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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.173/2005 /bnm 
 
Urteil vom 31. Oktober 2005 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Advokatin Christina Reinhardt, Eisengasse 5, 4051 Basel, 
 
gegen 
 
Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt, Bäumleingasse 5, Postfach 964, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Lohnpfändung, 
 
SchKG-Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt vom 19. August 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 19. April 2005 verfügte das Betreibungsamt A.________ einen Lohnarrest von Fr. 550.-- pro Monat gegen Y.________. Dieser lebt mit seiner Frau und deren drei Kindern aus erster Ehe in B.________ (D) in einem ihm bzw. seiner Ehefrau gehörenden Haus. Das gemeinsame Existenzminimum setzte das Betreibungsamt auf Fr. 5'945.-- fest. 
B. 
Mit Beschwerde vom 2. Mai 2005 beantragte die Arrestgläubigerin X.________ die Erhöhung des Lohnarrestes auf Fr. 3'139.75 pro Monat. Mit Vernehmlassung vom 14. Juni 2005 beantragte das Betreibungsamt, in teilweiser Gutheissung der Beschwerde seien die schuldnerischen Wohnkosten mit Fr. 2'086.55 statt Fr. 2'154.75 zu berücksichtigen. 
 
Mit Entscheid vom 27. Juni 2005 bzw. 19. August 2005 (Rektifikat) wies die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt A.________ das Betreibungsamt an, die Wohnkosten mit Fr. 2'086.55 statt Fr. 2'154.75 zu berücksichtigen sowie die Amortisationskosten festzustellen und davon in Abzug zu bringen und die Unterhaltseinnahmen für die Stiefkinder V.________ und W.________ abzuklären und gegebenenfalls in der Berechnung einzusetzen. 
C. 
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 1. September 2005 Beschwerde erhoben mit dem Begehren, im schuldnerischen Existenzminimum seien die Ehefrau und die Stiefkinder ausser Acht zu lassen, und es seien lediglich ein reduzierter Grundbetrag von Fr. 697.50, reduzierte Wohnkosten von Fr. 600.--, die durchschnittliche kantonale Grundversicherungsprämie von Fr. 389.-- sowie reduzierte Mobilitätskosten von Fr. 82.50 anzurechnen und eine Lohnquote von Fr. 3'031.-- pro Monat zu pfänden. Eventualiter seien die Wohnnebenkosten auf Fr. 100.--, die Krankenkasse auf Fr. 389.-- und die Autokosten des Schuldners auf Fr. 82.50 zu reduzieren sowie diejenigen der Ehefrau, die beidseitigen Verpflegungs-, die Kinderbetreuungs- und die Schulbuskosten zu streichen; diesfalls sei das Betreibungsamt zudem anzuweisen, vom Schuldner Auskunft und vollständige Belege über seine gesamte wirtschaftliche Situation (Einkommens- und Vermögensverhältnisse betreffend Schuldner, Ehefrau und Stiefkinder) zu verlangen und mit diesen Angaben eine neue Pfändung vorzunehmen. Ausserdem ersucht die Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
Die Beschwerde erschöpft sich weitestgehend in Kritik an der kantonalen Beweiserhebung und Sachverhaltsfeststellung. 
1.1 Die Beweiserhebung wird entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin weder von den Art. 89 ff. noch von Art. 278 SchKG geregelt. Für das Beschwerdeverfahren nach Art. 17 SchKG gilt im Rahmen von Art. 20a SchKG vielmehr das kantonale Verfahrensrecht (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., Bern 2003, § 6 N. 50), dessen allfällige willkürliche Anwendung mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen wäre (Art. 43 Abs. 1 i.V.m. Art. 81 und Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). 
 
Ebenso wenig kann im Zusammenhang mit der Beweiserhebung eine Verletzung von Art. 8 ZGB zur Diskussion stehen. Diese Bestimmung regelt im Bereich des Bundesprivatrechts zunächst die Verteilung der Beweislast. Sodann leitet das Bundesgericht aus Art. 8 ZGB als Korrelat zur Beweislast das Recht der beweisbelasteten Partei ab, zum ihr obliegenden Beweis zugelassen zu werden (BGE 126 III 315 E. 4a S. 317). Art. 8 ZGB schreibt dem Sachgericht indes nicht vor, mit welchen Mitteln der Sachverhalt abzuklären ist oder wie die Beweise zu würdigen sind (BGE 122 III 219 E. 3c S. 223). 
1.2 Soweit die Beschwerdeführerin die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen kritisiert und eigene Tatsachenbehauptungen erhebt, übersieht sie, dass das Bundesgericht im Beschwerdeverfahren an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde gebunden ist und diese mit Beschwerde nach Art. 19 SchKG nicht in Frage gestellt werden können (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG; BGE 119 III 54 E. 2b S. 55; 124 III 286 E. 3b S. 288). Eine allfällige willkürliche Sachverhaltsfeststellung oder Beweiswürdigung wäre mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen (Art. 43 Abs. 1 i.V.m. Art. 81 und Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Dies gilt insbesondere für die Vorbringen bezüglich der Einkommenssituation des Schuldners und dessen Ehefrau, des Unterhaltsbeitrages für die Stieftochter U.________, der Wohnnebenkosten, der Kosten für auswärtige Verpflegung, der Kinderbetreuungskosten über Mittag und des Schulbusses. 
1.3 Die Rüge, bei familienrechtlichen Forderungen dürfe in das schuldnerische Existenzminimum eingegriffen werden (vgl. BGE 116 III 10; 123 III 332), scheitert an der vorinstanzlichen Haupterwägung, es sei weder vorgebracht noch ersichtlich, dass es sich um solche Forderungen handle, was wiederum den für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt betrifft. Neue Begehren, Tatsachen, Bestreitungen und Beweismittel kann vor Bundesgericht nur anbringen, wer dazu im kantonalen Verfahren keine Gelegenheit hatte (Art. 79 Abs. 1 OG), was vorliegend nicht der Fall ist. 
2. 
Im Gegensatz zur Sachverhaltskritik sind rechtliche Vorbringen im Beschwerdeverfahren nach Art. 19 Abs. 1 SchKG grundsätzlich zulässig. 
2.1 In dieser Hinsicht übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, dass dem Bundesgericht keine volle Kognition zusteht; vielmehr kann es einzig bei Rechtsverletzungen und Ermessensmissbrauch einschreiten (vgl. Art. 19 Abs. 1 OG), wozu auch gehört, dass nicht sachfremde Kriterien berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen werden dürfen (BGE 128 III 337 E. 3a). 
 
Für die Lohnpfändung räumt Art. 93 Abs. 1 SchKG den kantonalen Instanzen einen weiten Ermessensspielraum ein. Dass diese die deutsche Krankenversicherung anerkannt und nicht hypothetisch die Prämien einer schweizerischen Krankenkasse eingesetzt haben - die nach Darstellung der Beschwerdeführerin billiger und für einen Grenzgänger auch möglich sein soll -, stellt typische Ermessensausübung dar, die mit Beschwerde gemäss Art. 19 Abs. 1 SchKG nicht beanstandet werden kann. Gleiches gilt für die kantonalen Erwägungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsweg, wonach der Schuldner wegen der Verkehrsverhältnisse nicht immer die kürzeste Strecke fahren könne und von einem durchschnittlichen Benzinverbrauch von 10 Litern pro 100 Kilometer auszugehen sei. Solche Annahmen können ebenso wenig Ermessensmissbrauch darstellen wie die Selbstverständlichkeit, dass Motorfahrzeugsteuern und Serviceleistungen anfallen. Was schliesslich die Autokosten der Ehefrau anbelangt, hat die kantonale Aufsichtsbehörde erwogen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln würde der Weg zur Arbeit zwischen 1 Std. 20 Min. und 1 Std. 54 Min. dauern, was einer Mutter von drei Kindern nicht zuzumuten sei. Mit diesem Argument setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, weshalb der behauptete Ermessensmissbrauch unsubstanziiert bleibt. 
2.2 Die Beschwerdeführerin bringt schliesslich vor, in Kenntnis, dass dies gegen die bundesgerichtliche Praxis sei, habe sie eine Berechnung des Existenzbedarfs des Schuldners ohne dessen Frau und die Stiefkinder verlangt, weil es nicht um eine umfassende Pfändung eines in der Schweiz, sondern um den Lohnarrest eines im Ausland wohnhaften Schuldners gehe. 
 
Soweit sich die betreffenden Ausführungen überhaupt als Rügen im eigentlichen Sinn auffassen lassen - immerhin spiegeln sie sich im Rechtsbegehren -, ist auf Art. 93 Abs. 1 SchKG zu verweisen, wonach das Einkommen nur insoweit gepfändet werden kann, als es für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig ist, wobei zur Familie auch Stiefkinder gehören (BGE 46 III 55; vgl. sodann Art. 278 Abs. 2 ZGB). Wie die kantonale Aufsichtsbehörde richtig erkannt hat, wird Art. 93 Abs. 1 SchKG bei Ehegatten mit einer Quotenausscheidung umgesetzt (BGE 114 III 12 E. 3 S. 16; 116 III 75 E. 2a S. 77 f.), weil diese einander ex lege Beistand, namentlich auch in finanzieller Hinsicht, schulden (vgl. Art. 159 Abs. 3 und Art. 163 Abs. 1 ZGB). Sodann findet die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Konkubinat (vgl. BGE 128 III 159 E. 3b; 130 III 765 E. 2.2 S. 767), auf welche die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsbegehren sinngemäss zu zielen scheint, die sie in ihrer Begründung aber unerwähnt lässt, auf Ehepaare keine Anwendung. 
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ändert am Dargelegten auch der Umstand nichts, dass der Schuldner im Ausland wohnt und es sich um einen Lohnarrest handelt. Gemäss Art. 275 SchKG wird der Arrest in der Form und nach den Regeln der Pfändung vollzogen. Steht ein Lohnarrest bzw. eine Lohnpfändung gegen einen verheirateten Schuldner zur Diskussion, findet der Grundsatz der Quotenausscheidung unbekümmert um dessen Nationalität oder Wohnsitz Anwendung, zumal uneingeschränkt das Verfahrensrecht des Arrestortes gilt (vgl. Vonder Mühll, in: Basler Kommentar, N. 19 zu Art. 93 SchKG). Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich argumentiert, der Einbezug der schuldnerischen Familie laufe auf eine Verweigerung der Vollstreckung des deutschen Scheidungsurteils hinaus, wendet sie sich wiederum gegen die verbindlichen kantonalen Sachverhaltsfeststellungen und blendet im Übrigen aus, dass ein materielles Urteil immer nur im Rahmen der einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Normen durchgesetzt werden kann. 
3. 
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege fehlt (Art. 152 Abs. 1 OG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. Das Beschwerdeverfahren selbst ist kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG). 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner, dem Betreibungsamt A.________ und der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 31. Oktober 2005 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: