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Urteilskopf

116 II 493


90. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. September 1990 i.S. H. gegen S. (Berufung)

Regeste

Art. 46 OG; Streitwerterfordernis bei Streitigkeiten über die Höhe von Kinderalimenten.
Ist vor Bundesgericht einzig der Unterhaltsbeitrag für Kinder strittig, so handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG. Die Zulässigkeit der Berufung hängt daher vom Streitwert ab, selbst wenn im kantonalen Verfahren auch über die elterliche Gewalt selber zu entscheiden war (Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt ab Seite 494

BGE 116 II 493 S. 494
Mit Urteil vom 19. September 1989 hiess das Landgericht Uri ein Gesuch von H. auf Abänderung des Scheidungsurteils gut und übertrug H. die elterliche Gewalt über den Sohn X. Das Obergericht Uri bestätigte dieses Regelung und hielt im Urteil vom 17. Januar 1990 fest, dass die Mutter für ihren Sohn X. keine Unterhaltsbeiträge an H. zu bezahlen habe. Gegen diesen Entscheid wendet sich H. in der Unterhaltsfrage an das Bundesgericht.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Der vom Kläger für den Unterhalt des älteren Sohnes X. geforderte Beitrag erreicht den gemäss Art. 46 OG für vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeiten erforderlichen Streitwert von Fr. 8'000.-- nicht. Die Berufung ist daher grundsätzlich nur zulässig, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht als vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit zu betrachten ist.
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts kann der im Scheidungsurteil getroffene Entscheid über die Unterhaltspflicht für Kinder nicht nur zusammen mit der Scheidungsfrage, sondern unabhängig vom Vermögenswert der streitigen Leistungen auch selbständig an das Bundesgericht weitergezogen werden. Begründet wird diese Praxis damit, dass die Regelung der Unterhaltspflicht einen notwendigen Bestandteil des Scheidungsurteils und damit keine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit
BGE 116 II 493 S. 495
bilde (BGE 82 II 367, BGE 78 II 291, BGE 71 II 205 f.; ferner Entscheid vom 29. August 1984, veröffentlicht in Semaine judiciaire, 1985, S. 77 ff.). Das gleiche wird für das Verfahren auf Abänderung eines Scheidungsurteils nach Art. 157 ZGB angenommen, sofern über die elterliche Gewalt selber zu entscheiden ist (BÜHLER/SPÜHLER, N 37 zu Art. 157 ZGB). Ist in einem solchen Verfahren jedoch - von Anbeginn an - nur die Höhe der Unterhaltsbeiträge für Kinder strittig, so handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, für welche das Streitwerterfordernis zu beachten ist (BGE 95 II 75; BGE 85 II 366 -368, BGE 82 II 367).
b) Im vorliegenden Fall galt es, die elterliche Gewalt über den Sohn X. im Verfahren nach Art. 157 ZGB neu zu regeln. Die Frage der Unterhaltsbeitragspflicht stand somit in einem engen Zusammenhang mit einer nicht vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeit. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts wäre die Berufung des Klägers daher unabhängig vom Streitwert zulässig.
In der Lehre ist diese Rechtsprechung allerdings verschiedentlich auf berechtigte Kritik gestossen (HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 217 Anm. 21; STETTLER, Le droit suisse de la filiation, in: Traité de droit privé suisse, Bd. III/II/1, S. 377; SIEGFRIED SCHULLER, Die Berechnung des Streitwertes, Diss. Zürich 1974, S. 84). Es ist in der Tat kein Grund ersichtlich, weshalb Kinderrenten anders zu behandeln seien als andere vermögensrechtliche Streitigkeiten, die ebenfalls mit einer nichtvermögensrechtlichen Hauptfrage zusammenhängen können, wie dies zum Beispiel für Unterhaltsbeiträge des geschiedenen Ehegatten nach Art. 151 oder Art. 152 ZGB zutreffen kann (nicht veröffentlichter Entscheid vom 19. November 1966 in Sachen Schlatter gegen Bilger, E. 2; ferner BGE 95 II 75 f., BGE 78 II 290 f., BGE 69 II 149, BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, N 56 f. zu Art. 146 ZGB). Wie in diesen Fällen rechtfertigt sich ein Absehen vom Streitwerterfordernis bei Kinderrenten nur dann, wenn der nichtvermögensrechtliche Streitpunkt vor Bundesgericht ebenfalls angefochten wird. Wird hingegen nur die Frage der Beitragspflicht oder deren Höhe mittels Berufung an das Bundesgericht weitergezogen, so muss bei richtiger Betrachtungsweise das Streitwerterfordernis gemäss Art. 46 OG erfüllt sein. Ob der kantonale Richter gemäss Art. 156 oder im Verfahren nach Art. 157 ZGB zusätzlich über die Gestaltung der Elternrechte zu befinden hatte oder nicht,
BGE 116 II 493 S. 496
kann für die Zulässigkeit der vor Bundesgericht gestellten Begehren nicht entscheidend sein.
Bei diesem Ergebnis erweist sich die Berufung des Klägers an sich als unzulässig. Im vorliegenden Fall ist indes eine Ausnahme zu machen, da sich der Kläger gestützt auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts nach Treu und Glauben darauf verlassen durfte, mit der Berufung ein zulässiges Rechtsmittel ergriffen zu haben. Einem Eintreten auf die Berufung steht insoweit somit nichts entgegen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2

Referenzen

BGE: 82 II 367, 95 II 75, 85 II 366

Artikel: Art. 46 OG, Art. 157 ZGB, Art. 151 oder Art. 152 ZGB, Art. 146 ZGB