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[AZA 7] 
I 396/00 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber 
Grünvogel 
 
Urteil vom 3. Juli 2001 
 
in Sachen 
S.________, 1964, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, 6000 Luzern, 
gegen 
IV-Stelle Nidwalden, Stansstaderstrasse 54, 6371 Stans, Beschwerdegegnerin, 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Stans 
 
A.- Mit Verfügung vom 21. Juli 1997 sprach die IV-Stelle Nidwalden im Wesentlichen gestützt auf eine Expertise des Dr. M.________, Spezialarzt für Neurologie, vom 20. Februar 1996 der 1964 geborenen S.________ mit Wirkung ab 1. März 1995 eine halbe Invalidenrente zu. Dabei setzte die IV-Stelle als Invalideneinkommen das von der Versicherten mit der verbliebenen Arbeitsfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen als selbstständige Fuss- und Handpflegerin ein. Im Rahmen des bereits vor Erlass der Verfügung vom 21. Juli 1997 angekündigten Revisionsverfahrens holte die IV-Stelle bei Prof. Dr. phil. P.________, Neuropsychologisches Institut, einen Bericht (vom 20. Dezember 1997) ein und liess S.________ vom verwaltungsinternen Berufsberater beruflich abklären. Am 15. Mai 1998 hob die IV-Stelle die bisher ausgerichtete halbe Rente mit Wirkung ab dem 
 
 
30. Juni 1998 revisionsweise auf. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden mit Entscheid vom 12. April 1999 (Versanddatum: 7. Juni 2000) ab. 
 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Verfügung vom 15. Mai 1998 sowie die Zusprechung einer halben Invalidenrente über den 1. Juli 1998 hinaus beantragen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Ent- scheid die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) und die Revision von Invalidenrenten bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Art. 41 IVG) richtig wiedergegeben. 
Darauf kann verwiesen werden. 
 
b) Zutreffend ist auch, dass gemäss Art. 87 Abs. 2 IVV eine Revision von Amtes wegen durchgeführt wird, wenn sie im Hinblick auf eine mögliche Änderung des Invaliditätsgrades bei der Festsetzung der Rente auf einen bestimmten Termin in Aussicht genommen worden ist oder wenn Tatsachen bekannt oder Massnahmen angeordnet werden, die eine erhebliche Änderung des Grades der Invalidität als möglich erscheinen lassen. Die Mitteilung des von der Verwaltung vorgesehenen Revisionszeitpunktes vor oder mit Erlass der ersten Rentenverfügung hat jedoch bloss verwaltungsinterne Bedeutung und berechtigt für sich allein noch nicht zur späteren Abänderung der (rechtskräftig) zugesprochenen Rente. 
Auch in diesen Fällen ist eine erhebliche Veränderung des Invaliditätsgrades Voraussetzung für eine Revision (BGE 99 V 104 Erw. 2 mit Hinweisen). Eine bloss unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhaltes stellt dabei praxisgemäss keine revisionsbegründende Änderung im Sinne von Art. 41 IVG dar (BGE 112 V 372 unten mit Hinweisen; SVR 1996 IV Nr. 70 S. 204 Erw. 3a mit Hinweisen). 
 
c) Der Revisionsordnung nach Art. 41 IVG geht der Grundsatz vor, dass die Verwaltung befugt ist, jederzeit von Amtes wegen auf eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hatte, zurückzukommen, wenn sich diese als zweifellos unrichtig erweist und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Unter diesen Voraussetzungen kann die Verwaltung eine Rentenverfügung auch dann abändern, wenn die Revisionsvoraussetzungen des Art. 41 IVG nicht erfüllt sind. Wird die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung erst vom Gericht festgestellt, so kann es die auf Art. 41 IVG gestützte Revisionsverfügung der Verwaltung mit dieser substituierten Begründung schützen (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweisen). Eine zweifellose Unrichtigkeit liegt vor, wenn die in Wiedererwägung zu ziehende Verfügung aufgrund falscher oder unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden. Sie dient damit der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung (unter Einschluss unrichtiger Feststellung im Sinne der Würdigung des Sachverhalts) (BGE 117 V 17, 115 V 314 Erw. 4a/cc). 
 
2.- a) Am 20. Februar 1996 stellte der Neurologe Dr. 
M.________ im Anschluss an eine im Januar 1996 klinisch, neuropsychologisch, elektroencephalographisch und radiologisch durchgeführte Untersuchung folgende Diagnose: Status nach zwei Verkehrsunfällen (26. März und 5. November 1994) mit HWS-Abknickverletzung sowie milder traumatischer Gehirnverletzung mit heute noch bestehendem leichtem bis mässigem Cervicalsyndrom, leichtem bis mässigem cervicocephalem Syndrom, leichten kognitiven Störungen sowie selten Attacken einer Migraine accompagné. Die damals aktuelle Arbeitsfähigkeit schätzte er in der von der Versicherten ausgeübten Tätigkeit als selbstständige Inhaberin eines Pediküre-/Maniküre-Salons mit begleitetem Solarium auf maximal 70 % der Norm ein. Von einer weiteren Behandlung durch einen neuropsychologisch geschulten Psychologen versprach sich der Experte sodann eine weitere Besserung der Unfallfolgen. Noch vor Erlass der Rentenverfügung (21. Juli 1997) orientierte die Versicherte den Berufsberater der IV-Stelle zunächst telefonisch am 18. Juni 1997 und danach beim anschliessenden Beratungsgespräch vom 10. Juli 1997 darüber, dass der Gesundheitszustand von ärztlicher Seite nunmehr als stationär bezeichnet werde, wobei der Restarbeitsfähigkeitsgrad in der ausgeübten Tätigkeit auf 60 % bis 70 % eingeschätzt würde. 
 
 
b) Das nach der Zusprechung der halben Rente eingeholte neuropsychologische Gutachten des Prof. P.________ vom 20. Dezember 1997 schloss auf das Fehlen einer namhaften Verbesserung seit Januar 1996 des zwischenzeitig stabilisierten Gesundheitszustandes. Gleichzeitig bezeichnete Prof. P.________ die Versicherte in ihrer selbstständigen Tätigkeit als zu 40 % (30 % aus neuropsychologischer Sicht; 10 % wegen der körperlichen Beschwerden) eingeschränkt. Der vom Berufsberater im August und September 1997 durchgeführte Neigungs-Struktur-Test ergab eine Einsetzbarkeit der Versicherten im Büro, im Verkauf oder im organisatorischen Bereich. 
 
 
c) Angesichts dieser Umstände verbietet sich die Annahme, dass seit 21. Juli 1997 (Zusprechung der halben Rente) bis 15. Mai 1998 (Aufhebung der Rente) in gesundheitlicher oder erwerblicher Hinsicht unter dem Gesichtswinkel von Art. 41 IVG eine beachtliche Veränderung des Zustandes eingetreten ist. Dies nicht zuletzt, weil sich der Gesundheitszustand bereits vor Erlass der ersten Rentenverfügung stabilisiert hatte und somit die Ausgangslage zur Beantwortung der Frage nach der Zumutbarkeit eines Berufswechsels der selbstständigen Versicherten in ein Angestelltenverhältnis als Sekretärin oder Verkäuferin seither unverändert ist, was von der IV-Stelle in ihrer vernehmlassungsweise vorgebrachten Argumentationskette übersehen wird. Soweit Prof. P.________ und Dr. M.________ in der Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit voneinander abweichen, liegt darin eine - unter revisionsrechtlichem Gesichtswinkel unerhebliche - abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen unveränderten Gesundheitszustandes (Erw. 1b hievor). 
 
d) Demnach bleibt darüber zu befinden, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Substitution der Begründung gegeben sind. Eine solche setzt, wie bereits ausgeführt (Erw. 1c hievor), voraus, dass eine Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. 
 
aa) Die Verfügung vom 21. Juli 1997 bildete unbestrittenermassen nicht Gegenstand richterlicher Überprüfung. 
 
bb) Nach der Rechtsprechung gilt im Gebiet des Sozialversicherungsrechts allgemein der Grundsatz der Schadenminderungspflicht (BGE 120 V 373 Erw. 6b, 117 V 278 Erw. 2b, 400, je mit Hinweisen; AHI 1998 S. 123 Erw. 3). 
Freilich dürfen von einer versicherten Person in diesem Zusammenhang keine realitätsfremden und in diesem Sinne unmöglichen oder unzumutbaren Vorkehren verlangt werden (SVR 1995 UV Nr. 35 S. 106 Erw. 5b mit Hinweisen). Ein Berufswechsel fällt vor allem bei jüngeren versicherten Personen in Betracht, die noch eine lange Aktivitätsperiode vor sich haben. Ganz allgemein ist bei der Frage, ob einer versicherten Person eine erwerbliche Neueingliederung zumutbar ist, auf ihre persönlichen, beruflichen und sozialen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen (Locher, Die Schadenminderungspflicht im IVG, in: Festschrift 75 Jahre Eidgenössisches Versicherungsgericht, Bern 1992, S. 416 ff.). Als Richtschnur bei der Interessenabwägung kann nach der Rechtsprechung gelten, dass die Anforderungen an die Schadenminderungspflicht zulässigerweise dort strenger sind, wo eine erhöhte Inanspruchnahme der Invalidenversicherung in Frage steht. Dies trifft beispielsweise zu, wenn der Verzicht auf schadenmindernde Vorkehren Rentenleistungen auslösen würde (BGE 113 V 32 f. mit Hinweisen). Im Lichte dieser Grundsätze kann von einer versicherten Person, die noch einen beträchtlichen Teil ihrer Aktivitätsperiode vor sich hat, unter Umständen verlangt werden, dass sie - auch wenn sie bereits einer vom medizinischen Standpunkt aus zumutbaren Tätigkeit nachgeht (vgl. BGE 117 V 18 mit Hinweisen) - bei verschiedenen Eingliederungsmöglichkeiten jene zu wählen hat, welche nicht nur aus ärztlicher Sicht zumutbar ist, sondern auch einen möglichst hohen Verdienst erlaubt. So ist es einer bisher selbstständig erwerbstätig gewesenen versicherten Person unter Umständen zuzumuten, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sofern damit eine wesentlich bessere Verwertung der Restarbeitsfähigkeit erreicht werden kann (vgl. ZAK 1983 S. 256; SVR 1995 UV Nr. 35 S. 106 Erw. 5b; Locher, a.a.O., S. 417 mit weiteren Hinweisen). 
 
cc) Die im Zeitpunkt der angefochtenen Revisionsverfügung erst 34jährige Beschwerdeführerin erwirtschaftete mit ihrer 60 % bis 70 %igen Tätigkeit als selbstständige Fuss- und Handpflegerin in den Jahren 1994 bis Ende 1997 gemäss den Auszügen aus den individuellen AHV-Konten zwischen Fr. 8800.- bis Fr. 13'000.- jährlich. In einer (körperlich leichten, wechselbelastenden) Beschäftigung als Sekretärin oder Verkäuferin - beides Tätigkeiten, welche die Versicherte vor der Aufnahme der Selbstständigkeit 1990 während mehreren Jahren ausgeübt hatte - bestünde aus medizinischer Sicht ebenfalls eine Leistungsfähigkeit von 60 % bis 70 % der Norm, wie sich den Berichten des Dr. 
M.________ vom 20. Februar 1996 sowie des Prof. P.________ vom 20. Dezember 1997 entnehmen lässt. Soweit sich Prof. 
P.________ in seiner Expertise zu den Chancen der Versicherten, im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld eine derartige Arbeit zu finden, sowie den damit zu erwartenden Einkommensmöglichkeiten äussert, so ist dies nicht eine medizinische, sondern eine juristische Frage, welche von der Verwaltung unter Zuhilfenahme des Berufsberaters und im Beschwerdefall von der Rechtsmittelbehörde zu beantworten ist, nicht hingegen vom begutachtenden Arzt oder von der Ärztin (vgl. BGE 107 V 20 Erw. b). Ebenso wenig fällt die Beantwortung dieser Fragen in den Aufgabenbereich des Neuropsychologen. Auf dem gesetzlich als ausgeglichen unterstellten Arbeitsmarkt (Art. 28 Abs. 2 IVG) finden sich die angesprochenen Tätigkeiten in genügender Anzahl, selbst wenn mit der Beschwerdeführerin verlangt würde, die Stelle dürfe nicht überwiegend Arbeiten am Bildschirm oder längeres Stehen erfordern. Wie ein Blick auf die auf 40 Arbeitsstunden pro Woche standardisierten Monatslöhne einer Frau für einfache und repetitive Sekretariats- und Kanzleiarbeiten (Die Schweizerische Lohnstrukturerhebung 1996, Bundesamt für Statistik, Tabelle TA7, Rz 22: Fr. 4619.-), andere kaufmännisch-administrative Tätigkeiten (a.a.O., Rz 23: 
Fr. 4195.-), Verkauf von Konsumgütern und Dienstleistungen (a.a.O., Rz 27: Fr. 3286.-), oder im privaten Sektor insgesamt (a.a.O., Tabelle TA1: Fr. 3455.-) zeigt, könnte die Versicherte bei einer um 40 % reduzierten Leistungsfähigkeit als Verkäuferin oder Sekretärin in rentenausschliessendem Ausmass tätig sein. Denn in Berücksichtigung einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 41,9 Stunden (Die Volkswirtschaft 1999, Heft 10, Anhang, Tabelle B9.2), der bis 1997 eingetretenen Nominallohnerhöhung (a.a.O. Tabelle B10. 2) sowie der um 40 % reduzierten Leistungsfähigkeit würde sich der tabellarische Verdienst mindestens auf Fr. 24'907.- jährlich belaufen (3286 x 1.005 x 41,9 / 40 x 0,6 x 12), was unter Berücksichtigung des maximal zulässigen Abzuges von 25 % wegen persönlicher und beruflicher Umstände (vgl. BGE 126 V 79 Erw. 5b/aa-cc) bei einem von Verwaltung und Vorinstanz angenommenen Valideneinkommen von Fr. 20'000.- zu einem Invaliditätsgrad von weit unter 40 % (knapp 7 %) führt. Das Valideneinkommen in der Höhe von Fr. 20'000.- lässt sich übrigens angesichts der seit Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit zwischen 1990 bis Ende 1993 erwirtschafteten Jahreseinkommen zwischen Fr. 5278.- und Fr. 13'908.- entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht beanstanden. Anhaltspunkte, dass die Versicherte ohne Gesundheitsschaden wieder in die vor 1990 zuletzt ausgeübte Arbeit als Direktionssekretärin zurückgekehrt wäre, liegen keine vor. 
Aus dem Gesagten folgt die zweifellose Unrichtigkeit der rentenzusprechenden Verfügung. 
 
dd) Wegen der im Streite liegenden periodischen Dauerleistung ist sodann die Erheblichkeit der Berichtigung ohne weiteres gegeben (BGE 119 V 480 Erw. 1c), weshalb der vorinstanzliche, die Revisionsverfügung vom 15. Mai 1998 schützende Entscheid im Ergebnis zu bestätigen ist. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, der Ausgleichskasse des Kantons Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 3. Juli 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: