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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_36/2019  
 
 
Urteil vom 30. April 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Tania Teixeira, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 16. November 2018 (IV.2017.00937). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1957, beschäftigt als Strassen- und Gleisbauer, meldete sich im März 2009 unter Hinweis auf eine vollständige Arbeitsunfähgkeit seit dem 10. September 2008 wegen eines Rückenleidens bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte ein Gutachten des Dr. med. B.________, Rheumatologie und physikalische Medizin FMH, vom 26. November 2009 ein, das für eine leidensangepasste Tätigkeit eine volle Arbeitsfähigkeit bescheinigte. Gestützt darauf lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 20. Juli 2010 ab.  
 
A.b. A.________ musste sich in der Folge mehreren operativen Eingriffen zur Versteifung des Rückens unterziehen (Spondylodese L4-S1 am 18. Januar 2011 und Verlängerung L2-S1 am 24. Mai 2011, Revision L5/S1 am 23. März 2012, Respondylodese L5/S1 am 12. Juli 2012). Im April 2011 meldete er sich erneut bei der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 13. September 2013 lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente wiederum ab.  
 
A.c. Mit Entscheid vom 19. Dezember 2014 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die dagegen erhobene Beschwerde gut, hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache an die IV-Stelle zurück zu weiteren medizinischen Abklärungen.  
 
Die IV-Stelle holte ein interdisziplinäres Gutachten des Universitätsspitals Basel, Asim, vom 27. Dezember 2016 mit rheumatologischer und psychiatrischer Abklärung ein. Gestützt darauf lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 18. Juli 2017 erneut ab. 
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 16. November 2018 teilweise gut und sprach A.________ vom 1. Oktober 2011 bis zum 30. April 2013 eine ganz Invalidenrente zu. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei insoweit aufzuheben, als A.________ damit vom 1. Februar bis zum 30. April 2013 eine Invalidenrente zugesprochen wird. Des Weiteren wird um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ersucht. 
 
A.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann das Bundesgericht nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Aufhebung der von der Vorinstanz ab dem 1. Oktober 2011 zugesprochenen ganzen Invalidenrente erst per 30. April 2013 vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht insbesondere, ob sie zu Recht eine dreimonatige Wartedauer nach Art. 88a Abs. 1 Satz 2 IVV gewährte, nachdem die Vorinstanz auf Ende Januar 2013 von einer medizinisch-theoretischen Verbesserung des Gesundheitszustandes ausgegangen war. 
 
3.   
Die IV-Stelle rügt eine Verletzung der vorinstanzlichen Begründungspflicht. Die Anforderungen an die Begründung der beim Bundesgericht beschwerdeweise anfechtbaren Entscheide ergeben sich aus Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG und dienen vorab der Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gehörsanspruchs nach Art. 29 Abs. 2 BV. Den Parteien sollen jene Tatsachen und Rechtsnormen zur Kenntnis gebracht werden, die für eine Erkennung der Tragweite des Entscheids und dessen sachgerechte Anfechtung massgeblich sind (vgl. zum Ganzen: BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.; 138 IV 81 E. 2.2 S. 84; 136 I 229 E. 5.2 S. 236; Urteile 6B_1011/2014 vom 16. März 2015 E. 1.6.2; 2C_961/2014 vom 8. Juli 2015 E. 7.1; Bernhard Ehrenzeller in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl., 2018, Art. 112 N 8). Dass die Vorinstanz diesen Anforderungen im vorliegenden Fall nicht genügt hätte und ihr Entscheid insbesondere nicht sachgerecht anfechtbar gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Daran ändert nichts, dass sie sich nicht explizit dazu geäussert hat, weshalb sie auf den zweiten Satz von Art. 88a Abs. 1 IVV abstellte (vgl. E. 4 hernach). 
 
4.   
Nach dem kantonalen Gericht war das Asim-Gutachten vom 27. Dezember 2016 voll beweiskräftig. Es stellte gestützt darauf fest, dass aus somatischer Sicht in einer den Rückenbeschwerden angepassten leichten Tätigkeit keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mehr bestehe. Gemäss dem psychiatrischen Gutachter sei die Leistungsfähigkeit wegen einer (wahrscheinlich schmerzbedingten) Schlafstörung um 20 % beeinträchtigt. Retrospektiv sei von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit von Januar 2011 bis Ende Januar 2013 auszugehen. Zu diesem Zeitpunkt sei die vom Gutachter attestierte vier- bis sechsmonatige Rekonvaleszenz nach dem letzten operativen Eingriff im Juli 2012 jedenfalls beendet gewesen. Die danach eingetretene Verbesserung der Erwerbsfähigkeit (rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 23 %) berücksichtigte die Vorinstanz nach einer Wartedauer von drei Monaten. 
 
Die beschwerdeführende IV-Stelle macht geltend, dass gestützt auf das Asim-Gutachten sechs Monate nach der letzten Operation eine stabile und langandauernde Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ausgewiesen gewesen sei. Die Rente hätte bereits per Ende Januar 2013 aufgehoben werden müssen. 
 
5.   
Nach der Rechtsprechung ist bei rückwirkender Zusprechung einer abgestuften oder befristeten Invalidenrente nebst der Revisionsbestimmung des Art. 17 Abs. 1 ATSG die Regelung in Art. 88a Abs. 1 IVV über die Änderung des Leistungsanspruchs bei einer Verbesserung der Erwerbsfähigkeit analog anzuwenden, wenn noch vor Erlass der ersten Rentenverfügung eine anspruchsbeeinflussende Änderung eingetreten ist (Urteil 8C_94/2013 vom 8. Juli 2013 E. 4.1). Nach Art. 88a Abs. 1 Satz 1 IVV ist namentlich eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit für die Herabsetzung oder Aufhebung der Leistung von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, in dem angenommen werden kann, dass sie voraussichtlich längere Zeit dauern wird. Sie ist in jedem Fall zu berücksichtigen, nachdem sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert hat und voraussichtlich weiterhin andauern wird (Satz 2). Im Regelfall ist für die Zukunft (pro futuro) abzuklären, ob eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit voraussichtlich längere Zeit Bestand haben wird (Urteil 9C_1022/2012 vom 16. Mai 2013 E. 3.3.1). 
 
Das Bundesgericht wendet in der Regel den zweiten Satz dieser Vorschrift an und gewährt oder bestätigt die bisherige höhere Rente drei Monate über die Veränderung des Gesundheitszustandes hinaus (Urteile 8C_94/2013 vom 8. Juli 2013 E. 4.1; 8C_670/2011 vom 10. Februar 2012 E. 5.1; 9C_491/2008 vom 21. April 2009 E. 2; zuletzt etwa 9C_544/2018 vom 5. Februar 2019 E. 7.3; 8C_220/2018 vom 14. November 2018 E. 5.3; 9C_112/2018 vom 20. September 2018 E. 4.2; 8C_309/2018 vom 2. August 2018 E. 6). Auf die Einräumung einer Wartedauer bis zur Aufhebung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen zu verzichten. Die "sofortige" Aufhebung rechtfertigte sich etwa, weil eine Verbesserung bereits seit geraumer Zeit anzunehmen, der Zeitpunkt dieser Änderung der Arbeitsfähigkeit aber nirgends dokumentiert war (Urteil 9C_603/2010 vom 6. Oktober 2011 E. 4.2), oder weil sich der Verlauf der Arbeitsfähigkeit nicht annähernd genau bestimmen und erst gestützt auf das Gutachten verbindlich und abweichend von der echtzeitlichen Aktenlage einschätzen liess (Urteil 9C_810/2010 vom 16. September 2011 E. 4.2). In diesen Fällen wurde die Aufhebung auf den Zeitpunkt der Begutachtung festgesetzt. 
 
6.   
Inwiefern die Vorinstanz die dargelegte Rechtsprechung verletzt hätte, ist nicht erkennbar. In der hier zu beurteilenden Streitsache war mit dem Asim-Gutachten vom 27. Dezember 2016 (unbestrittenerweise) bewiesen, dass der Versicherte eine volle Arbeitsfähigkeit in leidensangepasster Tätigkeit lange zuvor, nämlich nach überstandener Rekonvaleszenz im Januar 2013 nach der letzten Rückenoperation im Juli 2012, erreicht hatte. Nach dem praxisgemässen Grundsatz war die Rentenaufhebung unter Gewährung einer dreimonatigen Wartedauer ab jenem Zeitpunkt im Januar 2013, also per 30. April 2013, rechtens. 
 
7.   
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde wird mit dem heutigen Urteil gegenstandslos. 
 
8.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem Prozessausgang entsprechend der IV-Stelle auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG); des Weiteren hat sie dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. April 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo