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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_545/2021  
 
 
Urteil vom 30. Juni 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Haag, 
nebenamtliche Bundesrichterin Pont Veuthey, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Entbindung vom Amtsgeheimnis, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15. Juli 2021 (JV.2021.47). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Im Rahmen einer vor dem Bezirksgericht X.________ hängigen mietrechtlichen Streitigkeit (Verfahren B.2021.10) verlangte A.________ mit Gesuch vom 19. April 2021 den Ausstand von Einzelrichterin B.________. Zur Begründung des Ausstandsbegehrens führte A.________ aus, sie habe durch ihren Bekannten C.________ erfahren, das Einzelrichterin B.________ sie in einem früheren Verfahren benachteiligt haben soll. Darüber hinaus soll die Einzelrichterin empfänglich für persönliche Vorteile materieller bzw. finanzieller Art sein. Diese Informationen habe C.________ durch ein mitgehörtes Telefongespräch einer Nachbarin von A.________ erfahren. 
Bezirksrichterin B.________ trat in der Folge am 7. Mai 2021 von sich aus in den Ausstand, wobei sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe ausdrücklich zurückwies. Mit Eingabe vom 30. Juni 2021 ersuchte sie beim Obergericht des Kantons Thurgau um die Entbindung vom Amtsgeheimnis, damit sie die gegen sie erhobenen Vorwürfe der Bestechlichkeit durch einen Rechtsvertreter auf ihre strafrechtliche Relevanz überprüfen lassen und danach gegebenenfalls zur Strafanzeige bringen könne. 
Das Obergericht hiess das Gesuch um Entbindung vom Amtsgeheimnis mit Urteil vom 15. Juli 2021 teilweise gut und bewilligte B.________, das Ausstandsgesuch vom 19. April 2021 inkl. der Beilage 1 (Schreiben von C.________ vom 11. April 2021) einem von ihr beigezogenen Rechtsbeistand und allenfalls den Strafverfolgungsbehörden vorzulegen. Im Übrigen wurde das Gesuch abgewiesen. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 12. September 2021 beantragt A.________, das Urteil des Obergerichts vom 15. Juli 2021 aufzuheben und das Gesuch um Entbindung vom Amtsgeheimnis vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei festzustellen, dass die bewilligte teilweise Entbindung vom Amtsgeheimnis rechtswidrig erfolgte. In prozessualer Hinsicht ersucht die Beschwerdeführerin um die Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
Das Obergericht und die Beschwerdegegnerin beantragen die Abweisung der Beschwerde. Mit Replik vom 3. Dezember 2021 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest. 
 
C.  
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 12. Oktober 2021 erteilte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 146 II 276 E. 1).  
 
1.2. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid im Zusammenhang mit der Entbindung einer Staatsangestellten vom Amtsgeheimnis. Dabei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Materie. Grundsätzlich steht daher die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (vgl. Art. 82 ff. BGG; Urteil 1C_268/2018 vom 12. Juli 2019 E. 1.1).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Nach Art. 86 Abs. 2 BGG setzen die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts "obere Gerichte" ein, soweit nicht nach einem Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde ans Bundesgericht unterliegen.  
 
1.3.2. Gemäss § 15 Abs. 1 der Verordnung des Obergerichts über die Zivil- und Strafrechtspflege des Kantons Thurgau vom 27. Mai 2010 (ZSRV/TG; RB 271.11) entscheidet das Obergericht bei den Mitgliedern der Bezirksgerichte über die Entbindung vom Amtsgeheimnis. Es ist dabei für das ganze Kantonsgebiet zuständig und ist insoweit hierarchisch keiner anderen kantonalen Instanz unterstellt (vgl. § 26 Abs. 1 des Gesetzes über die Zivil- und Strafrechtspflege des Kantons Thurgau vom 17. Juni 2009 [ZSRG/TG; RB 271.1]; § 54 und 55 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau vom 23. Februar 1981 [VRP/TG; RB170.1] e contrario). Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin erfüllt das Obergericht damit die bundesrechtlichen Vorgaben an ein oberes kantonales Gericht gemäss Art. 86 Abs. 2 BGG (vgl. BGE 136 II 470 E. 1.1; 135 II 94 E. 4.1; je mit Hinweisen). Ein oberes kantonales Gericht im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG muss sodann - anders als dies bei Zivil- und Strafsachen der Fall ist (vgl. Art. 75 Abs. 2 und Art. 80 Abs. 2 BGG) - nicht zwingend als Rechtsmittelinstanz entscheiden. Entgegen der von der Beschwerdeführerin insoweit offenbar vertretenen scheinenden Auffassung wird im Bereich des öffentlichen Rechts grundsätzlich kein doppelter Instanzenzug verlangt (vgl. BGE 136 II 470 E. 1.1; 135 II 94 E. 4.1, 134 II 318 E. 4.4; ESTHER TOPHINKE, in: Basler Kommentar BGG, 3. Aufl. 2018, N. 16 zu Art. 86 BGG). Das Obergericht auferlegte sich bei der Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Situation auch keine Einschränkungen (vgl. Art. 110 BGG). Der streitbetroffene Entscheid betreffend die Entbindung vom Amtsgeheimnis kann damit unmittelbar beim Bundesgericht angefochten werden.  
 
1.4. Die im vorinstanzlichen Verfahren unterlegene Beschwerdeführerin ist als Adressatin des angefochtenen Entscheids besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Sie ist damit zur Beschwerdeführung berechtigt (vgl. Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG; vgl. Urteil 1C_268/2018 vom 12. Juli 2019 E. 1.3). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde, vorbehältlich einer hinreichenden Beschwerdebegründung, einzutreten ist.  
 
1.5. Nicht einzutreten ist hingegen auf die Beschwerde, soweit die Beschwerdeführerin beantragt, es sei festzustellen, dass die vom Obergericht bewilligte Entbindung vom Amtsgeheimnis rechtswidrig sei. Würde der Hauptantrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids gutgeheissen, hätte dies zur Folge, dass keine Entbindung vom Amtsgeheimnis zu erteilen wäre. Das angestrebte Ziel der Beschwerdeführerin, die Entbindung der Beschwerdegegnerin vom Amtsgeheimnis zu verhindern, lässt sich demnach mittels einem Leistungs- bzw. einem Gestaltungsbegehren erreichen (zur Subsidiarität von Feststellungsbegehren vgl. BGE 141 II 113 E. 1.7; Urteil 2C_240/2020 vom 21. August 2020 E. 1.3). Ein Feststellungsinteresse, das über das Interesse an der Gutheissung der Gestaltungsbegehren hinausgeht, wird nicht dargetan und ist auch nicht erkennbar (vgl. Urteil 1C_233/2021 vom 5. April 2022 E. 1.4). Auf den subeventualiter gestellten Feststellungsantrag ist demnach nicht einzutreten.  
Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist sodann auf die der Beschwerdegegnerin bewilligte Entbindung vom Amtsgeheimnis begrenzt. Nicht einzutreten ist daher auf sämtliche Rügen, die sich auf parallel geführte Zivilverfahren mit Beteiligung der Beschwerdeführerin beziehen. Ebenfalls ausserhalb des vorliegenden Streitgegenstands liegt das gegen den vormaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eröffnete Disziplinarverfahren wegen des von diesem gegen die Beschwerdegegnerin eingereichten Ausstandsgesuchs vom 19. April 2021. 
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann von den hier nicht interessierenden weiteren Möglichkeiten nur die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an, behandelt aber grundsätzlich nur in der Beschwerdeschrift behauptete und ausreichend in Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen begründete Rechtsverletzungen, wobei hinsichtlich angeblicher Grundrechtsverletzungen eine qualifizierte Rügepflicht gilt (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 BGG; BGE 142 II 369 E. 2.1; 142 I 99 E. 1.7).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen können von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und BGE 144 V 111 E. 3). Die Anfechtung der vorinstanzlichen Feststellungen unterliegt der qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit (BGE 144 V 50 E. 4.1).  
Die Beschwerdeführerin unterbreitet dem Bundesgericht eine ausführliche Chronologie der Ereignisse mit teilweise ergänzenden tatsächlichen Hinweisen. Dabei erscheint nicht immer klar, was sie damit bezwecken will. Soweit sie jedoch geltend macht, die Vorinstanz sei von falschen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen, legt sie jedenfalls nicht dar und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern eine Behebung der geltend gemachten Mängel bei der Sachverhaltsfeststellung für den Verfahrensausgang entscheidend wäre (Art. 97 Abs. 1 BGG). Es besteht daher kein Anlass, darauf zurückzukommen. Auszugehen ist folglich vom Sachverhalt, wie er im angefochtenen Entscheid verbindlich festgestellt wurde. 
 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), weil ihr die Vorinstanz für die Einreichung einer Stellungnahme zum Gesuch um Entbindung vom Amtsgeheimnis eine zu kurze und nicht erstreckbare Frist von lediglich zehn Tagen angesetzt habe. Die entsprechende prozessleitende Verfügung sei zudem an ihren sie in der vor dem Bezirksgericht X.________ hängigen Mietstreitigkeit vertretenden Rechtsanwalt verschickt worden, obwohl sie diesen in der vorliegenden Angelegenheit gar nie mandatiert habe. Dadurch sei es ihr verunmöglicht worden, sich innert angemessener Frist hinreichend zur Sache äussern zu können.  
 
3.2. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht der betroffen Personen, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen und Einsicht in die Akten zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 144 I 11 E. 5.3; 140 I 99 E. 3.4). Dieses Mitwirkungsrecht kann im Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren bisweilen mit den Erfordernissen eines geordneten Verfahrensgangs kollidieren. Mit dem Gehörsanspruch vereinbar ist grundsätzlich, dass den Betroffenen für die Ausübung ihres Äusserungsrechts eine bestimmte Frist gesetzt wird. Diese muss angemessen, d.h. so bemessen sein, dass der betroffenen Person eine gehörige Wahrung ihres Äusserungsrechts - gegebenenfalls unter Beizug eines Rechtsvertreters - effektiv möglich ist (vgl. BGE 138 III 252 E. 2.2; 133 V 196 E. 1.2; je mit Hinweisen). Entscheidend ist, ob der betroffenen Person ermöglicht wurde, ihren Standpunkt wirksam zur Geltung zu bringen (BGE 144 I 11 E. 5.3; 136 I 265 E. 3.2; je mit Hinweisen).  
 
3.3. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die Beschwerdegegnerin am 20. April 2021 Kenntnis vom Inhalt des gegen sie erhobenen Ausstandsbegehrens erhielt. Die Frist für die Stellung eines allfälligen Strafantrags gegen die Beschwerdeführerin, deren vormaligen Rechtsvertreter oder etwaige Drittpersonen lief somit am 20. Juli 2021 ab (vgl. Art. 31 StGB). Als die Beschwerdegegnerin am 30. Juni 2021 das Gesuch um Entbindung vom Amtsgeheimnis einreichte, drohte demnach die Strafantragsfrist zu verstreichen. Diesen Umstand durfte die Vorinstanz bei der Fristansetzung berücksichtigen. Aus den Akten ergibt sich zudem, dass das Gesuch der Beschwerdegegnerin lediglich zwei Seiten umfasst. Weiter war der Beschwerdeführerin der Sachverhalt bekannt, der zur Gesuchseinreichung führte. Die sich stellenden Rechtsfragen weisen sodann keine hohe Komplexität auf. In Anbetracht dessen erweist sich die der Beschwerdeführerin angesetzte Frist von zehn Tagen für die Einreichung einer Stellungnahme zum Gesuch um Entbindung vom Amtsgeheimnis nicht als unangemessen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht substanziiert dargetan, inwieweit es ihr nicht möglich gewesen sein soll, ihre Standpunkte rechtsgenüglich in das Verfahren einbringen zu können, äusserte sie sich doch in ihrer fristgerechten Stellungnahme vom 12. Juli 2021 ausführlich zur Sache. Dass es aufgrund der Sommer- und Gerichtsferien unmöglich gewesen sein soll, innert Frist einen Rechtsbeistand zu mandatieren, überzeugt angesichts des bescheidenen Aktenumfangs und den überschaubaren Rechtsfragen nicht. Nichts zu ihren Gunsten ableiten kann die Beschwerdeführerin zudem aus dem Umstand, dass die Vorinstanz die verfahrensleitende Verfügung betreffend der Fristansetzung zunächst ihrem vormaligen Rechtsanwalt zustellte. Dies ist angesichts der Tatsache, dass dieser sie in zwei vor dem Bezirksgericht X.________ hängigen Zivilverfahren vertritt, verständlich und war für sie mit keinem Rechtsnachteil verbunden, konnte sie ihren Standpunkt doch trotzdem in das Verfahren einbringen. Entgegen der Rüge der Beschwerdeführerin stellt schliesslich auch der Umstand, dass die Vorinstanz den vormaligen Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin trotz fehlendem Mandatsverhältnis im Rubrum des angefochtenen Entscheids als ihren Rechtsvertreter aufführte, keine Gehörsverletzung dar. Wie die Vorinstanz vor Bundesgericht eingestand, handelt es sich hierbei um ein redaktionelles Versehen, was für die Beschwerdeführerin jedoch mit keinem Rechtsnachteil verbunden war.  
 
4.  
In der Sache strittig ist die von der Vorinstanz bewilligte Entbindung der Beschwerdegegnerin vom Amtsgeheimnis. 
 
4.1. Nach Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich der Verletzung des Amtsgeheimnisses schuldig, wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat. Geheimnisse sind Tatsachen, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind, die der Geheimnisherr geheim halten will und an deren Geheimhaltung er ein berechtigtes Interesse hat (BGE 127 IV 122 E. 1 mit Hinweis). Der Tatbestand geht von einem materiellen Geheimnisbegriff aus. Es ist daher nicht wesentlich, ob die betreffende Tatsache von der zuständigen Behörde als geheim erklärt worden ist. Entscheidend ist allein, dass es sich um eine Tatsache handelt, die weder offenkundig noch allgemein zugänglich ist und bezüglich derer der Geheimnisherr nicht nur ein berechtigtes Interesse, sondern auch den ausdrücklich oder stillschweigend bekundeten Willen zur Geheimhaltung hat. Ein Geheimnis offenbart, wer es einer dazu nicht ermächtigten Drittperson zur Kenntnis bringt oder dieser die Kenntnisnahme zumindest ermöglicht. Art. 320 StGB schützt das Interesse der Allgemeinheit an der zur ungehinderten Erfüllung der staatlichen Aufgaben unabdingbaren Verschwiegenheit der Behördenmitglieder und Beamten. Der Tatbestand bezweckt damit in erster Linie die Wahrung öffentlicher Interessen, namentlich das reibungslose Funktionieren der Verwaltung und der Rechtspflege. Soweit das Amtsgeheimnis eine geheimhaltungsbedürftige Tatsache aus der Privatsphäre des Einzelnen betrifft, schützt Art. 320 StGB auch das Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen. Der Tatbestand von Art. 320 StGB ist ein echtes Sonderdelikt. Er kann nur von einem Behördenmitglied oder einem Beamten erfüllt werden. Als Beamte gelten gemäss Art. 110 Abs. 3 StGB u.a. die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege. Entscheidend für die Qualifikation als Behördenmitglied oder Beamter ist nicht die rechtliche Natur des Wahl- oder Anstellungsverhältnisses, sondern die Wahrnehmung von Funktionen im Dienst der Öffentlichkeit (vgl. zum Ganzen: BGE 142 IV 65 E. 5.1; Urteil 6B_825/2019 vom 6. Mai 2021 E. 5.2.1; je mit Hinweisen).  
 
4.2. Gemäss Art. 320 Ziff. 2 StGB liegt keine strafbare Verletzung des Amtsgeheimnisses vor, wenn das Geheimnis mit schriftlicher Einwilligung der vorgesetzten Behörde offenbart wurde. Ob einem Ersuchen um Entbindung vom Amtsgeheimnis zu entsprechen ist, beurteilt sich anhand einer Abwägung sämtlicher auf dem Spiel stehender Interessen. Die Zustimmung ist grundsätzlich zu erteilen, wenn das Interesse an der Offenbarung des Geheimnisses die entgegenstehenden privaten oder öffentlichen Geheimhaltungsinteressen überwiegt (NIKLAUS OBERHOLZER, in: Basler Kommentar StGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2019, N. 15 zu Art. 320 StGB; MICHEL DUPUIS et al.; petit commentaire, code penal, 2. Aufl. 2017, N. 36 zu Art. 320 StGB; vgl. BGE 142 II 307 E. 4.3.3 [betreffend die Voraussetzungen für Entbindung von einem Berufsgeheimnis nach Art. 321 Ziff. 2 StGB]). Auf eine Einwilligung der vorgesetzten Behörde kann verzichtet werden, wenn gesetzliche Offenbarungs-, Anzeige- oder Mitteilungspflichten bzw. -rechte bestehen (vgl. Art. 14 StGB; NIKLAUS OBERHOLZER, a.a.O., N. 12 zu Art. 320 StGB; NADINE HAGENSTEIN, in: Basler Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, N. 35 zu Art. 302 StPO; JEAN-MARC VERNIORY, Commentaire romande, Code pénal II, 2017, N. 49 f. zu Art. 320 StGB).  
 
4.3. Nach Art. 302 Abs. 1 StPO sind die Strafbehörden, wozu auch die erstinstanzlichen Strafgerichte zählen (vgl. Art. 13 StPO), verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen. Gemäss § 40 Abs. 1 ZSRG/TG sind Behörden und Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Kantons und der Gemeinden zur Strafanzeige verpflichtet, wenn ihnen im Amt eine schwerwiegende Straftat bekannt wird. Nach § 40 Abs. 2 ZSRG/TG sind Behörden und Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Kantons und der Gemeinden berechtigt, Anzeige zu erstatten, wenn sie Kenntnis von einer von Amtes wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung erhalten.  
Die Vorinstanz prüfte nicht, ob sich die Beschwerdegegnerin aufgrund ihres Amts als Bezirksrichterin gestützt auf Art. 302 Abs. 1 StPO oder § 40 Abs. 1 und Abs. 2 ZSRG/TG gegebenenfalls auf ein gesetzliches Anzeigerecht berufen könnte und folglich eine Entbindung vom Amtsgeheimnis nicht nötig wäre (vgl. vorne E. 4.2). Ebenfalls nicht auseinandergesetzt hat sich die Vorinstanz mit der Frage, ob im vorliegenden Fall überhaupt Informationen offengelegt werden, die der Öffentlichkeit mit Blick auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit gemäss Art. 30 Abs. 3 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (vgl. dazu statt vieler: BGE 147 I 407 E. 6.1 f.) nicht ohnehin zugänglich wären. Wie es sich damit verhält kann an dieser Stelle indes offengelassen werden, weil die von der Vorinstanz bewilligte Entbindung vom Amtsgeheimnis aufgrund der nachstehenden Erwägungen nicht zu beanstanden ist. 
 
4.4. Die Vorinstanz erwog, in dem auf Drittinformationen beruhenden Ausstandsgesuch der Beschwerdeführerin werde der Beschwerde-gegnerin vorgeworfen, für finanzielle und materielle Anreize empfänglich zu sein. Dieser Vorwurf der Bestechlichkeit stelle eine potenziell ehrverletzende Tatsache im Sinne der Straftatbestände der üblen Nachrede (Art. 173 StGB) und der Verleumdung (Art. 174 StGB) dar. Zum aktuellen Verfahrensstand könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass sich gegen die Beschwerdeführerin sowie die im Ausstandsgesuch genannten Drittpersonen, welche der Beschwerdegegnerin in der Öffentlichkeit Bestechlichkeit vorzuwerfen scheinen, ein strafrechtlicher Anfangsverdacht ergeben könnte. Die Entbindung vom Amtsgeheimnis sei damit geeignet, den von der Gesuchstellerin geltend gemachten Verwendungszweck, nämlich den Beizug eines Rechtsvertreters zur Prüfung der Einreichung einer Strafanzeige, zu erreichen.  
Die Vorinstanz hat sodann die für die Entbindung vom Amtsgeheimnis massgebenden Interessen festgestellt und sachgerecht gegeneinander abgewogen. Sie erwog, dass mit Blick auf ein reibungsloses Funktionieren der öffentlichen Verwaltung und der Gerichte grundsätzlich ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Verschwiegenheit der Behördenmitglieder und Beamten bestehe. Im Gegensatz dazu sei jedoch zu berücksichtigen, dass die im Ausstandsgesuch genannten Drittpersonen der Beschwerdegegnerin Bestechlichkeit vorwerfen würden, was gemäss Art. 322quater StGB mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren sanktioniert werden könne und damit ein Verbrechen darstelle. Dieser Vorwurf wiege gegenüber der Beschwerdegegnerin als Bezirksrichterin besonders schwer, weil die Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit zu den charakterlichen Kerneigenschaften einer Richterin gehörten. Der verbreitete Vorwurf der Bestechlichkeit lasse sie daher in der Öffentlichkeit als charakterlich ungeeignet für ihr Amt erscheinen und betreffe sie darüber hinaus nicht nur als Amtsträgerin sondern auch als Privatperson. Das private Interesse der Beschwerdegegnerin, dem Vorwurf der Bestechlichkeit entgegenzutreten, sei deshalb als besonders gewichtig zu werten, weshalb die Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfalle. Die Beschwerdegegnerin werde somit in Bezug auf das von der Beschwerdeführerin erhobene Ausstandsgesuch vom 19. April 2021 vom Amtsgeheimnis entbunden. Sie sei befugt, das Dokument samt dem beigelegten Schreiben des Bekannten der Beschwerdeführerin einem von ihr beigezogenen Rechtsvertreter und allenfalls den Strafverfolgungsbehörden vorzulegen. 
 
4.5. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag an der vorinstanzlichen Beurteilung nichts zu ändern. Sie setzt sich über weite Teile nicht mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinander und versäumt es insbesondere, in Bezug auf das von ihr eingereichte Ausstandsgesuch vom 19. April 2021 ein massgebliches individuelles Geheimhaltungsinteresse namhaft zu machen. Im Wesentlichen erschöpfen sich ihre Vorbringen darin, die Erfolgsaussichten des von der Beschwerdegegnerin angestrebten Strafverfahrens in Abrede zu stellen. Sie verkennt damit, dass im vorliegenden Verfahren betreffend die Entbindung der Beschwerdegegnerin vom Amtsgeheimnis nicht über die strafrechtliche Relevanz der im Ausstandsgesuch erhobenen Vorwürfe zu befinden ist. Dass im vorliegenden Fall ein gewichtiger individualrechtlicher Gesichtspunkt einer Entbindung vom Amtsgeheimnis entgegenstehen könnte, ist nicht ersichtlich, werden doch im Ausstandsgesuch inkl. der genannten Beilage keine sensiblen Informationen über die Privatsphäre der Beschwerdeführerin offenbart. Insbesondere steht die Offenlegung der Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin in eine zivilrechtliche Streitigkeit vor dem Bezirksgericht X.________ involviert ist, der bewilligten Entbindung vom Amtsgeheimnis nicht entgegen. Gestützt auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit wäre diese Information der Allgemeinheit auch ohne die Entbindung der Beschwerdegegnerin vom Amtsgeheimnis zugänglich, sieht Art. 54 ZPO (SR 272) doch grundsätzlich die Öffentlichkeit des Zivilverfahrens vor. Einem intakten, schutzwürdigen und gewichtigen Interesse der Beschwerdegegnerin an einer Entbindung vom Amtsgeheimnis stehen damit aufseiten der Beschwerdeführerin keine bedeutenden privaten Interessen entgegen. Bei dieser Ausgangslage führt das institutionell begründete Interesse an der Verschwiegenheit von Behördenmitgliedern und Beamten (vgl. vorne E. 4.1) nicht dazu, dass ein deutlich überwiegendes privates Interesse der Beschwerdegegnerin an der Befreiung vom Amtsgeheimnis zu verneinen wäre. Die im vorinstanzlichen Umfang bewilligte Entbindung der Beschwerdegegnerin von ihrer amtlichen Schweigepflicht ist somit bundesrechtlich nicht zu beanstanden.  
 
5.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die unterliegende Beschwerdeführerin wird damit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die nicht anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 III 439 E. 4). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. Juni 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn