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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_608/2021  
 
 
Urteil vom 30. November 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit Graubünden, 
Hofgraben 5, 7001 Chur, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren, unentgeltliche Rechtspflege, Rechtsverzögerung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 29. Oktober 2021 (SK1 21 47). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 17. September 2020 bestrafte die Justizvollzugsanstalt B.________ (JVA) A.________ disziplinarisch mit vier Tagen Zelleneinschluss unter gleichzeitigem Entzug des Zugriffs auf das Multimediagerät und einer Busse von 60 Franken. Die von A.________ dagegen erhobenen Beschwerden wurden nacheinander von der Direktorin der JVA, dem Amt für Justizvollzug und dem Departement für Sicherheit und Gesundheit Graubünden (DJSG; Verfügung vom 23. Juni 2021) abgewiesen. 
Am 29. Oktober 2021 ist das Kantonsgericht auf die von A.________ gegen die Verfügung des Departementes erhobene Berufung nicht eingetreten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wies es ab. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 8. November 2021 erhebt A.________ Beschwerde mit den (sinngemässen) Anträgen, den Beschluss des Kantonsgerichts aufzuheben und es anzuweisen, auf die Berufung einzutreten, die Kosten des Berufungsverfahrens "zu streichen" oder allenfalls zu reduzieren, ihm unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und festzustellen, dass das DJSG Rechtsverzögerung "betrieben" habe. 
 
C.  
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit dem das Kantonsgericht auf eine "Berufung" gegen eine Disziplinarmassnahme, welche die JVA gegen einen sich in Sicherheitshaft befindlichen Gefangenen verhängt hatte, nicht eingetreten ist. Dagegen steht die Beschwerde ans Bundesgericht offen. Es ist allerdings Sache des Beschwerdeführers, sowohl darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, soweit das nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1; 353 E. 1), als auch, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.; je mit Hinweisen). 
 
2.  
 
2.1. Das Kantonsgericht hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, nach Art. 48 des kantonalen Justizvollzugsgesetzes (JVG) könne gegen Beschwerdeentscheide des Departementes Berufung ans Kantonsgericht erhoben werden. 2009, als die Bestimmung erlassen worden sei, habe noch die kantonale Strafprozessordnung in Kraft gestanden, womit eine Berufung nach kantonalem Prozessrecht zulässig gewesen sei. Nach dem Inkrafttreten der Eidgenössischen Strafprozessordnung sei nunmehr deren Regelung über das Berufungsverfahren als kantonales Verfahrensrecht analog anwendbar. Nach Art. 385 Abs. 1 StPO sei in der Berufungsbegründung genau anzugeben, welche Punkte des Entscheides angefochten würden, welche Punkte einen anderen Entscheid nahe legen würden und welche Beweismittel angerufen würden. Seien die Anforderungen nicht erfüllt, sei der Partei eine Nachfrist zur Verbesserung der Berufung anzusetzen; davon könne indessen abgesehen werden, wenn die Partei eine bewusst mangelhafte Eingabe gemacht habe. Vorliegend wiederhole der Berufungskläger lediglich die bereits vor der Vorinstanz eingebrachten Anträge und setze sich mit deren Erwägungen nicht auseinander. Das genüge den Begründungsanforderungen nicht. Diese seien dem Berufungskläger aus früheren Verfahren bekannt gewesen, weshalb auf die Berufung ohne Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung der Eingabe nicht einzutreten sei. Ohnehin nicht einzutreten sei zudem auf die Anträge - z.B. denjenigen auf Haftentlassung -, die nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheids gewesen seien.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, im Beschluss vom 2. Juli 2021, mit welchem das Kantonsgericht die Durchführung des schriftlichen Verfahrens angeordnet habe, habe es sich die Anordnung einer mündlichen Hauptverhandlung nach Art. 390 Abs. 5 StPO vorbehalten. Er habe damit nach Treu und Glauben davon ausgehen können, dass er seine Berufung vor Schranken noch weiter begründen und offene Fragen klären könne; er habe denn auch in seiner Eingabe vom 14. Juli 2021 ans Kantonsgericht deutlich gemacht, dass er eine öffentliche Verhandlung in Anwesenheit von Journalisten begrüssen würde.  
 
2.3. Mit der Formulierung, es behalte sich die Durchführung einer Berufungsverhandlung vor, hat das Kantonsgericht nur zum Ausdruck gebracht, dass es, wenn die Entwicklung des Verfahrens dies erfordern sollte, eine solche durchführen würde. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann dies nicht als Zusicherung verstanden werden, dass es dies in jedem Fall tun würde. Das ist indessen für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend. Die Berufungsverhandlung dient nämlich keineswegs dazu, eine den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht entsprechende Berufungsschrift zu verbessern. Das ist schon deswegen ausgeschlossen, weil diese erst nach Ablauf der für die Anmeldung und Begründung der Berufung geltenden Fristen durchgeführt wird. Es ist daher unerheblich, ob der Beschwerdeführer gestützt auf die Verfügung vom 2. Juli 2021 darauf vertrauen durfte, dass das Kantonsgericht eine Hauptverhandlung durchführen werde. Ist eine Berufung wegen mangelhafter Begründung im Sinne von Art. 398 StPO unzulässig, kann das Gericht auf Antrag der Verfahrensleitung im schriftlichen Verfahren darauf nicht eintreten. Der angefochtene Entscheid des Kantonsgerichts verletzt insofern kein Bundesrecht.  
 
2.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Kantonsgericht hätte ihm die Kosten des Berufungsverfahrens nicht oder jedenfalls nur in einem stark reduzierten Umfang auferlegen dürfen. Dies, weil das DJSG seinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege teilweise anerkannt habe.  
Über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege hat indessen jede Rechtsmittelinstanz für das bei ihr hängige Verfahren selber zu befinden. Das Kantonsgericht hat das Gesuch abgewiesen mit der Begründung, die Berufung sei aussichtslos. Dies kritisiert der Beschwerdeführer nicht substantiiert. Wie sich aus dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens ergibt, ist diese Einschätzung auch ohne Weiteres vertretbar. Die Auferlegung der Verfahrenskosten ist damit nicht zu beanstanden. 
 
3.  
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Auf die Erhebung von Kosten kann ausnahmsweise verzichtet werden, womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hinfällig wird. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. November 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi