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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_285/2011 
 
Urteil vom 18. November 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Fa. X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Kloter, 
 
gegen 
 
Schweizerische Bundesanwaltschaft, Postfach, 
3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Beschlagnahme; Rückzug eines Rechtshilfegesuches, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 6. Mai 2011 
des Bundesstrafgerichts, I. Beschwerdekammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Bundesanwaltschaft (BA) führte zwischen Oktober 2004 und August 2009 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen Y.________ (als Hauptbeschuldigten) und weitere Personen wegen des Verdachtes des gewerbsmässigen Anlagebetruges und weiterer Delikte. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erwirkte die BA am 12. November 2004 auf dem Rechtshilfeweg die Beschlagnahme eines Kontos der Fa. X.________ bei einer Bank auf den Bahamas. 
 
B. 
Am 27. August 2009 eröffnete das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt (Eidg. URA) auf Antrag der BA hin eine Voruntersuchung gegen die Beschuldigten. 
 
C. 
Am 14. September 2010 beantragte die unterdessen in Liquidation befindliche Fa. X.________ beim Eidg. URA die Freigabe ihrer auf den Bahamas rechtshilfeweise gesperrten Vermögenswerte. Mit Verfügung vom 21. Dezember 2010 hiess das Eidg. URA das Gesuch gut. Gleichzeitig wies es die BA an, bei den bahamaischen Behörden rechtshilfeweise die Freigabe der beschlagnahmten Kontenguthaben zu beantragen. 
 
D. 
Eine von der BA gegen die Verfügung vom 21. Dezember 2010 des Eidg. URA erhobene Beschwerde hiess das Bundesstrafgericht, I. Beschwerdekammer, mit Entscheid vom 6. Mai 2011 gut, indem es die Verfügung vom 21. Dezember 2010 aufhob. 
 
E. 
Gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 6. Mai 2011 gelangte die Fa. X.________ (in Liquidation) mit Beschwerde vom 8. Juni 2011 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Freigabe ihrer beschlagnahmten Vermögenswerte. Ausserdem sei die BA anzuweisen, die Aufhebung der Kontensperre auf dem Rechtshilfeweg zu beantragen. 
Die BA beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesstrafgericht hat auf eine Vernehmlassung ausdrücklich verzichtet. Die Beschwerdeführerin replizierte am 21. Juli 2011. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Am 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) in Kraft getreten. Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt (Art. 453 Abs. 1 StPO). Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des alten oder neuen Prozessrechts ist insofern das erstinstanzliche Verfügungsdatum (vgl. Art. 454 Abs. 1 StPO; BGE 137 IV 145 E. 1.1 S. 147; 219 E. 1.1 S. 221; je mit Hinweisen; nicht amtl. publizierte E. 1 von BGE 137 IV 189). Die streitige erstinstanzliche Verfügung datiert vom 21. Dezember 2010, weshalb hier grundsätzlich (materiell-strafprozessrechtlich) das bisherige Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP; SR 312.0) zur Anwendung gelangt. Soweit die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht jedoch beantragt, es sei (im Rahmen des seit 1. Januar 2011 hängigen Vorverfahrens nach StPO) die Aufhebung bestehender Rechtshilfemassnahmen zu erwirken, wäre diesbezüglich das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) bzw. die StPO anwendbar (vgl. Art. 448 Abs. 1-2 i.V.m. Art. 54 StPO). 
 
2. 
Zunächst sind die Sachurteilsvoraussetzungen für die Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen. 
 
2.1 Die Beschwerde in Strafsachen ist unzulässig gegen Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, soweit es sich nicht um Entscheide über strafprozessuale Zwangsmassnahmen handelt (Art. 79 BGG). Darüber hinaus muss bei strafprozessualen Zwischenentscheiden (namentlich Beschlagnahmeverfügungen) ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; vgl. BGE 136 IV 92 E. 3.1-3.3 S. 94 f., E. 4.1 S. 95 f.; 134 IV 237 E. 1.3 S. 240; 128 I 129 E. 1 S. 131; Urteil 1B_293/2011 vom 14. September 2011 E. 2; s. zur Praxis Heinz Aemisegger/Marc Forster, Basler Kommentar BGG, 2. Aufl., Basel 2011, Art. 79 N. 27, 40). 
 
2.2 Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist kein Zwangsmassnahmenentscheid der Strafjustizbehörden des Bundes: Bei der fraglichen Zwangsmassnahme, deren Aufhebung die Beschwerdeführerin (gemäss ihrem ersten Hauptstandpunkt) beantragt, handelt es sich um eine Kontensperre der bahamaischen Behörden bei einer Bank auf den Bahamas, welche gestützt auf bahamaisches Strafprozessrecht verfügt wurde. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Behörden der Bahamas die Kontensperre aufgrund eines schweizerischen Rechtshilfeersuchens verfügt haben. 
Soweit die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Kontensperre bei einer Bank auf den Bahamas beantragt, kann darauf offensichtlich nicht eingetreten werden. Diesbezüglich liegt kein anfechtbarer Entscheid einer nach Art. 79 BGG zuständigen Vorinstanz vor. Weiter beantragt die Beschwerdeführerin (gemäss ihrem zweiten Hauptstandpunkt), die Bundesanwaltschaft sei im hängigen Vorverfahren nach StPO anzuweisen, auf dem Rechtshilfeweg die Aufhebung der fraglichen Kontensperre zu erwirken. Bei der Streitfrage, ob die Bundesanwaltschaft im Rahmen einer Untersuchungsmassnahme ein internationales Rechtshilfe- bzw. Rückzugsersuchen im Sinne des IRSG zu stellen habe oder nicht, handelt es sich nicht (unmittelbar) um einen strafprozessualen Zwangsmassnahmenentscheid im Sinne der StPO bzw. des BStP. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, kann offen bleiben, ob die Beschwerde bereits aus diesem Grund unzulässig wäre. 
 
2.3 Streitig ist ein strafprozessualer Zwischenentscheid. Bei der Anfechtung von Vermögensbeschlagnahmen bejaht die (strafprozessuale) Praxis zwar grundsätzlich einen drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. BGE 128 I 129 E. 1 S. 131; Urteil 1B_293/2011 vom 14. September 2011 E. 2). Wie bereits dargelegt, ist hier jedoch keine Beschlagnahme der schweizerischen Strafverfolgungsbehörden gestützt auf schweizerisches Strafprozessrecht (StPO bzw. BStP) streitig, sondern der (vom Eidg. URA verfügte und von der Vorinstanz verweigerte) Rückzug eines Rechtshilfebegehrens im Sinne des IRSG (vgl. Art. 54 StPO). Im vorliegenden Zusammenhang drängt es sich daher auf, bei der Prüfung des drohenden Rechtsnachteils die einschlägige rechtshilferechtliche Gesetzgebung und Eintretenspraxis analog mitzuberücksichtigen: 
2.3.1 Einer Schlussverfügung in Rechtshilfesachen vorangegangene Zwischenverfügungen könnten nur in den Fällen von Art. 80e Abs. 2 (lit. a und b) IRSG selbständig bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts angefochten werden. Art. 80e Abs. 2 (Ingress) IRSG würde dabei einen "unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden" Nachteil voraussetzen. Dies gilt auch in den Fällen der Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen (Art. 80e Abs. 2 lit. a IRSG). Falls die Beschwerdekammer auf rechtshilferechtliche Zwischenentscheide nach Massgabe dieser Bestimmung nicht einträte, wäre die Weiterziehbarkeit des Nichteintretensentscheides an das Bundesgericht (mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) stark eingeschränkt. Das Bundesgericht hätte (abgesehen von den spezifischen Sachurteilshindernissen von Art. 84 bzw. Art. 93 Abs. 2 BGG) nur zu prüfen, ob die Beschwerdekammer Art. 80e Abs. 2 IRSG bundesrechtskonform anwendete (vgl. dazu Aemisegger/ Forster, a.a.O., Art. 84 N. 24 f.). 
2.3.2 Insofern sind Gesetzgebung und Gerichtspraxis im Rechtshilferecht restriktiver als die Eintretenspraxis in Fällen der direkten Anfechtung von strafprozessualen Zwangsmassnahmen mittels Beschwerde in Strafsachen: Ein unmittelbarer und nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil droht erst, wenn durch die Anordnung oder Fortdauer von rechtshilfeweise verfügten Vermögensbeschlagnahmen die legale wirtschaftliche Tätigkeit einer betroffenen Partei stark behindert (oder gar ihr wirtschaftliches Überleben gefährdet) würde. Dies könnte namentlich der Fall sein, wenn fällige Zahlungen an Gläubiger verunmöglicht würden, welche zur Aufrechterhaltung der Liquidität und Bonität des Geschäftsbetriebes notwendig erscheinen, wenn der betroffenen Partei in Aussicht stehende Geschäfte entgingen, wenn eine behördliche Bewilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden könnte, die für ihre wirtschaftliche Tätigkeit wichtig ist, oder wenn einer betroffenen Gesellschaft infolge der Anordnung oder Aufrechterhaltung der fraglichen Rechtshilfemassnahme Betreibungsschritte bzw. der Konkurs drohen (vgl. BGE 130 II 329 E. 2 S. 332 f.; 128 II 353 E. 3 S. 354 f.; 127 II 198 E. 2b S. 203-205; 126 II 495 E. 5a-d S. 500 f.). 
2.3.3 Wie sich aus den Akten ergibt, insbesondere dem Kontrollstellenbericht ("Report of Independent Auditors") vom 19. April 2006, hat die Beschwerdeführerin bereits sechs Jahre vor Erlass der hier streitigen erstinstanzlichen Verfügung vom 21. Dezember 2010 ihre freiwillige Liquidation ("voluntary liquidation") nach bahamaischem Recht einleiten lassen. Seither blieb sie dementsprechend ohne aktive wirtschaftliche Geschäftstätigkeit. Als Folge der Nichtaufhebung der Rechtshilfemassnahme ist daher kein (unmittelbarer) nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil der Beschwerdeführerin im Sinne der dargelegten Gesetzgebung und Praxis ersichtlich. Soweit sie geltend macht, eine Aufhebung der Kontensperre auf den Bahamas diene mittelbar den Interessen von geschädigten Anlegern, ist sie zur Wahrung der Rechte von Dritten (insbesondere ihrer Gläubiger) nicht legitimiert (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). 
 
2.4 Nach dem Gesagten sind die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 79 i.V.m. Art. 93 Abs. 1 lit. a und Art. 81 BGG nicht erfüllt. 
 
3. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Schweizerischen Bundesanwaltschaft und dem Bundesstrafgericht, I. Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. November 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster