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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_840/2017  
 
 
Urteil 23. März 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Errass. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke, 
 
gegen  
 
1. Amt für Migration und Personenstand 
des Kantons Bern, Eigerstrasse 73, 3011 Bern, 
2. Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Rechtsverweigerung; unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, vom 29. August 2017 (100.2017.216U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. am 25. März 1972), philippinischer Staatsangehöriger, reiste am 10. September 1990 im Familiennachzug in die Schweiz ein. Er war seit dem 13. September 2000 im Besitz der Niederlassungsbewilligung und heiratete am 14. Mai 2014 die Schweizerin B.________, mit der er zwei Kinder (geb. 2009 und 2013) hat. 
Am 31. Januar 2014 verurteilte ihn das Regionalgericht Bern-Mittelland zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen wegen qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121), begangen von 2008 bis am 10. April 2013, und wegen qualifizierter Geldwäscherei, begangen vom 1. Januar 2009 bis am 10. April 2013. 
Am 8. Mai 2015 widerrief das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern die Niederlassungsbewilligung und wies A.________ auf den Tag der Entlassung aus dem Strafvollzug hin aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern am 15. Dezember 2015, das Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 27. Juli 2016 und das Bundesgericht am 5. Januar 2017 (2C_681/2016) ab. 
 
B.  
Am 23. Januar 2017 gelangte A.________ an das Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern mit dem Begehren, die Wegweisung nicht zu vollziehen und eine vorläufige Aufnahme anzuordnen. Er machte geltend, aufgrund seiner Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten sei er in seinem Heimatstaat erheblich gefährdet, da der philippinische Präsident Drogendealern mit dem Tod drohe und gemäss Medienberichten schon Tausende habe töten lassen. 
Das Amt für Migration und Personenstand informierte A.________ am 8. Juni 2017 dahingehend, dass gemäss einem Amtsbericht des Staatssekretariats für Migration keine Gründe gegen die Zulässigkeit des Vollzugs der Wegweisung bestünden und das Amt daher auch keinen entsprechenden Antrag beim Staatssekretariat für Migration stellen werde. Mit einem zweiten Schreiben vom 13. Juni 2017 verweigerte das Amt für Migration und Personenstand den Erlass einer anfechtbaren Verfügung. 
Am 21. Juni 2017 gelangte A.________ an die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern mit dem Begehren, das Amt für Migration und Personenstand anzuweisen, eine anfechtbare Verfügung zu erlassen, im Sinne einer vorsorglichen Massnahme bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens die Ausschaffung zu untersagen und für das Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Mit Verfügung vom 6. Juli 2017 wies die Polizei- und Militärdirektion das Gesuch um Anordnung einer vorsorglichen Massnahme und ebenso das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab und verlangte einen Verfahrenskostenvorschuss von Fr. 1'400.--. Zur Begründung führte die Polizei- und Militärdirektion im Wesentlichen aus, es bestehe kein Rechtsanpruch darauf, dass der Kanton dem Staatssekretariat für Migration einen Antrag auf vorläufige Aufnahme unterbreite, weshalb Begehren eines Ausländers um Anordnung einer vorläufigen Aufnahme, um Feststellung des Vorliegens von Wegweisungsvollzugshindernissen oder um Rückweisung der Sache unter Anweisung der Ausländerbehörde, einen Antrag auf vorläufige Aufnahme zu stellen, unzulässig seien. Der Vorwurf der Rechtsverweigerung sei darum unbegründet und die Beschwerde aussichtslos, weshalb die unentgeltliche Rechtspflege nicht gewährt werden könne. 
Eine gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege geführte Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies dieses mit Urteil vom 29. August 2017 ab, ebenso das Begehren, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
C.  
A.________ erhebt mit Eingabe vom 29. September 2017 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. August 2017 aufzuheben und ihm für das kantonale Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Den nämlichen Antrag stellt er für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Die Polizei- und Militärdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern sowie das Staatssekretariat für Migration beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat sich am 16. Januar 2018 ergänzend geäussert. 
 
D.  
Mit Entscheid vom 14. September 2017 hat die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern die bei ihm eingereichte Rechtsverweigerungsbeschwerde abgewiesen und die Verfahrenskosten von Fr. 800.-- dem Beschwerdeführer auferlegt. Eine Beschwerde hiergegen ist beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern hängig. 
Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist eine Beschwerde hängig, die das Urteil des Bundesgerichts vom 5. Januar 2017 zum Gegenstand hat und in deren Rahmen der Gerichtshof die Schweiz angewiesen hat, vom Vollzug der Wegweisung vorläufig abzusehen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist auf dem Gebiet des Ausländerrechts unter anderem unzulässig gegen Entscheide über die vorläufige Aufnahme und Entscheide über die Wegweisung (Art. 83 lit. c Ziff. 3 und 4 BGG). Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens gilt dies auch für Zwischenentscheide (BGE 138 II 501 E. 1.1, mit Hinweisen). Ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig, fällt als Rechtsmittel gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) in Betracht, mit welcher die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann. 
 
2.  
Bei der vom Verwaltungsgericht bestätigten Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im Verfahren vor der Polizei- und Militärdirektion handelt es sich um einen Zwischenentscheid, welcher für den Beschwerdeführer mit einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil (Art. 117 in Verbindung mit Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) verbunden war, weil die Beurteilung des Rechtsmittels von der Leistung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht wurde und dem Beschwerdeführer für das Verfahren kein unentgeltlicher Vertreter beigestanden wäre (BGE 129 I 229 E. 1.1, 281 E. 1.1; 126 I 207 E. 2a; 123 I 275 E. 2f). Das erhobene Rechtsmittel wäre insoweit als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen und darauf einzutreten. Allerdings hat der Beschwerdeführer - um nichts zu versäumen - den von der Polizei- und Militärdirektion verlangten Kostenvorschuss geleistet und hat diese nach Bestätigung der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege durch das Verwaltungsgericht die bei ihr eingereichte Rechtsverweigerungsbeschwerde am 14. September 2017 materiell beurteilt, sie allerdings abgewiesen. Damit aber ist der nicht wiedergutzumachende Nachteil entfallen. Es geht einzig noch darum, ob der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat und ob sein Anwalt durch den Staat entschädigt wird. Diese Fragen können ohne Nachteil auch erst im Anschluss an den kantonalen Endentscheid in der Sache beurteilt werden (BGE 139 V 600 E. 2.3; 133 V 645 E. 2.2). Auf die Beschwerde ist daher mangels nicht wiedergutzumachenden Nachteils nicht einzutreten. 
 
3.  
Entsprechend diesem Verfahrensausgang wäre der Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat allerdings auch für dieses ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt (Art. 64 BGG). Der dem Verfahren zugrundeliegende Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers, wonach er einen Anspruch darauf hat, dass die Behörden überprüfen und durch anfechtbare Verfügung entscheiden, ob er ausgeschafft werden kann, ist nicht aussichtslos. Dass der für die Ergreifung der subsidiären Verfassungsbeschwerde erforderliche nicht wiedergutzumachende Nachteil zunächst zwar gegeben, dann aber entfallen war, musste dem Anwalt nicht derart vor Augen stehen, dass er von der Ergreifung des Rechtsmittels hätte absehen müssen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren ist daher gutzuheissen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird gutgeheissen, und es wird dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Oliver Lücke, Bern, als unentgeltlicher Vertreter beigegeben. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'500.-- entschädigt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichter, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. März 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Errass