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Urteilskopf

117 II 1


1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Februar 1991 i.S. SRG gegen Amway (Schweiz) AG (Berufung)

Regeste

Durchsetzung des Rechts auf Gegendarstellung. Art. 28i und Art. 28l ZGB.
1. Der Richter kann im Verfahren nach Art. 28l ZGB den Text einer Gegendarstellung abändern, wenn dies nötig ist, um diesen den gesetzlichen Anforderungen anzupassen. Der geänderte Text darf inhaltlich nicht über die Aussagen hinausgehen, die bereits im Text enthalten waren, der dem Medienunternehmen vorlag (E. 2b).
2. Können die Abänderungen vom Richter ohne weiteres vorgenommen werden, so muss er den vorgelegten Text den gesetzlichen Erfordernissen anpassen und darf die Klage nicht abweisen (E. 2c).
3. Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, muss davon ausgegangen werden, dass derjenige, der eine Gegendarstellung verlangt, eine teilweise Gutheissung seiner Klage der vollständigen Abweisung vorzieht (E. 2d).
4. Solange das massgebliche Prozessrecht es zulässt, kann auch der Kläger den Text der Gegendarstellung kürzen oder inhaltlich einschränken (E. 2e).

Sachverhalt ab Seite 2

BGE 117 II 1 S. 2

A.- Am 27. November 1989 strahlte das Fernsehen der deutschen und rätoromanischen Schweiz (DRS) in der Sendung "Kassensturz" einen Beitrag aus, der sich u.a. mit dem Geschäftsgebaren der Amway (Schweiz) AG auseinandersetzte. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1990 ersuchte die Amway (Schweiz) AG die Direktion DRS, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, was von der SRG als Trägerin des Fernsehens DRS abgelehnt wurde.

B.- Mit Eingabe vom 25. Januar 1990 gelangte die Amway (Schweiz) AG an den Einzelrichter im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich mit dem gegen die SRG gerichteten Begehren um Veröffentlichung der erwähnten Gegendarstellung. Mit Verfügung vom 2. Februar 1990 wies der Einzelrichter dieses Begehren ab.
Einen gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs der Amway (Schweiz) AG hiess das Obergericht mit Beschluss vom 22. Mai 1990 zum Teil gut und ordnete eine gegenüber dem Begehren gekürzte und teilweise auch veränderte Gegendarstellung an.

C.- Gegen diesen Beschluss gelangt die SRG mit Berufung an das Bundesgericht und verlangt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides, soweit damit die Gegendarstellung angeordnet und ihr Kosten auferlegt wurden.
Die Amway (Schweiz) AG verlangt die Abweisung der Berufung.
Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen zur Berufung verzichtet.
Die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat die Aufzeichnung des fraglichen Teils der "Kassensturz"-Sendung vom 27. November 1989 visioniert.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden
BGE 117 II 1 S. 3

Erwägungen

Erwägungen:

2. Die Beklagte macht in ihrer Berufung eine Verletzung der Art. 28i und 28l ZGB geltend, weil der vom Obergericht zur Gegendarstellung zugelassene Text nicht mit demjenigen übereinstimme, der ihr vor dem gerichtlichen Verfahren von der Klägerin unterbreitet worden sei.
a) Die Beklagte macht geltend, Gegenstand der gerichtlich angeordneten Gegendarstellung könne nur jener Text sein, der vor dem Prozess dem Medienunternehmen unterbreitet worden sei. Das Gesetz sehe die richterliche Durchsetzung nur als subsidiäre Möglichkeit vor. Der Gesetzgeber habe grosses Gewicht darauf gelegt, dass das Gegendarstellungsrecht ohne richterliche Einmischung auskomme. Der Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung bestehe deshalb nur bezüglich eines Textes, der vorgängig dem Medienunternehmen unterbreitet und dessen Veröffentlichung von diesem abgelehnt worden sei. Von bloss grammatikalischen und orthographischen Korrekturen abgesehen, sei deshalb eine Änderung des Textes im gerichtlichen Verfahren nicht zulässig.
In der Tat war es dem Gesetzgeber ein Anliegen, dass sich das Gegendarstellungsrecht in der Regel ohne Prozesse verwirkliche. Dabei waren zwei Überlegungen ausschlaggebend: Zum einen ist das ganze Institut auf ein rasches Handeln angelegt; ein gerichtliches Verfahren dauert aber immer eine gewisse Zeit. Zum andern gilt es aber auch, die Medienunternehmen vor Prozesskosten und den mit einem gerichtlichen Verfahren verbundenen Umtrieben zu schützen, wenn der Anspruch gar nicht bestritten ist.
In einem 1989 ergangenen Entscheid hat das Bundesgericht selber den Text einer Gegendarstellung zur Präzisierung abgeändert (BGE 115 II 119 E. 5c). In diesem Verfahren scheint allerdings die Frage nicht streitig gewesen zu sein, ob eine Abänderung durch den Richter grundsätzlich zulässig sei. Entsprechend finden sich auch keine Ausführungen dazu. Es rechtfertigt sich somit, die Frage neu zu prüfen.
b) Ob sich aus den Art. 28i und 28l ZGB ein absolutes Verbot zur Abänderung des Textes nach Rechtshängigkeit des Gegendarstellungsprozesses ergibt, ist in der Lehre umstritten. PEDRAZZINI/OBERHOLZER gehen davon aus, dass ein solches Vorgehen der grundsätzlichen Regelung widerspreche (PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, Bern 1989, S. 168). HOTZ nimmt mit Verweis auf einen Entscheid des Zürcher Obergerichts
BGE 117 II 1 S. 4
offenbar auch an, dass der Kläger im gerichtlichen Verfahren nur genau den Text vorlegen dürfe, den er vorgängig dem Medienunternehmen unterbreitet habe (KARL MATTHIAS HOTZ, Kommentar zum Recht auf Gegendarstellung (ZGB 28g-l), Bern und Stuttgart 1987, S. 107). Andererseits lässt der gleiche Autor dann aber Streichungen und andere Änderungen des Textes durch den Richter unter gewissen Voraussetzungen und in beschränktem Umfang zu (HOTZ, S. 110 f.). TERCIER führt aus, dass der Richter die Veröffentlichung einer abgeänderten oder gekürzten Gegendarstellung auf jeden Fall dann anordnen könne, wenn der Kläger ein entsprechendes Begehren gestellt habe. Allerdings sei Voraussetzung, dass eine Anpassung leicht möglich sei (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984, Rz. 1714). Die Änderung durch den Richter lässt auch BUCHER zu (ANDREAS BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, Basel und Frankfurt a.M. 1986, S. 191).
aa) Sinnvollerweise kann es in der Tat dem Richter nicht verwehrt werden, eine verlangte Gegendarstellung auf ein gesetzeskonformes Mass zu kürzen. Prozessual bedeutet dies eine teilweise Gutheissung des Begehrens. Bezüglich Streichungen kann auch das Argument nicht gelten, der Text habe dem Medienunternehmen nicht vorgelegen. Dieses hatte die Möglichkeit, dem Kläger bekanntzugeben, welche Teile des Textes es bereit sei zu publizieren; es konnte sogar ohne weiteres eine entsprechend gekürzte Veröffentlichung vornehmen, allerdings auf die Gefahr hin, eine zweite Gegendarstellung veröffentlichen zu müssen, wenn sich in einem Prozess nachträglich herausstellen sollte, dass die Kürzung nicht gerechtfertigt war (vgl. TERCIER, Rz. 1540 ff.).
bb) Die gesetzlichen Anforderungen an eine Gegendarstellung können es aber als erforderlich erscheinen lassen, den Text nicht nur zu kürzen, sondern auch abzuändern oder gar zu ergänzen. Inhaltlich braucht es dabei nicht um etwas anderes zu gehen als bei einer Kürzung. Wie das Kürzen kann auch das Abändern darin bestehen, die Gegendarstellung einzuschränken, d.h. eine weniger weitgehende Aussage zuzulassen als die ursprünglich verlangte.
Namentlich wenn der Text nur in wenigen Punkten nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, wäre es stossend, wenn die Klage auf Gegendarstellung abgewiesen werden müsste, bloss weil der Richter den Text nicht den gesetzlichen Erfordernissen anpassen kann. Das Institut der Gegendarstellung ist nur sinnvoll, wenn die Veröffentlichung möglichst rasch erfolgt. Deshalb schreibt das
BGE 117 II 1 S. 5
Bundesrecht den Kantonen auch ein rasches Verfahren vor (Art. 28l Abs. 3 ZGB). Ein schnelles Handeln hindert aber die betroffene Person oft daran, den Text, den sie dem Medienunternehmen vorlegt, mit grösster Sorgfalt zu erarbeiten. Auch von daher sollte es ihrem Anspruch nicht schaden, wenn die verlangte Gegendarstellung nicht von Anfang an vollständig gesetzeskonform ist.
cc) Sowohl Kürzungen als auch Ergänzungen sind allerdings nur insoweit zulässig, als dadurch inhaltlich nicht über die Aussagen hinausgegangen wird, die bereits im Text enthalten waren, der dem Medienunternehmen vorlag. Insoweit wird mit den zulässigen Änderungen nur die ursprünglich verlangte Gegendarstellung abgeschwächt. Der geänderte Text muss inhaltlich - nicht bezüglich der Anzahl Wörter - gegenüber dem ursprünglichen Text ein Minus darstellen. Insoweit können auch keine prozessualen Bedenken diesem Vorgehen entgegenstehen, da die Änderungen eine teilweise Gutheissung der Klage bedeuten (vgl. TERCIER, Rz. 1714).
c) Da sowohl das Kürzen als auch das sonstige Ändern des Textes durch den Richter eine Minderung der Gegendarstellung gegenüber dem vom Kläger Verlangten darstellen, kann es nicht im freien Ermessen des Richters liegen, ob er den Text den gesetzlichen Erfordernissen anpassen oder die Klage abweisen will. Der Richter darf eine Klage nicht abweisen, wenn der Anspruch teilweise begründet ist. Das Überklagen stellt keinen Grund dar, den Anspruch auch abzulehnen, soweit er begründet ist.
Eine teilweise Gutheissung kommt allerdings nur in Frage, sofern die Klage so formuliert ist, dass die Abänderungen vom Richter ohne weiteres vorgenommen werden können. Es ist diesem nicht zuzumuten, die Gegendarstellung selber zu redigieren.
d) Die Beklagte macht sodann geltend, die Abänderung des Textes sei deshalb nicht zulässig gewesen, weil die Klägerin ihr nicht zugestimmt habe.
Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, muss davon ausgegangen werden, dass derjenige, der eine Gegendarstellung verlangt, eine teilweise Gutheissung seiner Klage der vollständigen Abweisung vorzieht. Dem raschen Verfahren entspricht es zudem eher, die veränderte Gegendarstellung ohne prozessuale Weiterungen und damit auch ohne ein nochmaliges Anhören des Klägers anzuordnen (a.M. offenbar TERCIER, Rz. 1714). Überdies hat die Klägerin in ihrem Eventualantrag vor Obergericht ausdrücklich
BGE 117 II 1 S. 6
verlangt, allenfalls einzelne Ziffern ihres Textes zur Gegendarstellung zu bringen. Dieser Antrag kann vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass sie auch mit der (allenfalls auch nur inhaltlichen) Kürzung einzelner Ziffern einverstanden wäre.
e) Soweit der Richter den Text abändern kann, muss dies auch dem Kläger möglich sein, jedenfalls solange dieser nach dem massgeblichen Prozessrecht noch von seiner Klage teilweise Abstand nehmen kann. Insoweit kann der Kläger auch noch in einer Berufung an das Bundesgericht gewisse Änderungen am Text vornehmen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2

Referenzen

BGE: 115 II 119

Artikel: Art. 28l ZGB, Art. 28i und Art. 28l ZGB, Art. 28l Abs. 3 ZGB