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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_766/2011 
 
Urteil vom 30. Dezember 2011 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
D.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug 
vom 26. August 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1959 geborene D.________ arbeitete von Juni 1998 bis Februar 2009 in der Produktion der Q.________ AG. Daneben war sie im Umfang von 20 % einer Vollzeitstelle als Reinigungskraft in einer Zahnarztpraxis tätig. Nachdem die Arbeitgeberin das Anstellungsverhältnis aufgelöst hatte, meldete sich D.________ unter Hinweis auf beigelegte Berichte des medizinisch-radiologischen Zentrums X.________ vom 6. November 2006 und 18. Juli 2007 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle Zug traf Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht. U.a. veranlasste sie eine fachärztliche Expertise durch Dr. med. L.________, FMH Innere Medizin und Rheumaerkrankungen, sowie Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH. Das Gutachten wurde am 22. September 2010 erstattet. Mit Verfügung vom 24. November 2010 lehnte die IV-Stelle Zug das Leistungsgesuch ab. Die Abklärungen hätten gezeigt, dass D.________ aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung vorübergehend in der Ausübung einer Erwerbstätigkeit eingeschränkt gewesen sei. Aus ärztlicher Sicht sei aber spätestens seit Januar 2010 wieder eine volle Erwerbstätigkeit ohne erhebliche Einschränkungen zumutbar. 
 
B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher D.________ zur Hauptsache die Zusprechung einer ganzen oder einer Viertelsrente der Invalidenversicherung ab 1. März 2010, eventuell die Rückweisung der Sache zu ergänzenden medizinischen Abklärungen an die Verwaltung, hatte beantragen lassen, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug ab (Entscheid vom 26. August 2011). 
 
C. 
D.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache zur Einholung eines neuen interdisziplinären Gutachtens an das kantonale Gericht zurückzuweisen; eventuell sei ihr ab 1. März 2010 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhaltes nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
2.1 Die Vorinstanz ist in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Unterlagen, insbesondere des bidisziplinären Gutachtens der Dres. med. L.________ und B.________ vom 22. September 2010 zur Auffassung gelangt, dass die Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand sowohl ihre bisherige als auch eine andere leidensangepasste Erwerbstätigkeit in einem vollzeitlichen Pensum zu verrichten vermöchte; indessen wäre aus psychischen Gründen eine Reduktion der Leistungsfähigkeit um höchstens 10 bis 15 % zu veranschlagen. 
 
2.2 Die Versicherte macht zur Begründung des Hauptantrages geltend, das Gutachten der Dres. med. L.________ und B.________ werde den Anforderungen, die an eine fachärztliche Expertise gestellt werden, nicht gerecht. Dr. med. L.________ sei voreingenommen gewesen. Er verharmlose sodann objektivierbare Befunde und lasse sie in der Diagnosestellung weg. Dies gelte für die von einem andern Arzt festgestellte Rhizarthrose sowie die Diskushernie. Kritik übt die Beschwerdeführerin auch am Teilgutachten des Psychiaters Dr. med. B.________. Dieser habe trotz gegenteiliger Testresultate eine klinisch relevante, mittelschwere bis schwere Depression verneint. Noch im November 2009 habe sie laut ihrem behandelnden Psychiater an einer mittelschweren Depression gelitten. Dass diese bis im März 2010 abgeklungen sei, habe kein neuerer Arztbericht belegt. Die Vorinstanz sei in Willkür verfallen und habe den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt, indem sie auf derart aktenwidrige und nicht schlüssige Gutachten abgestellt habe. 
 
2.3 Soweit die Beschwerdeführerin den Experten Voreingenommenheit vorwirft, kann ihr nicht gefolgt werden. Ob ihre Behauptung, die Dres. med. L.________ und B.________ seien nahezu ausschliesslich für die Invalidenversicherung als Gutachter und nicht mehr als frei praktizierende Ärzte tätig, zutrifft, ist nicht belegt. Im Übrigen liesse sich allein aus diesem Umstand nicht auf Voreingenommenheit schliessen. Denn ein Ausstandsgrund ist nicht schon deswegen gegeben, weil jemand Aufgaben für die Verwaltung erfüllt, sondern erst bei persönlicher Befangenheit (BGE 137 V 210 E. 1.3.3 S. 226 f. mit Hinweisen). Solche Befangenheitsgründe bringt die Versicherte nicht vor; sie können insbesondere nicht einzelnen Passagen des Teilgutachtens des Dr. med. L.________ entnommen werden, in welchen er Mimik und Gestik der Beschwerdeführerin beschreibt. Was den Psychiater Dr. med. B.________ betrifft, zählt die Versicherte verschiedene Hinweise auf, die nach ihrem Dafürhalten auf Voreingenommenheit hindeuten. Dabei geht es jedoch im Wesentlichen um eine inhaltliche Kritik an der psychiatrischen Beurteilung, aus welcher nicht auf eine Befangenheit des Experten geschlossen werden kann. 
 
2.4 Was die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit anbelangt, vermag es die Beschwerdeführerin nicht, Gründe zu nennen, welche geeignet wären, die im Rahmen der gesetzlichen Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts grundsätzlich verbindliche Feststellung der Vorinstanz (E. 1 hievor), wonach in der bisherigen und in einer angepassten Erwerbstätigkeit volle Arbeitsfähigkeit mit um 10 bis 15 % verminderter Leistungsfähigkeit aus psychischen Gründen vorliege, als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Mit blosser Kritik an einzelnen Aussagen des für die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung massgeblichen bidisziplinären Gutachtens hat sich das Bundesgericht nicht auseinanderzusetzen. Wie bereits das kantonale Gericht dargelegt hat, waren Dr. med. L.________ sämtliche Befunde, auch die Rhizarthrose und die Diskushernie, aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden medizinischen Vorakten bekannt. In seiner Teilexpertise ist die Diskushernie unter den Untersuchungsbefunden aufgeführt. Ebenso wiederholt erwähnt ist die Rhizarthrose (Arthrose des Daumensattelgelenks) links. Wenn der Gutachter diesen Befunden nicht die gleiche Bedeutung für die Festlegung der Arbeitsfähigkeit beigemessen hat wie die Versicherte selbst, ist dies eine medizinische Frage, deren Beantwortung die Vorinstanz zu Recht als nicht in ihren Aufgabenbereich fallend betrachtet hat. Gleiches gilt für die beschwerdeweise vorgetragene materielle Beanstandung des psychiatrischen Teilgutachtens des Dr. med. B.________. Die Einstufung einer Depression als schwer, mittelschwer oder leicht obliegt dem Facharzt, wogegen es dem Laien nicht möglich sein dürfte, die entsprechenden Testresultate und Untersuchungsergebnisse schlüssig zu interpretieren. Dass der Administrativgutachter keine mittelschwere Depression, sondern eine leichte Dysthymie, entsprechend einer milden Depression, diagnostiziert hat, ist kein Grund, den auf diesen Angaben basierenden Entscheid der Vorinstanz als willkürlich oder in Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ergangen zu qualifizieren. Im Lichte dieser Darlegungen erübrigen sich zusätzliche medizinische Abklärungen in Form einer neuen interdisziplinären Begutachtung. 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz hat im Rahmen des Einkommensvergleichs als hypothetisches Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) das von der Versicherten im Jahre 2008 mit der Vollzeitstelle bei der Q.________ AG und einer Teilzeitstelle von 20 % als Reinigungskraft in einer Zahnarztpraxis erzielte Einkommen von insgesamt Fr. 71'042.85 herangezogen. Nach der Rechtsprechung kann ein Nebeneinkommen dann als Validenlohn berücksichtigt werden, falls ein solches bereits im Gesundheitsfall erzielt worden ist und weiterhin erzielt worden wäre, wenn die versicherte Person keinen Gesundheitsschaden erlitten hätte (SZS 2008 S. 569 mit Hinweisen; 9C_45/2008). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, weshalb die Festlegung des Valideneinkommens im vorinstanzlichen Entscheid nicht zu beanstanden ist. 
Für die Ermittlung des Invalideneinkommens ging die Vorinstanz von einem Betrag von Fr. 49'392.- laut Schweizerischer Lohnstrukturerhebung 2008 des Bundesamtes für Statistik (Tabelle TA 1, Anforderungsniveau 4 [einfache und repetitive Tätigkeiten], Total Frauen) aus, welchen sie auf 120 %, entsprechend dem vor Eintritt des Gesundheitsschadens verrichteten Pensum, hochrechnete. Von der resultierenden Summe von Fr. 61'641.20 brachte sie zufolge der im fachärztlichen Gutachten attestierten Leistungseinbusse 15 % in Abzug, womit sich ein Invalideneinkommen von Fr. 52'395.- ergab. Verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 71'042.- resultierte ein Invaliditätsgrad von 26 %. 
3.2 
3.2.1 Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass für den Einkommensvergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Beginns des Rentenanspruchs massgebend sind, wobei Validen- und Invalideneinkommen auf zeitidentischer Grundlage zu erheben sind (BGE 129 V 222 E. 4.1 und 4.2 S. 223 f.), weshalb die Vorinstanz die Vergleichseinkommen aus dem Jahre 2009 hätte heranziehen müssen. Denn die Beschwerdeführerin hat sich am 12. Juni 2009 bei der Invalidenversicherung angemeldet. Ein allfälliger Rentenanspruch wäre nach Art. 29 Abs. 1 IVG (in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung) somit frühestens am 12. Dezember 2009, nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs, entstanden. Da der Unterschied zwischen den Tabellenlöhnen 2008 und den Löhnen 2009 wegen geringer Teuerung sowie unbedeutender Reallohnerhöhungen zu vernachlässigen ist, kommt der Tatsache, dass die Vorinstanz die Zahlen aus dem Jahre 2008 statt diejenigen aus dem Jahr 2009 verwendet hat, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. 
3.2.2 Dass das kantonale Gericht auch für die Ermittlung des hypothetischen Invalideneinkommens von einem Arbeitspensum von 120 % ausgegangen ist, verletzt kein Bundesrecht. Die Beschwerdeführerin ist nicht invaliditätsbedingt ausserstande, im bisherigen zeitlichen Umfang erwerbstätig zu sein. Eine Verminderung des Arbeitspensums aus gesundheitlichen Gründen ist nicht erforderlich. Laut Angaben des Dr. med. B.________ besteht bei der Versicherten aus psychischer Sicht bei zumutbarer Vollzeittätigkeit eine Reduktion der Leistungsfähigkeit um maximal 10 bis 15 %, während gemäss Dr. med. L.________ keine somatisch bedingten Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit vorliegen. Die Feststellung des kantonalen Gerichts, die Experten hätten für die Beschwerdeführerin leidensbedingt nicht bloss eine Teilzeitbeschäftigung von 85 bis 90 % eines vollen, sondern des bisher verrichteten Pensums als zumutbar erachtet, ist nicht offensichtlich unrichtig. Dementsprechend erscheint es folgerichtig, dass die Vorinstanz auch das Invalideneinkommen auf der Grundlage eines Arbeitspensums von 120 % berechnet und hievon einen Abzug von 15 % für die im Gutachten festgehaltene Einbusse der Leistungsfähigkeit vorgenommen hat. Inwieweit das Verwaltungsgericht mit diesem Vorgehen Bundesrecht verletzt haben soll, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Nachdem gemäss angefochtenem Entscheid verbindlich feststeht, dass nur eine geringfügige Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit gegeben ist, erscheint es wenig hilfreich, in diesem Zusammenhang nochmals sämtliche Diagnosen und Befunde aufzuzählen und ohne nähere Begründung eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu behaupten. Schliesslich wird in der Beschwerde nicht ausgeführt, weshalb der Verzicht der Vorinstanz, vom hypothetischen Invalideneinkommen einen sogenannten leidensbedingten Abzug vorzunehmen (vgl. dazu BGE 126 V 75 E. 5b/aa-cc S. 79 f.), bundesrechtswidrig sein sollte. Der Eventualantrag ist nach dem Gesagten ebenfalls unbegründet. 
 
4. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 30. Dezember 2011 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer