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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 147/05 
 
Urteil vom 25. Juli 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
J.________, 1953, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
(Entscheid vom 21. Januar 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
J.________, geboren 1953, arbeitete von September 1996 bis Ende Februar 2002 als Schweisser für die Firma S.________ AG; sein letzter Arbeitstag war der 9. März 2000. Er meldete sich im Juli 2000 bei der Invalidenversicherung wegen eines Magentumors zum Rentenbezug an, worauf die IV-Stelle des Kantons Solothurn medizinische und erwerbliche Ablärungen vornahm. Mit Verfügung vom 13. November 2000 verneinte die Verwaltung den Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung, da J.________ erst seit März 2000 in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei und damit die gesetzliche Wartezeit von einem Jahr noch nicht erfüllt habe. 
 
Nachdem sich J.________ im Mai 2001 erneut zum Leistungsbezug angemeldet hatte, führte die Verwaltung wiederum Abklärungen durch; insbesondere veranlasste sie eine Abklärung in der Beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS) des Spitals X.________ (Bericht vom 9. April 2002) sowie eine Begutachtung durch das Institut Y.________ (Expertise vom 4. April 2003 mit psychiatrischem Gutachten vom 17. Februar 2003 und rheumatologischer Untersuchung vom 18. Februar 2003). Mit Verfügung vom 15. Dezember 2003 sprach die IV-Stelle J.________ bei einem Invaliditätsgrad von 43% mit Wirkung ab dem 1. März 2001 eine halbe Härtefallrente der Invalidenversicherung zu. Mit Verfügung vom 6. Juli 2004 wurde diese Leistung auf eine Viertelsrente herabgesetzt, da die auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretene 4. IV-Revision keine Härtefallrenten mehr vorsehe. Mit Einspracheentscheid vom 6. September 2004 wies die Verwaltung die gegen die Verfügungen von Dezember 2003 und Juli 2004 erhobenen Einsprachen ab, ging jedoch neu von einem Invaliditätsgrad von 49% aus. 
B. 
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobene Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 21. Januar 2005 den Einspracheentscheid und die Verfügungen der IV-Stelle auf und sprach J.________ mit Wirkung ab dem 1. März 2001 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben. 
J.________ schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG, Art. 4 IVG), die Ermittlung des Invaliditätsgrades (Art. 16 ATSG) sowie den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG in den vor und nach dem 1. Januar 2004 geltenden Fassungen, Art. 28 Abs. 1bis IVG [in Kraft bis Ende 2003]) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
Der Versicherte hat sich bereits im Jahr 2001 erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet; damit ist teilweise ein rechtserheblicher Sachverhalt zu beurteilen, der sich vor dem In-Kraft-Treten des ATSG am 1. Januar 2003 und der 4. IV-Revision am 1. Januar 2004 verwirklicht hat. Aus BGE 130 V 329 kann in intertemporalrechtlicher Hinsicht aus Art. 82 Abs. 1 ATSG nicht etwa der Umkehrschluss gezogen werden, dass für die Anwendbarkeit materiellrechtlicher Bestimmungen des neuen Gesetzes bezüglich im Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens noch nicht festgesetzter Leistungen einzig der Verfügungszeitpunkt ausschlaggebend sei. Vielmehr sind - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - die übergangsrechtlichen Grundsätze massgebend, welche für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen die Ordnung anwendbar erklären, welche zur Zeit galt, als sich der zu Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat. Es ist daher bei der Bestimmung des streitigen Rentenanspruchs (zumindest für den Zeitraum bis 31. Dezember 2002 resp. 31. Dezember 2003) auf die damals geltenden Bestimmungen des IVG abzustellen; dies betrifft namentlich - bezüglich des Invaliditätsbegriffs - Art. 4 Abs. 1 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) und - bezüglich des Umfangs eines allfälligen Rentenanspruchs - Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG (aufgehoben per Januar 2004) sowie - bezüglich der Invaliditätsbemessung nach der Einkommensvergleichsmethode - Art. 28 Abs. 2 IVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung; BGE 130 V 445). Für den Verfahrensausgang ist dies indessen insofern von untergeordneter Bedeutung, als die im ATSG enthaltenen Umschreibungen der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), der Invalidität (Art. 8 ATSG) sowie de Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) den bisherigen von der Rechtsprechung im Invalidenversicherungsbereich entwickelten Begriffen und Grundsätzen entsprechen und daher mit dem In-Kraft-Treten des ATSG keine substanzielle Änderung der früheren Rechtslage verbunden war (BGE 130 V 343). 
2. 
Streitig ist der Anspruch auf eine Viertelsrente anstelle der durch das kantonale Gericht zugesprochenen halben Invalidenrente und dabei im Rahmen der Invaliditätsbemessung allein die Höhe des Abzuges nach BGE 126 V 75 ff. bei der Festsetzung des Einkommens nach Eintritt der Invalidität (Invalideneinkommen), welches anhand der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2000 festgesetzt worden ist. Dass die Bemessung des Invaliditätsgrades anderweitig nicht korrekt sein sollte, wird nicht geltend gemacht, ist auch aus den Akten nicht ersichtlich und bietet deshalb zu keinen Weiterungen Anlass (BGE 110 V 53 Erw. 4a). 
2.1 Die Vorinstanz berücksichtigt im Rahmen des Abzuges, dass dem Versicherten nur noch leidensangepasste Tätigkeiten zumutbar seien, dass es sich bei ihm um einen Ausländer handle und er nur noch Teilzeit arbeiten könne. Diese Gesichtspunkte rechtfertigten einen Abzug von 15% vom Tabellenlohn. 
 
Die Beschwerde führende IV-Stelle ist demgegenüber der Auffassung, der Ausländerstatus führe zu keiner Lohneinbusse, während Teilzeitangestellte nicht zwingend weniger verdienten als Vollzeitangestellte; das kantonale Gericht habe deshalb zu Unrecht in das Ermessen der Verwaltung eingegriffen. 
2.2 Gemäss Rechtsprechung können persönliche und berufliche Merkmale des Versicherten wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Höhe des Lohnes haben (BGE 126 V 78 Erw. 5a/cc mit Hinweis). Ein Abzug soll aber nicht automatisch, sondern nur dann erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Versicherte wegen eines oder mehrerer dieser Merkmale seine gesundheitlich bedingte (Rest-)Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 79 Erw. 5b/aa). Es rechtfertigt sich aber nicht, für jedes zur Anwendung gelangende Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen und diese zusammenzuzählen, da damit Wechselwirkungen ausgeblendet werden. So bestimmt sich beispielsweise der Anfangslohn in einer neuen Firma in der Regel nicht isoliert nach der Anzahl Dienstjahre, sondern unter anderem auch auf Grund der mitgebrachten Berufserfahrungen. Ganz allgemein ist der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen (BGE 126 V 80 Erw. 5b/bb mit Hinweisen). Letztlich ist der Abzug vom statistischen Lohn unter Berücksichtigung aller jeweils in Betracht fallenden Merkmale auf insgesamt höchstens 25% zu begrenzen (BGE 126 V 80 Erw. 5b/cc). 
2.3 Dieser gesamthaft vorzunehmende Abzug (vgl. Erw. 2.2 hievor) stellt eine Schätzung dar. Bei deren Überprüfung kann es nicht darum gehen, dass die kontrollierende richterliche Behörde ihr Ermessen an die Stelle der Vorinstanz setzt. Bei der Unangemessenheit gemäss Art. 132 lit. a OG geht es um die Frage, ob der zu überprüfende Entscheid, den die Behörde nach dem ihr zustehenden Ermessen im Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien in einem konkreten Fall getroffen hat, nicht zweckmässigerweise anders hätte ausfallen sollen. Allerdings darf das Sozialversicherungsgericht sein Ermessen nicht ohne triftigen Grund an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es muss sich somit auf Gegebenheiten abstützen können, welche seine abweichende Ermessensausübung als näher liegend erscheinen lassen (BGE 126 V 81 Erw. 6 mit Hinweis). 
 
Dieses Vorgehen gilt nicht nur für das Eidgenössische Versicherungsgericht, sondern auch für die kantonalen Gerichte, welche ebenfalls über eine Ermessenskontrolle in Leistungsstreitigkeiten verfügen, da ihre Prüfung in dieser Hinsicht nicht enger sein kann als diejenige der letzten Instanz, welche die Überprüfung der Unangemessenheit in Art. 132 lit. a OG vorsieht; daran ändert nichts, dass Art. 132 OG nicht auf Art. 98a Abs. 3 OG verweist, in welcher Norm dies für die Vorinstanzen des Bundesgerichts explizit vorgesehen ist. 
2.4 Aufgrund der zu Recht nicht bestrittenen Auffassung der Gutachter des Instituts Y.________ vom 4. April 2003 ist dem Beschwerdegegner die angestammte Tätigkeit als Schweisser nicht mehr zumutbar, während körperlich leichte bis intermittierend mittelschwere adaptierte Tätigkeiten zu 60% zumutbar sind (d.h. wechselbelastende Tätigkeiten ohne Heben, Stossen und Ziehen von Lasten über 5 bis 10 kg repetitiv und vereinzelt über 15 kg, ohne Überkopftätigkeiten und ohne Tätigkeiten in gebückter Haltung mit Rotation der Wirbelsäule). Aufgrund dieser Einschränkungen sind keine triftigen Gründe ersichtlich, um von einem leidensbedingten Abzug abzusehen; dies wird von der Beschwerde führenden Verwaltung denn auch nicht bestritten. 
2.5 Entgegen der Auffassung im kantonalen Entscheid ist die Nationalität hier zu vernachlässigen angesichts der Tatsache, dass die statistischen Löhne aufgrund der Einkommen der schweizerischen und der ausländischen Wohnbevölkerung erfasst werden (AHI 2002 S. 70) und der Beschwerdegegner kein Saisonnier ist, sondern über die Niederlassungsbewilligung C verfügt (Urteil S. vom 16. April 2002, I 640/00 [Zusammenfassung in HAVE 2002 S. 308]). Damit gehört der Versicherte vielmehr einer Ausländerkategorie an, für welche der monatliche Männer-Bruttolohn im Anforderungsniveau 4 sogar etwas über dem entsprechenden, nicht nach dem Merkmal der Nationalität differenzierenden Totalwert liegt (Lohnstrukturerhebung 2000 S. 47 Tabelle TA12 sowie Lohnstrukturerhebung 2002 S. 59 Tabelle TA12). Es ist denn auch dieser Totalwert die massgebende Vergleichsgrösse und nicht etwa das Einkommen der Schweizer (wie es die Vorinstanz angenommen hat), da sich Tabellenlöhne aus den Einkommen der In- und Ausländer zusammensetzen. 
2.6 Die IV-Stelle führt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar zu Recht aus, "dass Teilzeitangestellte nicht zwingend weniger als Vollzeittätige verdienen (zum Beispiel in Beschäftigungsbereichen, in denen Teilzeitarbeit Nischen auszufüllen vermag, die arbeitgeberseits stark nachgefragt und dementsprechend entlöhnt werden ...)." Jedoch wird das Invalideneinkommen hier allein aufgrund statistischer Angaben festgesetzt, so dass die statistisch erhärtete Tatsache der Lohneinbusse von teilzeitarbeitenden Männern im massgebenden Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) zu berücksichtigen ist (vgl. Lohnstrukturerhebung 2000 S. 24 T8 sowie Lohnstrukturerhebung 2002 S. 28 T8), auch wenn in diesem Rahmen der prozentuale Minderverdienst nicht schematisch dem Abzug gleichzusetzen ist (vgl. BGE 126 V 79 Erw. 5b/aa). 
2.7 Damit sind im Rahmen des Abzuges die leidensbedingten Einschränkungen des Versicherten (vgl. Erw. 2.4) sowie die Möglichkeit, nur noch Teilzeit arbeiten zu können (Erw. 2.6 hievor), zu berücksichtigen. Da die IV-Stelle in Verfügung und Einspracheentscheid keinen Abzug wegen Teilerwerbstätigkeit berücksichtigt hat, obwohl dies angemessen gewesen wäre, lag für das kantonale Gericht ein triftiger Grund vor, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Verwaltung zu setzen; die abweichende Ermessensausübung erweist sich deshalb insoweit als näher liegend (vgl. Erw. 2.3 hievor). Indessen hat die Vorinstanz zu Unrecht auch den Ausländerstatus des Beschwerdegegners berücksichtigt (Erw. 2.5 hievor). Die IV-Stelle hat jedoch die leidensbedingten Einschränkungen - angesichts der Beschwerden - mit einem Abzug von 10% vom Tabellenlohn berücksichtigt; wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass der Beschwerdegegner nur noch teilerwerbstätig sein kann, erscheint - gesamthaft gesehen - das Ermessen der Vorinstanz als näher liegend. Damit hatte diese genügend triftige Gründe, um vom Abzug der Verwaltung abzuweichen, so dass ein solcher in Höhe von 15% vorzunehmen ist, was zu einem Invaliditätsgrad von 52% und damit zum Anspruch auf eine halbe Invalidenrente führt. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 25. Juli 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: