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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 85/02 
 
Urteil vom 15. April 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
A.________, 1939, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Kantonale Arbeitslosenkasse Schaffhausen, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung Schaffhausen, Schaffhausen 
 
(Entscheid vom 12. September 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________, geboren 1939, kündigte per Ende Juni 2000 seine Stelle bei der Firma I.________ und liess sich dabei das Kapital der zweiten Säule auszahlen; anschliessend arbeitete er vom 20. September bis zum 22. Dezember 2000 für die Firma E.________ AG. Er meldete sich am 20. Januar 2001 bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an, worauf die Arbeitslosenkasse des Kantons Schaffhausen mit Verfügung vom 6. April 2001 den Anspruch ablehnte, da A.________ sich vorzeitig habe pensionieren lassen, so dass innert der - gemäss Art. 12 AVIV mit der Pensionierung beginnenden - Rahmenfrist eine ungenügende Mindestbeitragsdauer vorliege. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung Schaffhausen mit Entscheid vom 12. September 2001 ab. 
C. 
A.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung seien ihm für die Zeit vom 10. Januar 2001 bis zum 30. April 2002 unter Berücksichtigung eines Zwischenverdienstes Arbeitslosenentschädigungen auszurichten und es sei die bezogene Sozialhilfe an die Stadt Schaffhausen zurückzuerstatten. 
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Rückerstattung der bezogenen Sozialhilfegelder an die Gemeinde verlangt wird, kann darauf nicht eingetreten werden, da einerseits keine anfechtbare Verfügung vorliegt und andererseits nicht das Gebiet der Sozialversicherung betroffen ist. 
2. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 6. April 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
3. 
Das kantonale Gericht hat die hinsichtlich Beitragszeit geltenden Voraussetzungen (Art. 8 Abs. 1 lit. e, Art. 9 Abs. 1 und 3, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 AVIG) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 
 
Wie die Vorinstanz weiter korrekt festgehalten hat, enthält das Arbeitslosenversicherungsrecht in Bezug auf die Beitragszeit besondere Vorschriften für vorzeitig Pensionierte. Art. 13 Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 lit. a) AVIG ermächtigt den Bundesrat, zur Verhinderung eines ungerechtfertigten gleichzeitigen Bezuges von Altersleistungen der beruflichen Vorsorge sowie Arbeitslosenentschädigung die Anrechnung von Beitragszeiten für diejenigen Personen abweichend zu regeln, die vor Erreichen des Rentenalters gemäss Art. 21 Abs. 1 AHVG pensioniert wurden, jedoch weiterhin als Arbeitnehmer tätig sein wollen. Gestützt darauf hat der Bundesrat in Art. 12 AVIV in der bis 31. Mai 2002 geltenden Fassung unter der Marginalie "Beitragszeit vorzeitig pensionierter Versicherter" folgende Bestimmung erlassen: 
 
"1Versicherten, die vor Erreichung des Rentenalters der AHV pensioniert worden sind, wird nur jene beitragspflichtige Beschäftigung als Beitragszeit angerechnet, die sie nach der Pensionierung ausgeübt haben. 
2Absatz 1 gilt nicht, wenn der Versicherte: 
a. a. aus wirtschaftlichen Gründen oder auf Grund von zwingenden Regelungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge vorzeitig pensioniert wurde und 
b. b. einen Anspruch auf Altersleistungen erwirbt, der geringer ist als die Entschädigung, die ihm nach Artikel 22 AVIG zustünde. 
3Als Altersleistungen gelten Leistungen der obligatorischen und weitergehenden beruflichen Vorsorge." 
4. 
Streitig ist, ob der Versicherte die Mindestbeitragszeit für den Leistungsbezug erfüllt hat. 
4.1 Die Vorinstanz geht von einer vorzeitigen Pensionierung aus, so dass nur die später zurückgelegten Beitragszeiten angerechnet werden dürften und in der Folge die Minimalbeitragszeit nicht erfüllt sei. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Ansicht, es liege keine vorzeitige Pensionierung vor, da er aus gesundheitlichen Gründen gekündigt habe, noch nicht im Rentenalter stehe und auch keine Rente der AHV beziehe; im Weiteren beraube ihn Art. 12 AVIV des Versicherungsschutzes und mache ihn zum Sozialhilfeempfänger, was gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK, SR 0.101; in der Schweiz seit dem 28. November 1974 in Kraft) verstosse. 
4.2 Zur Zeit der Kündigung hatte der Versicherte die reglementarische Altersgrenze für eine vorzeitige Pensionierung (gemäss Art. 4 des Reglements der Stiftung X.________ ab dem 60. Altersjahr möglich) bereits überschritten und die Ausrichtung seines Altersguthabens beantragt. Da das Kapital in der Folge unbestrittenermassen ausbezahlt worden ist, bestand offensichtlich auch ein diesbezüglicher Anspruch des Beschwerdeführers. Damit ist der Versicherungsfall - d.h. die Pensionierung - eingetreten, wobei nicht massgebend ist, ob die Versicherungsleistungen in Renten- oder (wie hier) in Kapitalform erfolgen, lässt doch das Reglement der Stiftung X.________ in Art. 27.1 die Möglichkeit des Kapitalbezuges zu. Wäre keine vorzeitige Pensionierung beabsichtigt gewesen, hätte sich der Beschwerdeführer sein Altersguthaben nicht auszahlen, sondern als Freizügigkeitsleistung entweder auf eine neue Vorsorgeeinrichtung oder auf eine Freizügigkeitspolice rsp. auf ein Freizügigkeitskonto überweisen lassen (vgl. Art. 2 ff. FZG). Die vorzeitige Pensionierung geschah zudem weder aus wirtschaftlichen Gründen noch beruhte sie auf zwingenden Regelungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge, sondern ist freiwillig erfolgt, was für die Unterstellung unter Art. 12 Abs. 1 AVIV ausschlaggebend ist (noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil W. vom 25. Februar 2003, C 290/00). Damit fällt der Versicherte unter Art. 12 Abs. 1 AVIV, wonach nur nach der vorzeitigen Pensionierung ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigungen als Beitragszeiten angerechnet werden, so das mangels Erfüllung der Mindestbeitragszeit kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht. 
4.3 Es bleibt zu prüfen, ob diese Regelung - wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht - gegen die EMRK verstösst. 
 
In einem kürzlich ergangenen Urteil hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgehalten, dass Art. 12 Abs. 1 AVIV den von Art. 13 Abs. 3 AVIG gesetzten Delegationsrahmen nicht überschreitet und demzufolge gesetzmässig ist (noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil W. vom 25. Februar 2003, C 290/00). Im gleichen Urteil hat das Eidgenössische Versicherungsgericht weiter entschieden, dass die entsprechende Regelung auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot verstösst, da eine Unterscheidung nach dem Grund der vorzeitigen Pensionierung sinnvoll ist (vgl. BGE 126 V 397 Erw. 3b/bb): Denn bei den Gegenstand von Art. 12 Abs. 2 AVIV bildenden Personengruppen erfolgt die vorzeitige Pensionierung aufgrund objektiver Umstände, ohne dass dem Betroffenen eine Alternative offen steht. Demgegenüber führt der Versicherte in der hier interessierenden Situation die vorzeitige Pensionierung freiwillig herbei, indem er sich hinsichtlich des Kapitals der zweiten Säule nicht für eine Austritts-, sondern für eine Altersleistung entscheidet. Es ist im Rahmen der dem Eidgenössischen Versicherungsgericht zustehenden Kognition (BGE 128 V 98 Erw. 5a mit Hinweisen) nicht zu beanstanden, dass der Bundesrat dafür hielt, eine solche Person habe anders als die unter Art. 12 Abs. 2 AVIV fallenden Versicherten durch eine nach der Pensionierung erfolgende Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung ihre Vermittlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Wenn jemand freiwillig Altersleistungen der zweiten Säule bezieht, liegen nämlich Zweifel an der Vermittlungsfähigkeit näher als bei einer Person, die aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund zwingender Regelungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge und damit aufgrund ausserhalb ihrer Person liegender Umstände im Sinne von Art. 12 Abs. 2 AVIV zur vorzeitigen Pensionierung gezwungen wird; denn die Wahl einer Altersleistung stellt immerhin ein Indiz für die Absicht dar, sich aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen, was erst recht gilt, wenn eine Stelle aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wird. Soweit darin von Personen, die sich durch die Wahl einer Alters- statt einer Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge freiwillig vorzeitig pensionieren lassen, die Erfüllung der Beitragszeit durch eine nach der Pensionierung ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung verlangt wird, kann demnach nicht gesagt werden, die streitige Verordnungsbestimmung lasse sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen, sei sinn- oder zwecklos oder treffe rechtliche Unterscheidungen, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lasse. Da es folglich auch an einer Verletzung des Gebots der rechtsgleichen Behandlung oder des Willkürverbots fehlt, ist die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit von Art. 12 AVIV diesbezüglich zu bejahen (noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil W. vom 25. Februar 2003, C 290/00). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die EMRK einen darüber hinausreichenden Schutz gewähren sollte; so wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde denn auch nur global auf diesen Staatsvertrag verwiesen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Kantonalen Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung Schaffhausen, dem Arbeitsamt des Kantons Schaffhausen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
Luzern, 15. April 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: