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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_170/2008 
 
Urteil vom 30. Juli 2008 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Müller, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Wyssmann. 
 
Parteien 
X.________, Restaurant Pizzeria S.________, 
Y.________, Restaurant Pizzeria S.________, 
Beschwerdeführer, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Hans Peter Derksen, 
 
gegen 
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Mehrwertsteuer (1. Quartal 1999 bis 2. Quartal 2001; Umsatzschätzung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 17. Januar 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ und Y.________ übernahmen als einfache Gesellschaft auf den 19. Januar 1998 das Restaurant Pizzeria S.________ in A.________. Sie meldeten sich am 14. März 1998 bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) als Mehrwertsteuerpflichtige an und erhielten die Mehrwertsteuernummer 4________. Auf den 1. November 1999 übernahmen sie zusätzlich die Führung des Restaurants T.________ im Tennis Center in A.________. Am 30. Juni 2001 wurden sie aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen gelöscht, nachdem X.________ und Z.________ das Restaurant Pizzeria S.________ übernommen hatten, die ihrerseits ab 1. Juli 2001 unter der Mehrwertsteuernummer 5________ abrechneten. 
 
B. 
Die ESTV führte zwischen dem 21. April und dem 11. Mai 2004 bei den Steuerpflichtigen eine Kontrolle durch. Dabei stellte sie unter anderem fest, dass zwar die Debitoren/Kassarapporte und die Belege für die Kreditoren vorhanden waren, aber ein Kassabuch fehlte und die Geschäftsbücher unordentlich geführt und unvollständig waren. Sodann stimmten die deklarierten Umsätze teilweise nicht mit der Buchhaltung überein. Die ESTV legte deshalb die Umsätze ausgehend vom effektiven Materialaufwand gemäss der Buchhaltung mittels Schätzung fest. Mit Ergänzungsabrechnung Nr. 275'831 forderte sie von X.________ und Y.________ für die Periode vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000 einen Betrag von Fr. 32'555.-- zuzüglich Verzugszins und mit Ergänzungsabrechnung Nr. 275'832 für die Periode vom 1. Januar bis 30. Juni 2001 einen solchen von Fr. 7'296.-- zuzüglich Verzugszins nach. Mit zwei formellen Entscheiden vom 5. Juli 2004 bestätigte die ESTV ihre Steuernachforderungen. 
 
Eine dagegen erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 27. Juni 2007 abgewiesen, worauf die Steuerpflichtigen an das Bundesverwaltungsgericht gelangten. Mit Entscheid vom 17. Januar 2008 wies dieses die Beschwerde ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen X.________ und Y.________ dem Bundesgericht die Aufhebung des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts und des Einspracheentscheids sowie die Rückweisung der Angelegenheit zwecks neuer Festsetzung der Nachforderung an die ESTV. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragen sie, die Beschwerde sei mit der unter dem gleichen Datum eingereichten, parallelen Beschwerde ihrer Rechtsnachfolger X.________ und Z.________ zu vereinigen. 
 
Die ESTV beantragt die Abweisung der Beschwerde, während das Bundesverwaltungsgericht auf Vernehmlassung verzichtet hat. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die beantragte Verfahrensvereinigung erscheint schon deswegen nicht als angezeigt, weil sich in den beiden Verfahren nicht die gleichen Parteien gegenüberstehen. 
 
2. 
Am 1. Januar 2001 ist das Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (MWSTG, SR 641.20) in Kraft getreten. Soweit Sachverhalte vor dem 1. Januar 2001 zu beurteilen sind, findet noch die Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV) Anwendung (Art. 93 Abs. 1 MWSTG). Im vorliegenden Fall geht es um die Besteuerung von Umsätzen, die teils vor, teils nach diesem Stichtag getätigt worden sind. Für die Ersteren ist das alte, für die Letzteren das neue Recht anwendbar. Wie sich im Folgenden ergeben wird, haben sich jedoch die für die Beurteilung des Falles massgeblichen Rechtsgrundlagen nicht verändert. 
 
3. 
Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, die ESTV habe das durch Art. 29 Abs. 1 BV garantierte Beschleunigungsgebot verletzt, indem sie die am 1. September 2004 erhobene Einsprache erst am 27. Juni 2007 beurteilt habe. Damit habe auch ihr Gehörsanspruch gelitten, da es ihnen im Jahre 2004 leichter gefallen wäre, den Sachverhalt darzulegen und Beweismittel zu produzieren, als es im Jahre 2007 der Fall gewesen sei. 
 
Eine Dauer von knapp drei Jahren für ein steuerrechtliches Einspracheverfahren erweist sich in der Tat als lang, zumal die ESTV während dieser Zeit keine Untersuchungshandlungen vornahm und der Fall keine besonderen Schwierigkeiten bot. Dass die ESTV aus Gründen der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen sämtliche Rechtsschriften nach der Reihenfolge ihres Einganges beurteilt, lässt eine solche Verfahrensdauer kaum als gerechtfertigt erscheinen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer ihrerseits nichts unternommen haben, um das Verfahren zu beschleunigen, indem sie weder die ESTV um einen sofortigen Entscheid ersucht noch eine Rechtsverzögerungsbeschwerde erhoben haben. Das ist bei der Beurteilung der Frage, ob der Entscheid noch innert angemessener Frist gefällt wurde, mitzuberücksichtigen (vgl. BGE 130 I 312 E. 5.2 S. 332). Wie es sich damit verhält, braucht aber nicht abschliessend entschieden zu werden. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots könnte nämlich ohnehin nicht dazu führen, dass die geschuldete Steuer nicht bezahlt werden müsste, solange sie nicht verjährt ist. Im übrigen trifft es auch nicht zu, dass den Beschwerdeführern aus der langen Verfahrensdauer ein Nachteil erwachsen ist. Den Lauf des Verzugszinses hätten sie durch Bezahlung des nachgeforderten Steuerbetrags unter Vorbehalt stoppen können, wobei ihnen im Falle der Gutheissung der Einsprache der bezahlte Betrag samt Zinsen zurückerstattet worden wäre (Art. 39 Abs. 4 2. Satz MWSTV, Art. 48 Abs. 4 2. Satz MWSTG). Auf diese Möglichkeit waren sie mit Schreiben vom 14. September 2004 ausdrücklich hingewiesen worden. Sodann wussten die Beschwerdeführer aus den Ergänzungsabrechnungen vom 10. Mai 2004, wie die ESTV ihre Steuernachforderung berechnete. Schon im Schreiben der ESTV vom 21. April 2004, das im Rahmen des Kontrollverfahrens an sie gerichtet wurde, war ihnen Frist angesetzt worden, um eine Erklärung für die nach Auffassung der ESTV ungenügenden Bruttogewinne (Materialaufwand im Verhältnis zum verbuchten Umsatz) abzugeben. Wenn sie diese Frist unbenutzt verstreichen liessen und auch ihre Einsprache nur rudimentär begründeten, können sie sich heute nicht darüber beklagen, dass es für sie im Jahre 2007 schwieriger war, den Beweis über die Kostenstruktur ihres Betriebs zu führen. Von einer Gehörsverweigerung kann in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht die Rede sein. 
 
4. 
Nach Art. 47 Abs. 1 MWSTV hat der Steuerpflichtige seine Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und so einzurichten, dass sich aus ihnen die für die Feststellung der Steuerpflicht sowie für die Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuern massgebenden Tatsachen leicht und zuverlässig ermitteln lassen. Liegen keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vor oder stimmen die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht überein, so nimmt die ESTV nach Art. 48 MWSTV eine Schätzung nach pflichtgemässem Ermessen vor. Wörtlich gleichlautende Bestimmungen finden sich in Art. 58 Abs. 1 und 60 MWSTG. Nach den Feststellungen der Vorinstanz haben die Beschwerdeführer insbesondere kein Kassabuch geführt. Das wäre aber bei einem bargeldintensiven Restaurantbetrieb, wie er von den Beschwerdeführern geführt wurde, unbedingt erforderlich gewesen, da nur so eine lückenlose Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle gewährleistet war. Ihre Aufzeichnungen genügen daher den Anforderungen von Gesetz und Verordnung nicht (vgl. dazu Wegleitung 1997 zur Mehrwertsteuer, Rz. 870 ff., Wegleitung 2001 Rz. 878 ff.). Die Voraussetzungen für die Vornahme einer Ermessenseinschätzung waren somit gegeben. Das wird in der Beschwerde denn auch nicht bestritten. 
 
5. 
5.1 Die ESTV berechnete den Umsatz der Beschwerdeführer anhand der ihr vorgelegten Belege über den Warenaufwand, wobei sie davon ausging, dass der Materialaufwand 32 % des Umsatzes ausmachte, die Bruttogewinnmarge somit 68 % betrug. Gemäss ihren Erfahrungszahlen, die von den Beschwerdeführern an sich nicht bestritten werden, hätte die Bruttogewinnmarge für Restaurantbetriebe 70 % betragen, doch berücksichtigte die ESTV zugunsten der Beschwerdeführer die Besonderheiten der von ihnen geführten Gaststätten (Pizzeria, die auch traditionelle Küche anbot, Restaurant in einem Tennis Center), was eine tiefere Marge rechtfertige. 
 
5.2 Das Bundesgericht ist an eine Ermessenseinschätzung gebunden, wenn sie auf einer richtigen und vollständigen Tatbestandsermittlung und auf einer sachgemässen Abwägung der Gesamtheit der für die Veranlagung massgebenden Verhältnisse beruht. Es prüft derartige Schätzungen nur mit Zurückhaltung auf offensichtliche Fehler und Irrtümer hin, wobei es dem Steuerpflichtigen obliegt, die Unrichtigkeit der Schätzung zu beweisen. Der Beschwerdeführer darf sich somit nicht darauf beschränken, die Kalkulationsgrundlagen der Ermessensveranlagung allgemein zu kritisieren; er muss vielmehr nachweisen, dass die von der ESTV vorgenommene Schätzung offensichtlich falsch ist (vgl. etwa Urteil 2A.437/2005 vom 3. Mai 2006, E. 3.3, in StR 61/2006 S. 819; Urteil 2A.109/2005 vom 10. März 2006 E. 2.3 in StR 61/2006 S. 558). Das ist hier nicht der Fall: 
 
5.3 Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz habe nicht berücksichtigt, dass der ungenügende Bruttogewinn auch andere Ursachen hätte haben können als die (von der ESTV unterstellte) unzureichende Erfassung der Einnahmen. Selbst wenn dies zutreffen sollte, würde dies indessen nicht ausreichen, um die Schätzung als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Soweit sich die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf den festgestellten Umsatzrückgang, die angeblich schlechten persönlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen und die schliesslich erfolgte Geschäftsaufgabe berufen, hat schon die Vorinstanz zu Recht darauf hingewiesen, dass sich diese Faktoren bereits im tatsächlichen Warenaufwand widerspiegeln, der der Umsatzschätzung der ESTV zugrundeliegt. Der Umsatzrückgang bietet jedenfalls keinen Beweis dafür, dass die Annahme einer Bruttogewinnmarge von 68 % schlechthin unhaltbar ist. Den Beweis dafür, dass ihre Preise tiefer gewesen seien als diejenigen vergleichbarer Betriebe, was für eine tiefere Bruttogewinnmarge sprechen würde, konnten die Beschwerdeführer nicht erbringen. Die Vorinstanz hat dazu ausgeführt, aus den von den Beschwerdeführern vorgelegten Belegen lasse sich nur ableiten, dass die Beschwerdeführer im Jahre 2000 zwar ein sehr günstiges, einfaches Menu über Mittag angeboten hätten, dass sich ihre Preisstruktur im übrigen aber von den anderen Betrieben nicht wesentlich unterschieden habe. Aus den Belegen gehe nicht hervor, wie oft sie dieses günstigste Menu verkauft hätten; über die von den Beschwerdeführern verfolgte Preisstruktur für Essen und Getränke am Abend fänden sich überhaupt keine Belege. Was sodann die Getränkepreise anbetreffe, hätten den allenfalls günstigen Preisen für Bier und Kaffee höhere Preise für Wein, Mineralwasser und Spirituosen gegenübergestanden. Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, erschöpft sich in einer allgemeinen Kritik, die zum Nachweis der offensichtlichen Unrichtigkeit der Schätzung nicht ausreicht. 
 
Was die beantragte Einvernahme des Revisors am Ergebnis hätte ändern können, ist nicht ersichtlich, zumal es gerade dieser war, der die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. April 2004 aufgefordert hatte, eine Erklärung für die ungenügenden Bruttogewinne zu liefern, und der die Ergänzungsabrechnungen unterzeichnet hatte. Abgesehen davon, dass der Zeugenbeweis im Steuerverfahren nur ausnahmsweise zulässig ist, scheinen die Beschwerdeführer zu verkennen, dass es ihnen oblag, den Nachweis der Unrichtigkeit der Ermessenstaxation zu erbringen (Urteil 2A.437/2005 vom 3. Mai 2006, E. 3.3, in StR 61/2006 S. 819). Es liegt aber auf der Hand, dass die Einvernahme des Revisors kein geeignetes Mittel darstellt, um diesen Nachweis zu erbringen. Ohnehin war es nicht Aufgabe der ESTV, nach den Ursachen der ungenügenden Bruttogewinnmarge zu fahnden. 
 
Schliesslich können die Beschwerdeführer auch daraus, dass die mit dem Hotelbetrieb im gleichen Haus realisierten Umsätze bzw. der damit verbundene Warenaufwand ebenfalls in die Hochrechnung einbezogen wurden, nichts ableiten. Nach den Feststellungen der ESTV, die von den Beschwerdeführern nicht widerlegt werden konnten, wurden dem Hotelbetrieb marktgerechte Preise in Rechnung gestellt. Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb diese Umsätze bei der Schätzung nicht in gleicher Weise hätten berücksichtigt werden sollen wie die im Restaurant selber erzielten, zumal sich der entsprechende Warenaufwand gar nicht ausscheiden liesse. Dass diese Bezüge nicht bar bezahlt wurden, lässt die gewählte Schätzungsmethode nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen. Den Besonderheiten des Betriebs "T.________", auf den nur ein geringer Teil des Umsatzes entfiel, hat die ESTV insofern Rechnung getragen, dass sie insgesamt von einer gegenüber den Erfahrungszahlen reduzierten Bruttogewinnmarge von 68 % ausgegangen ist. Dass die Marge in diesem Betrieb effektiv tiefer war, haben die Beschwerdeführer im übrigen nicht nachgewiesen. 
 
6. 
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. 
 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Kosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen; sie haften hierfür solidarisch (Art. 65 sowie 66 Abs. 1 und 5 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 30. Juli 2008 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Merkli Wyssmann