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Urteilskopf

102 Ib 203


33. Urteil vom 9. April 1976 i.S. Firma Hofmann AG gegen Gemeinderat Littau und Regierungsrat des Kantons Luzern

Regeste

Gewässerschutz; Ölunfall; Verteilung der Kosten der Feststellung und Behebung einer Grundwasserverunreinigung, wenn mehrere Störer beteiligt sind.
Begriff des Verursachers nach Art. 8 GSchG (E. 2).
Begriff des Verhaltens- und des Zustandstörers (E. 3).
Grundsätze der Störerauswahl bei Haftungskonkurrenz (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 204

BGE 102 Ib 203 S. 204
Am 21. November 1973 ereignete sich auf der Liegenschaft der Firma Hofmann AG in Littau ein Ölunfall. Durch einen Defekt an der Heizölversorgung gelangten mehrere Tausend Liter Öl in den Boden, wodurch die Grundwasserversorgung der Gemeinde Littau in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Betrieb der Gemeindewasserversorgung musste vorübergehend eingestellt werden, um zu verhindern, dass ölverseuchtes Wasser in das Leitungsnetz gelangen konnte; während dieser Zeit musste die Gemeinde das fehlende Wasser aus dem Pumpwerk Thorenberg der Stadt Luzern beziehen. Zur Behebung des Schadens wurden die Ölwehr Emmen, die gemeindeeigene Feuerwehr, das Werkpersonal, eine militärische Einheit, ein Baugeschäft sowie ein Bohrunternehmen beigezogen. Überdies wurden chemische Laboruntersuchungen notwendig.
Wegen dieses Ölunfalls wurde gegen den verantwortlichen Equipenchef der Firma, die am 5. Dezember 1972 die letzte Tankrevision durchgeführt hatte, ein Strafverfahren eingeleitet. Das Amtsgericht Luzern-Land verurteilte ihn wegen fahrlässiger Trinkwasserverschmutzung zu einer Busse von Fr. 500.--, und das Obergericht des Kantons Luzern bestätigte das Urteil. Der Verurteilte hat beim Bundesgericht eine Kassationsbeschwerde und eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht.
Am 24. Juni 1974 verfügte der Gemeinderat Littau, die Kosten für die Feststellung und Behebung der Grundwasserverunreinigung infolge des Ölunfalls und alle weiteren daraus sich ergebenden Kosten seien in Art. 8 GSchG der Firma Hofmann zu belasten, und es wurde dieser Firma eine Frist von 30 Tagen angesetzt zur Bezahlung der bisher aufgelaufenen Kosten von Fr. 319'017.90. Das Forderungsrecht für weitere Kosten, insbesondere auch für den Fremdwasserbezug, wurde ausdrücklich vorbehalten.
Der Regierungsrat des Kantons Luzern hiess eine von der Firma Hofmann gegen die Verfügung des Gemeinderates Littau eingereichte Verwaltungsbeschwerde teilweise gut. Er stellte fest, die Kosten des Fremdwasserbezuges beträfen nicht
BGE 102 Ib 203 S. 205
Massnahmen zur Sicherung oder Wiederherstellung des bisherigen Wasserbezugsortes und könnten daher nicht gemäss Art. 8 GSchG auf die Firma überwälzt werden. Die Gemeinde Littau habe diese Kosten in einem zivilrechtlichen Verfahren geltend zu machen. Dagegen seien der Beschwerdeführerin in Anwendung von Art. 8 GSchG die Kosten des Ölwehreinsatzes, der Arbeitsleistung Dritter und des Materials im Gesamtbetrag von Fr. 191'043.60 zu belasten. Material, das die Gemeinde Littau nach Durchführung der Massnahmen übernommen habe, müsse sie der Beschwerdeführerin ersetzen.
Die Firma Hofmann hat beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Hauptantrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
Der Gemeinderat Littau und der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragen Abweisung der Beschwerde, während das Eidgenössische Departement des Innern auf einen förmlichen Antrag verzichtet hat.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Nach Art. 8 GSchG können die Kosten von Massnahmen, welche die zuständigen Behörden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gewässerverunreinigung sowie zur Feststellung und zur Behebung einer Verunreinigung treffen, den Verursachern überbunden werden. Diese Vorschrift wurde in Anlehnung an das Urteil BGE 91 I 295 in das neue Gewässerschutzgesetz aufgenommen, um für die Kostenbelastung des Verursachers bei der auf dem Gebiete des Gewässerschutzes häufig notwendigen antizipierten Ersatzvornahme eine eindeutige gesetzliche Regelung zu schaffen (Botschaft des Bundesrates vom 26. August 1970 II 446 f.).
Durch den angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat in Anwendung von Art. 8 GSchG Kosten von Sicherungsmassnahmen der beschwerdeführenden Firma Hofmann überbunden. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird bestritten, dass nach den konkreten Umständen die Zahlungspflicht gemäss Art. 8 GSchG die Beschwerdeführerin treffe. Subsidiär wird die Berechnung der Kosten der Sicherungsmassnahmen beanstandet.
BGE 102 Ib 203 S. 206

2. Gemäss Art. 8 GSchG können die Kosten "den Verursachern" überbunden werden. Der Regierungsrat geht davon aus, der Begriff "Verursacher" decke sich mit dem verwaltungsrechtlichen Begriff "Störer" (BGE 91 I 144 und 302). Dieser Argumentation ist grundsätzlich zuzustimmen. Wenn es eine Störung oder Gefahr zu beheben gilt, so hat sich die Behörde einem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz zufolge an den Störer zu halten (BGE 87 I 113 f., BGE 90 I 4 E. 1). Auch die Kostenzahlungspflicht bei antizipierter Ersatzvornahme trifft im Prinzip die Störer, d.h. die Verursacher der Störung oder Gefährdung. Allerdings ist dabei zu beachten, dass der Begriff des Störers ursprünglich und in erster Linie entwickelt worden ist, um denjenigen zu bezeichnen, an den sich überwachungsbehördliche Massnahmen präventiver oder repressiver Art zu richten haben. Den Störer trifft die sogenannte Polizeipflicht, er hat im Rahmen seiner Möglichkeiten die Störung zu beseitigen oder zu verhindern (vgl. H.J. WOLFF, Verwaltungsrecht III, 3. Aufl. S. 59 ff.; ULE-RASCH, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 109). Für diese primäre Funktion des Störerbegriffs zur Umschreibung des Trägers der Polizeipflicht, der die Gefahr oder Störung zu beseitigen hat, ist neben dem Gesichtspunkt der Verursachung oder Mitverursachung auch die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der wirksamen Wiederherstellung des polizeigemässen Zustandes von wesentlicher Bedeutung. So erwähnen etwa DREWS-WACKE (Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl. S. 245) als Faktoren, die bei der Wahl des im konkreten Fall Polizeipflichtigen unter mehreren Verursachern von Bedeutung sein können, folgende Gesichtspunkte: leichte Feststellbarkeit des Verursachers, sachliche und örtliche Nähe zum Gefahrenherd, persönliche und sachliche Leistungsfähigkeit und Eignung. Wenn es jedoch, wie bei der Anwendung von Art. 8 GSchG, nicht darum geht, denjenigen zu bestimmen, der zur Beseitigung der Gefahr heranzuziehen ist, sondern um die Regelung der Zahlungspflicht für Massnahmen, die nach der Natur der Sache (Dringlichkeit, personelle und fachliche Voraussetzungen) nicht von den Verursachern getroffen, sondern durch die zuständigen Verwaltungsinstanzen direkt veranlasst werden müssen, dann kann jenen Überlegungen der Verwaltungsrechtslehre, welche aus praktischen Gründen die rasche Bestimmung eines zur effektiven Gefahrenabwehr verpflichteten
BGE 102 Ib 203 S. 207
Störers zum Gegenstand haben, keine entscheidende Bedeutung zukommen. Die blosse Regelung der Zahlungspflicht erfordert kein derart rasches und schematisches Vorgehen wie die Bestimmung des zur Unterlassung oder Beseitigung einer Störung Verpflichteten.
Es ist somit davon auszugehen, dass als Verursacher im Sinne von Art. 8 GSchG alle nach Doktrin und Praxis als Störer für eine Gefahr oder Störung Verantwortlichen in Frage kommen. Sind für die Gewässerverschmutzung oder Verschmutzungsgefahr mehrere Personen verantwortlich, so ist das sich dabei ergebende Konkurrenzproblem unter Berücksichtigung des Umstandes zu prüfen, dass nicht über die Pflicht zur effektiven Gefahrenabwehr, sondern über die blosse Kostentragungspflicht zu entscheiden ist.

3. In BGE 91 I 302 E. 3b hat das Bundesgericht erklärt, als Störer sei zu betrachten, wer die Störung oder Gefahr verursacht habe, aber auch, wer über die Personen oder Sachen, die den ordnungswidrigen Zustand geschaffen haben, Gewalt besitze. Diese Umschreibung entspricht weitgehend der heute in Doktrin und Praxis allgemein anerkannten Unterscheidung zwischen Verhaltensstörer und Zustandsstörer (Verhaltens- oder Handlungshaftung und Zustandshaftung): Verhaltensstörer ist, wer durch eigenes Verhalten oder durch das unter seiner Verantwortung erfolgende Verhalten Dritter (Kinder, Verrichtungsgehilfen eines Geschäftsherrn) eine polizeiwidrige Gefahr oder Störung verursacht. Als Zustandsstörer wird bezeichnet, wer für die Beseitigung von Gefahren oder Störungen verantwortlich ist, die sich aus dem polizeiwidrigen Zustand von Sachen ergeben. Die Zustandshaftung trifft denjenigen, der als Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt in einem herrschenden Verhältnis zur störenden Sache steht (vgl. H.J. WOLFF, a.a.O., S. 61 ff., § 127 I; in ähnlichem Sinne DREWS-WACKE, a.a.O., S. 217 ff., ULE-RASCH, a.a.O., S. 108 ff. und 115 ff.).
Nach allgemeiner Auffassung ist die polizeirechtliche Haftung durch ein zusätzliches Kriterium einzuschränken: In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird vielfach die Unmittelbarkeit der Verursachung als haftungsbegrenzendes Erfordernis bezeichnet. Danach kommen als polizeirechtlich erhebliche Ursachen nur solche Handlungen in Betracht, die bereits selbst die Grenze zur Gefahr überschritten haben. Nur derjenige
BGE 102 Ib 203 S. 208
ist polizeirechtlich Störer, dessen Verhalten schon selbst unmittelbar die Gefahr gesetzt hat; entferntere, lediglich mittelbare Verursachungen scheiden also aus (DREWS-WACKE a.a.O. S. 223). H.J. WOLFF (a.a.O. S. 62) schlägt vor, auf die Polizeiwidrigkeit der Erfolgsverursachung abzustellen; wesentliche Ursachen sind danach diejenigen Tatsachen, welche als solche die Gefahr oder Störung in rechtlich missbilligter Weise herbeigeführt haben.

4. a) Im vorliegenden Fall ist - wie die Strafuntersuchung ergeben hat - die Verschmutzung des Grundwassers darauf zurückzuführen, dass Verbindungsleitungen der Tankanlage der Beschwerdeführerin verrostet waren und undichte Stellen aufwiesen. Als Eigentümerin der mangelhaften, polizeiwidrigen Tankanlage ist die Beschwerdeführerin als Zustandsstörerin verantwortlich. Auch wenn die Mängel der Tankanlage von den Organen der Beschwerdeführerin nicht erkannt worden sein sollten, so wäre auf Grund des tatsächlichen Beherrschungsverhältnisses über die polizeiwidrige Einrichtung die Zustandshaftung gegeben.
b) Nach dem angefochtenen Entscheid des Regierungsrates soll die Beschwerdeführerin auch als Verhaltensstörerin haftbar sein, weil die Anlage ungenügend kontrolliert bzw. unterhalten worden sei.
Aus den Akten ergeben sich einige Hinweise, die vermuten lassen, dass die Gefahr von Leckschäden möglicherweise für die zuständigen Angestellten der Beschwerdeführerin erkennbar war und nicht nur durch eine fachmännische Tankrevision festgestellt werden konnte. Der Vorwurf der Verhaltensstörungen durch fahrlässige oder vorsätzliche Unterlassung wird im Entscheid des Regierungsrates nicht näher begründet. Um das Ausmass der Verantwortung der Beschwerdeführerin festzulegen, muss jedoch abgeklärt werden, ob die Gefahr von Ölverlusten - etwa wegen des Zustandes sichtbarer Leitungen (starker Rost) oder wegen des Auftretens von Wasser im Heizöl - erkannt wurde oder hätte erkannt werden sollen.
c) Ausser der Beschwerdeführerin als Zustands- und eventuell als Verhaltensstörerin kommt - nach dem bisherigen Ergebnis des Strafverfahrens - als weiterer Störer Ernst Hofer in Frage, der als Equipenchef der Firma Forster am 5. Dezember 1972 eine Tankrevision der Anlage durchführte und dem zur Last gelegt wird, er habe wegen ungenügender
BGE 102 Ib 203 S. 209
Kontrollen den damals bereits vorhandenen polizeiwidrigen Zustand der von Rost angefressenen Verbindungsleitung nicht erkannt. Wenn die Tankrevision tatsächlich mangelhaft durchgeführt wurde, so stellt sich auch die Frage der Haftung der Tankrevisionsfirma.

5. a) Der Regierungsrat schliesst im angefochtenen Entscheid keineswegs aus, dass neben der Beschwerdeführerin noch andere natürliche oder juristische Personen als Verursacher der Gewässerverschmutzung in Frage kommen könnten. Der Gemeinderat Littau erklärt in der Vernehmlassung, für den weitern Schaden werde in erster Linie die Tankrevisionsfirma Forster AG belangt werden; aber bis zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung an die Beschwerdeführerin sei kein anderer Verursacher mit genügender Sicherheit bekannt gewesen.
Der angefochtene Entscheid beruht auf der Auffassung, dass bei einer Mehrheit von Störern die Behörde sich zwar nicht nach freier Wahl an irgendeinen Verantwortlichen halten könne (in diesem Sinne BGE 94 I 411 E. 5d), aber doch die Möglichkeit habe, nach pflichtgemässem Ermessen einen der Störer mit der vollen Zahlungspflicht zu belasten und ihm die Auseinandersetzung mit andern Verantwortlichen zu überlassen (ähnlich RR Aargau in ZBl 1976 S. 34 f.).
b) URS GUENG hat in kritischer Auseinandersetzung mit BGE 94 I 411 Regeln über die Störerauswahl bei Haftungskonkurrenz zu entwickeln versucht ("Zur Haftungskonkurrenz im Polizeirecht" in ZBl 1973 S. 257 ff. insbesondere 270 f.). Er hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die zivilrechtliche Haftungssolidarität dem Geschädigten für einen möglichst umfassenden Ausgleich der erlittenen Einbusse Gewähr bieten wolle, während im Polizeirecht für die Lösung der Konkurrenzfrage nicht die möglichst einfache und rasche Deckung finanzieller Ansprüche des Gemeinwesens ausschlaggebend sein könne. Ob die von Gueng in Anlehnung an die deutsche Lehre entwickelten Auswahlregeln den praktischen Erfordernissen genügen, wenn es darum geht, den zur Behebung der Störung Verpflichteten rasch zu bestimmen, kann hier offen bleiben. Auf jeden Fall verdient die von Gueng vorgebrachte Kritik der bisherigen Praxis Beachtung, soweit sie sich auf die Verteilung der Kosten einer antizipierten Ersatzvornahme bezieht.
BGE 102 Ib 203 S. 210
Trifft die zuständige Behörde von vornherein selber oder durch Dritte die zur Behebung des polizeiwidrigen Zustandes erforderlichen Massnahmen, weil nach der Art dieser Massnahmen deren fachgemässe Durchführung von keinem der Störer erwartet und verlangt werden kann, dann reduziert sich das Problem der Haftungskonkurrenz auf die nachträgliche Kostenbelastung. Es besteht kein haltbarer Grund, in diesem Fall nur einen der in Frage kommenden Verursacher zur Zahlung der Kosten zu verpflichten und ihm die Auseinandersetzung mit den übrigen Beteiligten zu überlassen (GUENG, a.a.O., S. 273 f.). Weder ein Rechtssatz noch eine stichhaltige theoretische Überlegung zwingen zum Schluss, die Bestimmung der Kostenersatzpflicht bei antizipierter Ersatzvornahme habe nach den genau gleichen Regeln zu erfolgen, wie die Wahl des zur Behebung des polizeiwidrigen Zustandes verpflichteten Störers. Für die Regelung der Kostenpflicht bei antizipierter Ersatzvornahme gebietet pflichtgemässes Ermessen eine Kostenverlegung, welche im Rahmen des Möglichen nach den allgemeinen Prinzipien des Haftpflichtrechts den subjektiven und objektiven Anteilen an der Verursachung entspricht (BGE 101 Ib 417 ff. E. 6).
c) Im vorliegenden Fall haben Gemeinderat und Regierungsrat es unterlassen, die möglichen Verursachungsanteile genauer abzuklären und eine gerechte Aufteilung der Kostenpflicht zwischen den festgestellten Verursachern vorzunehmen. Eine solche Bestimmung der Verursachungsquoten mag in manchen Fällen recht schwierig sein. Es besteht aber kein Grund, die zuständige Behörde von dieser Aufgabe zu entlasten und die schematische Überwälzung der Kosten auf einen einzelnen von mehreren Verursachern zu gestatten. Art. 8 GSchG schafft keine solche "Solidarhaft" unter verschiedenen Verursachern. Aus dieser Bestimmung kann auch nicht das Recht abgeleitet werden, die bis zur Eruierung weiterer Verursacher aufgelaufenen Kosten von Abwehrmassnahmen dem zuerst bekannten Zustandsstörer - dem Eigentümer der mangelhaften Anlage - zu überbinden und allfällige weitere Verursacher erst zur Tragung später entstehender Kosten zu verpflichten, wie der Gemeinderat Littau dies offenbar vorgesehen hat. Die Kosten von Massnahmen sind vielmehr nach möglichst genauer Abklärung des Hergangs auf die verschiedenen Verursacher nach analogen Grundsätzen zu verteilen,
BGE 102 Ib 203 S. 211
wie sie für das Innenverhältnis (Regress zwischen mehreren Ersatzpflichtigen) im privaten Haftpflichtrecht gelten (vgl. OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht I, 4. Aufl. S. 348 ff.); dabei dürfte in der Regel der schuldhafte Verhaltensstörer in erster Linie zu belangen und der schuldlose Zustandsstörer in letzter Linie heranzuziehen sein. Auch wenn einer von mehreren Verursachern Zustands- und Verhaltensstörer zugleich sein sollte, so hat diese doppelte Begründung seiner Haftung nicht eo ipso seine ausschliessliche Pflicht zur Tragung aller Kosten zur Folge; die andern Störer können im Rahmen ihrer Verursachungsanteile ebenfalls zur Kostentragung herangezogen werden.
Indem der Regierungsrat die Beschwerdeführerin allein zur Zahlung des vollen Betrages der bis zum Tag der erstinstanzlichen Verfügung aufgelaufenen Kosten verpflichtete, obschon zumindest die mangelhafte Tankrevision als weitere, nicht von der Beschwerdeführerin zu vertretende Ursache in Frage kommt, hat er Art. 8 GSchG verletzt. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben, und die Akten sind zu neuer Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Art. 8 GSchG erlaubt nicht ein den Staat oder die Gemeinde begünstigendes summarisches Verfahren, sondern verlangt eine differenzierte Feststellung der Verursachungsanteile.

6. Ob die einzelnen Posten der Kostenrechnung sachlich begründet sind, ist hier nicht zu untersuchen. Selbstverständlich hat die mit derartigen Kosten belastete Partei das Recht, spezifizierte Angaben zu verlangen und die Notwendigkeit der getroffenen Massnahmen allenfalls zu bestreiten. Bei der Überprüfung der Zweckmässigkeit der unter dem Druck der Verhältnisse kurzfristig angeordneten Massnahmen werden obere Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgericht in der Regel eher zurückhaltend sein; nur offensichtlich unnötige, leichtfertig gemachte Aufwendungen sind aus der Kostenberechnung zu streichen.
Es dürfte angezeigt sein, die beanstandeten Positionen der Kostenrechnung vor Erlass einer neuen Verfügung gemäss Art. 8 GSchG in einer mündlichen Verhandlung unter Beizug von Fachleuten zu klären. Die zum Teil recht pauschale Rechnungsstellung legt dieses Vorgehen nahe.
BGE 102 Ib 203 S. 212

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 23. Mai 1975 wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Abklärung und zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurückgewiesen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5 6

Dispositiv

Referenzen

BGE: 94 I 411, 91 I 295, 91 I 144, 87 I 113 mehr...

Artikel: Art. 8 GSchG