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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.39/2006 /blb 
 
Urteil vom 31. März 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiberin Scholl. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Bohren, 
 
gegen 
 
Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 
1. Rekurskammer, Postfach 2265, 6431 Schwyz. 
 
Gegenstand 
Art. 9 und 29 BV (unentgeltliche Rechtspflege, Vergleich in Eheschutzverfahren), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, vom 13. Dezember 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Eheschutzverfahren zwischen X.________ und Y.________ stellte der Einzelrichter des Bezirks Schwyz im Rahmen der Hauptverhandlung vom 21. April 2005 fest, dass X.________ auf Grund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht in der Lage war, ein Eheschutzgesuch zu stellen und zu begründen. Daher wurde die Verhandlung vertagt, damit X.________ zur Wahrung ihrer Interessen einen Rechtsanwalt beiziehen konnte. 
Am 4. Mai 2005 stellte X.________ - nunmehr anwaltlich vertreten - diverse Anträge in Bezug auf das Getrenntleben. Zudem stellte sie den formellen Antrag, Y.________ sei zu verpflichten, ihrem Rechtsanwalt für das Eheschutzverfahren einen Honorar- und Auslagenvorschuss in der Höhe von einstweilen Fr. 3'000.-- zu bezahlen. Eventualiter sei ihr der von ihr beauftragte Rechtsanwalt als unentgeltlicher Rechtsbeistand beizustellen. 
Anlässlich der Hauptverhandlung vom 13. Juni 2005 schlossen die Ehegatten einen Vergleich über die Regelung des Getrenntlebens ab. In Bezug auf die Kosten wurde darin Folgendes vereinbart: "Die Gerichtskosten tragen die Ehegatten je zur Hälfte. Die ausserrechtlichen Kosten werden gegenseitig wettgeschlagen." 
Mit Verfügung vom 15. Juli 2005 genehmigte der Einzelrichter den Vergleich. Die Gerichtskosten legte er den Ehegatten unter solidarischer Haftung je zur Hälfte auf und schlug die ausserrechtlichen Kosten wett. Über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege enthielt dieser Entscheid keine Regelung. 
B. 
Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 bezog sich der Rechtsvertreter von X.________ auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vom 4. Mai 2005 und reichte seine Honorarnote ein. 
Daraufhin teilte ihm der Einzelrichter am 29. August 2005 mit, die Ehegatten hätten einen umfassenden Vergleich geschlossen, wobei sie auch die Kosten- und Entschädigungsfolgen einvernehmlich geregelt hätten. Der Antrag von X.________ um Prozesskostenbevorschussung sei folglich hinfällig geworden und damit auch der Eventualantrag um unentgeltliche Rechtspflege. Nach dem Verzicht auf schriftliche Urteilsbegründung sei der genehmigte Vergleich der Ehegatten am 15. Juli 2005 in Rechtskraft erwachsen und dem Rechtsanwalt könne deshalb keine Entschädigung ausgerichtet werden. Mit Schreiben vom 7. September 2005 bekräftigte der Einzelrichter seine Rechtsauffassung. 
C. 
Mit Eingabe vom 19. September 2005 gelangte X.________ gegen die Schreiben des Einzelrichters vom 29. August 2005 und vom 7. September 2005 mit Rekurs an das Kantonsgericht Schwyz. Sie beantragte, ihr sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und es sei ihr der von ihr beauftragte Rechtsanwalt als unentgeltlicher Rechtsbeistand beizustellen. 
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2005 trat das Kantonsgericht auf den Rekurs mangels Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht ein. 
D. 
X.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt im Wesentlichen die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Beschlusses. Strittig ist zur Hauptsache, ob das Kantonsgericht zu Recht nicht auf den Rekurs eingetreten ist und ob der Einzelrichter über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hätte befinden müssen. 
X.________ stellt zudem für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einschliesslich Verbeiständung. 
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Nach Art. 86 Abs. 1 OG ist eine staatsrechtliche Beschwerde nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Der Beschluss des Kantonsgerichts stellt einen solchen dar. Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügt, ist nur die staatsrechtliche Beschwerde möglich (Art. 84 Abs. 2 OG). 
2. 
Das Kantonsgericht hat erwogen, die Beschwerdeführerin mache eine Rechtsverweigerung geltend, weil über ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entschieden worden sei. Indes sei bei Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung Beschwerde (§ 67 GO/SZ) zu erheben und nicht Rekurs (§ 204 ZPO/SZ). Ein Rekurs sei nur gegen Erledigungsverfügungen zulässig und, vorbehältlich abweichenden Bundesrechts, nur wenn der Streitwert wenigstens Fr. 8'000.-- betrage oder unbestimmbar sei. Da es sich bei den beiden Schreiben des Einzelrichters vom 29. August 2005 und vom 7. September 2005 weder formell noch materiell um solche Erledigungsverfügungen handle, könne auf den Rekurs nicht eingetreten werden. Es stelle keinen überspitzten Formalismus dar, zuerst mit Beschwerde einen formellen Entscheid zu verlangen, gegen welchen dann Rekurs erhoben werden könne. 
Im Rahmen einer Eventualerwägung hat das Kantonsgericht weiter ausgeführt, selbst wenn man mit der Beschwerdeführerin davon ausgehe, dass mit der Unterzeichnung des Vergleichs das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht stillschweigend zurückgezogen worden sei und der Richter darüber hätte entscheiden müssen, hätte das Gesuch (materiell) abgewiesen werden müssen: Die unentgeltliche Rechtspflege sei subsidiär zur Prozesskostenvorschusspflicht der Ehegatten. Bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss handle es sich um eine Obliegenheit, deren Verletzung dazu führe, dass die unentgeltliche Rechtspflege verweigert werden könne. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin mit der Unterzeichnung des Vergleichs auf den Prozesskostenvorschuss verzichtet. Dies habe mit Blick auf die Subsidiarität der unentgeltlichen Rechtspflege eine Abweisung des entsprechenden Gesuchs zur Folge. 
3. 
Beinhaltet ein angefochtener Entscheid - wie hier - eine Haupt- und eine Eventualbegründung, so muss sich ein Beschwerdeführer mit beiden Erwägungen auseinandersetzen und bezüglich jeder hinreichend dartun, dass der Entscheid verfassungswidrig ist (BGE 119 Ia 13 E. 2 S. 16; 129 I 185 E. 1.6 S. 189). 
Diese Voraussetzung erfüllt die Beschwerdeführerin insbesondere in Bezug auf die Eventualbegründung nicht: Sie legt zwar ausführlich dar, weshalb es ihrer Meinung nach gegen Treu und Glauben verstösst, dass der Einzelrichter angenommen hat, der Verzicht auf den Prozesskostenvorschuss habe gleichzeitig auch den Rückzug bzw. das Dahinfallen des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege zur Folge. Dabei übersieht sie indes, dass das Kantonsgericht diese Frage offen gelassen hat, da es zum Schluss gelangt ist, das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege hätte ohnehin abgewiesen werden müssen. Mit den Erwägungen zur materiellen Unbegründetheit des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege - namentlich mit der Problematik der Subsidiarität - setzt sich die Beschwerdeführerin indes in ihrer Rechtsschrift nicht substantiiert auseinander und zeigt nicht auf, inwiefern die kantonsgerichtlichen Erwägungen in diesem Punkt gegen Verfassungsrecht verstossen. Damit kann mangels rechtsgenüglicher Begründung auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob es das Willkürverbot verletzt, wenn das Kantonsgericht zum Schluss gelangt ist, gegen die Schreiben des Einzelrichters sei der Rekurs nach § 204 ZPO/SZ nicht gegeben. 
4. 
Damit kann auf die staatsrechtliche Beschwerde insgesamt nicht eingetreten werden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). 
Die Beschwerdeführerin hat für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Diese ist einer Partei zu bewilligen, die bedürftig und deren Sache nicht aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1 OG). Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 125 II 265 E. 4b S. 275; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). 
Im vorliegenden Fall konnte auf die Beschwerde überhaupt nicht eingetreten werden. Damit haben die Verlustgefahren von vornherein überwogen, so dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerin wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz, 1. Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 31. März 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: