mangels beitragspflichtiger Lohnzahlungen der Schaden ab Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat auch nicht vergrösserte, hat die Vorinstanz eine Schadenersatzpflicht des Beschwerdeführers insgesamt zu Unrecht bejaht. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden vom 7. September 1999, soweit den Beschwerdeführer betreffend, aufgehoben, und es wird die gegen ihn gerichtete Schadenersatzklage der Ausgleichskasse des Kantons Appenzell A.Rh. im bundesrechtlichen Umfang abgewiesen. 
 
II.Die Gerichtskosten von Fr. 3400. - werden der Ausgleichskasse des Kantons Appenzell A.Rh. auferlegt. 
 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 3400. - wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet. 
 
IV.Die Ausgleichskasse des Kantons Appenzell A.Rh. hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
V.Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
 
VI.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, dem Bundesamt für Sozialversicherung, M.________, E.________, T.________ und Z.________ zugestellt. 
 
Luzern, 30. März 2001 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: