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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.237/2005 /zga 
 
Urteil vom 2. Februar 2006 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterinnen Klett, Kiss, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Parteien 
X.________ GmbH, 
Gesuchstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Martin J. Lutz, 
 
gegen 
 
Y.________ Ltd., 
Gesuchsgegnerin, vertreten durch Herrn 
Daniel Hochstrasser und Frau Dr. Eva Borla-Geier, Rechtsanwälte, 
Schiedsgericht Zürcher Handelskammer. 
 
Gegenstand 
Internationales Schiedsverfahren; Revision des Vorentscheids des Schiedsgerichts der Zürcher Handelskammer vom 30. April 2002, 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 30. April 2002 fällte das Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer, zusammengesetzt aus den Herren Dr. A.________ (Präsident), Dr. B.________ und C.________, in der Streitsache zwischen X.________ GmbH (Gesuchstellerin) gegen Y.________ Ltd. (Gesuchsgegnerin) einen Vorentscheid (Preliminary Award), in welchem es festhielt, dass die Beendigung des ILA (International License Agreement) durch die Gesuchstellerin ungültig sei und diese deshalb der Gesuchsgegnerin Schadenersatz schulde, wobei jedoch der Gesuchsgegnerin ein Selbstverschulden vorzuwerfen sei. Im Vorentscheid wurde weiter vermerkt, über die Höhe der entsprechenden Forderungen und Gegenforderungen werde im zweiten Teil des Schiedsverfahrens entschieden werden. 
B. 
Mit Revisionsgesuch vom 8. September 2005 beantragt die Gesuchstellerin, der Vorentscheid (Preliminary Award) des Schiedsgerichts im Schiedsverfahren ZHK Nr. 362 vom 30. April 2002 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Am 20. Oktober 2005 reichte sie eine Gesuchsergänzung ein. 
 
Sie ruft den Revisionsgrund von Art. 137 lit. b OG an und macht geltend, dass hochrangige Arbeitnehmer der Gesuchsgegnerin bzw. ihrer Tochtergesellschaften insbesondere in Deutschland systematisch illegale Vertriebsmethoden angewendet und Ärzte und Spitäler zu derartigen illegalen Vertriebsmethoden angestiftet hätten, in erster Linie mit dem Ziel, den Verkauf ihres eigenen Bluthochdruckmittels W.________ zum Nachteil des Lizenzprodukts V.________ zu fördern. Erheblich sei auch die Tatsache, dass die Vertreterin der Gesuchsgegnerin überdies zur Verbreitung des Vertragsprodukts (V.________) kriminelle Methoden angewendet habe. Dazu lägen nun als neue entscheidende Beweismittel Strafurteile für Deutschland vor, während die Verfahren in Italien offensichtlich noch hängig seien. Die von der Gesuchsgegnerin bzw. der für sie handelnden Tochtergesellschaft in Deutschland und ihren Angestellten begangenen Straftaten wögen so schwer, dass das Schiedsgericht die Gültigkeit der Kündigung bei Kenntnis dieser Straftaten anders beurteilt hätte - für sich allein wie auch in Kombination mit den übrigen Vertragsverletzungen. 
 
Die Gesuchsgegnerin beantragt, auf das Revisionsgesuch sei nicht einzutreten, eventualiter sei es abzuweisen. 
 
Das Schiedsgericht verzichtet unter Hinweis auf die Stellungnahme vom 10. Oktober 2005 zu den prozessualen Anträgen der Gesuchstellerin auf eine weitere Vernehmlassung. 
C. 
Mit Verfügung vom 7. November 2005 wurde der Antrag der Gesuchstellerin um Anordnung vorsorglicher Massnahmen bzw. Sistierung des Schiedsverfahrens abgewiesen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit Schreiben vom 25. Januar 2006 ersuchte die Gesuchstellerin um Zustellung der Gesuchsantwortbeilagen zur Einsichtnahme. Diesem Gesuch kann entsprochen werden. 
2. 
Das IPRG enthält keine Bestimmungen über die Revision von Schiedsentscheiden im Sinne von Art. 176 ff. IPRG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, das diese Gesetzeslücke gefüllt hat, stellt das Bundesrecht den Parteien eines internationalen Schiedsgerichtsverfahrens das ausserordentliche Rechtsmittel der Revision zur Verfügung, für welches die Zuständigkeit des Bundesgerichts gegeben ist (BGE 118 II 199 E. 3; vgl. auch BGE 129 III 727 E. 1 S. 729). Die Revisionsgründe sind diejenigen, die in Art. 137 OG vorgesehen sind, und auf das Verfahren finden die Art. 140-143 OG analog Anwendung (BGE 118 II 199 E. 4; 4P.120/2002 vom 3. September 2002 E. 1.1, Pra 2002 Nr. 199 S. 1041). Das Bundesgericht ist für die Revision aller internationalen Schiedsgerichtsentscheide zuständig, handle es sich um Endentscheide, Teilentscheide oder Zwischenentscheide (BGE 122 III 492; Bernard Corboz, Le recours au Tribunal fédéral en matière d'arbitrage international, SJ 2002 II S. 1 ff., S. 8). Heisst das Bundesgericht ein Revisionsgesuch gut, entscheidet es nicht selbst über die Sache, sondern weist diese an das Schiedsgericht, das entschieden hat, oder an ein neu zu bildendes Schiedsgericht zurück (4P.117/2003 vom 16. Oktober 2003 E. 1.1). 
3. 
Zu prüfen ist, ob es sich beim angefochtenen Preliminary Award des Schiedsgerichts vom 30. April 2002 um einen revisionsfähigen Entscheid handelt, was die Gesuchsgegnerin bestreitet. 
3.1 Auch im Schiedsverfahren lassen sich Endentscheide, Teilentscheide sowie Vor- oder Zwischenentscheide unterscheiden. Der (vollständige) Endentscheid, mit dem das Schiedsgericht die Klage ganz oder teilweise gutheisst, abweist oder darauf nicht eintritt, beendet das Verfahren vor dem Schiedsgericht und schliesst die Instanz ab. Das Teilurteil schliesst das Schiedsverfahren für einen quantitativen Teil des Streitgegenstandes ab, indem es einzelne streitige Ansprüche vorweg umfassend beurteilt und das Verfahren über die andern vorerst aussetzt. Vor- oder Zwischenentscheide beenden den Prozess weder über alle noch über einzelne der eingeklagten Ansprüche, sondern klären eine Vorfrage, die entweder einen prozessualen (z.B. die Zuständigkeit des Schiedsgerichts) oder einen materiellrechtlichen Präjudizialstandpunkt (z.B. die Verjährung oder den Grundsatz der Schuld) betrifft, ohne dass durch diese Klärung das Verfahren beendet wird. Diese Vor- oder Zwischenentscheide beziehen sich auf einen qualitativen Teil des Streitgegenstandes (einlässlich BGE 130 III 76 E. 3.1 mit Hinweisen). 
 
Beim vorliegend angefochtenen Preliminary Award des Schiedsgerichts vom 30. April 2002 handelt es sich um einen Vorentscheid, hat doch das Schiedsgericht über die Vorfrage der Gültigkeit der Kündigung des ILA durch die Gesuchstellerin und damit über den Grundsatz der Schadenersatzpflicht der Gesuchstellerin gegenüber der Gesuchsgegnerin entschieden. 
3.2 In BGE 122 III 492 hielt das Bundesgericht fest, dass grundsätzlich alle internationalen Schiedsurteile, seien es End-, Teil- oder Zwischenentscheide der Revision unterliegen, und dass das Bundesgericht für die Beurteilung solcher Revisionsgesuche zuständig sei. Auf Zwischenentscheide trifft dies indessen nur soweit zu, als sie für das Schiedsgericht bindend sind, also etwa namentlich nicht auf prozessleitende Verfügungen (BGE 122 III 492 E. 1 b/bb S. 494). Das Erfordernis, dass der Entscheid bindend sein muss, deckt sich mit dem Grundsatz, dass nur rechtskräftige Entscheide der Revision zugänglich sind (Elisabeth Escher, Revision und Erläuterung, in: Geiser/Münch [Hrsg.], Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1998, S. 271 Rz. 8.1; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. V, Bern 1992, N. 2.2 der Vorbemerkungen zum Siebenten Titel des OG S. 6; Rhinow/Koller/Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Rz. 634). 
 
Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Zwar wird im angefochtenen Preliminary Award über die Fragen der Gültigkeit der Kündigung des ILA und des Grundsatzes der Schadenersatzpflicht der Gesuchstellerin formell ein Entscheid getroffen (zur grundsätzlichen Verbindlichkeit eines solchen Vorentscheids: BGE 128 III 191 E. 4a mit Hinweisen). Indessen weist das Schiedsgericht in seiner Vernehmlassung vom 10. Oktober 2005 zutreffend darauf hin, dass es bereits im Preliminary Award selber (Randziffer 289 f.) seine Bereitschaft erklärt habe, das "Nachschieben von Kündigungsgründen" zu akzeptieren, wobei das Gericht in den entsprechenden Erwägungen des Awards nicht näher präzisiert hatte, bis zu welchem Stadium des Schiedsverfahrens neue Vorbringen zur nachträglichen Stützung der ausgesprochenen Kündigung zulässig seien. Wie das Schiedsgericht in seiner Vernehmlassung weiter aufzeigt, hat es sich dazu indessen in etlichen, nach dem Preliminary Award ergangenen Verfügungen (z.B. Nr. 17 vom 22. Januar 2003 und Nr. 34 vom 4. Februar 2005) präzisierend in dem Sinne geäussert, dass es bereit sei, nachgeschobene Kündigungsgründe im Rahmen des Schlussurteils zu würdigen und demnach entsprechende Vorbringen bis vor dessen Erlass zuzulassen. In der Tat brachte es diese Bereitschaft verschiedentlich deutlich zum Ausdruck: 
- So führte es beispielsweise in der Verfügung Nr. 17 vom 22. Januar 2003 aus, es sei bereit, die faktischen und rechtlichen Fragen zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu überprüfen, vorausgesetzt, dass weitere stichhaltige Beweise eingereicht würden, unter weiterer Berücksichtigung der von den Parteien eingereichten Eingaben (Randziffer 2). Es erwarte, dass die Parteien im weiteren Verfahren weitere Beweise einreichten, sollte die Gesuchstellerin ihren Antrag aufrechterhalten, die Gültigkeit der Kündigung des ILA angesichts der dargestellten Fakten noch einmal zu überprüfen (Randziffer 9). 
- Mit Verfügung Nr. 18 vom 24. März 2003 auferlegte es der Gesuchsgegnerin die Pflicht, Unterlagen zu den Strafuntersuchungen in Deutschland einzureichen (Randziffer 33). 
- In der Verfügung Nr. 34 vom 4. Februar 2005 äusserte es unter anderem, eine Mehrheit des Schiedsgerichts sei besorgt, dass die Verurteilungen genügen könnten, die Situation in Deutschland anders als zuvor zu beurteilen. (...) es bestehe zumindest eine Möglichkeit, dass die Gesuchstellerin in einer gewissen Phase nach deutschem Recht befugt gewesen sei, die deutsche Co-Promotionsvereinbarung vor dem Ablaufdatum zu kündigen, nachdem sie Kenntnis von den Fakten erlangt habe, die zu den Verurteilungen geführt hätten (Randziffer 2). 
- Mit Verfügung Nr. 37 vom 13. Juli 2005 verpflichtete es die Gesuchsgegnerin, über den neuesten Stand der Strafverfahren sowohl in Deutschland als auch in Italien zu informieren (Randziffer 11). 
Aus den Erwägungen in Rz. 289 f. des angefochtenen Entscheids vom 30. April 2002 und aus diesen Verfügungen sowie der ausdrücklichen Erklärung des Schiedsgerichts in seiner Vernehmlassung vom 10. Oktober 2005 geht klar hervor, dass das Schiedsgericht bereit ist, die von der Gesuchstellerin geltend gemachten strafbaren Handlungen und die diesbezüglichen Beweismittel im Rahmen des Endentscheides zu berücksichtigen und in diesem Lichte die Gültigkeit der Kündigung des ILA noch einmal zu überprüfen. 
 
Danach ist der angefochtene Preliminary Award des Schiedsgerichts vom 30. April 2002, mit dem über die Fragen der Gültigkeit der Kündigung des ILA und über die grundsätzliche Schadenersatzpflicht der Gesuchstellerin befunden wurde, jedenfalls soweit nicht als endgültiger und bindender Entscheid zu verstehen, als er grundsätzlich noch durch "nachgeschobene Kündigungsgründe" in Frage gestellt werden kann. Er erweist sich demnach als nicht revisionsfähig. 
4. 
Auf das Revisionsgesuch ist nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Gesuchstellerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 50'000.- wird der Gesuchstellerin auferlegt. 
3. 
Die Gesuchstellerin hat die Gesuchsgegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 60'000.- zu entschädigen. 
4. 
Die Gesuchsantwortbeilagen werden der Gesuchstellerin mit dem begründeten Urteil zur Einsichtnahme zugestellt. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 2. Februar 2006 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: