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Urteilskopf

117 V 121


12. Urteil vom 29. April 1991 i.S. E. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich

Regeste

Art. 33 Abs. 3 und Art. 33bis Abs. 1 AHVG.
Bei Ablösung einer bisherigen Rente durch eine neue Hauptrente schliesst die formelle Rechtskraft der früheren Rentenzusprechung die richterliche Prüfungszuständigkeit bezüglich der neu verfügten Hauptrente nicht aus (Änderung der Rechtsprechung).

Sachverhalt ab Seite 121

BGE 117 V 121 S. 121

A.- Mit Verfügung vom 17. Juli 1987 sprach die Ausgleichskasse des Kantons Zürich Jacques E.-H. (geb. 9. September 1923) mit Wirkung ab 1. Dezember 1986 eine einfache ganze Invalidenrente samt Zusatzrente für seine 1928 geborene Ehefrau Antoinette zu. Der Rentenbestimmung hatte sie ein durchschnittliches Jahreseinkommen von Fr. 105'408.--, eine Beitragsdauer von 26 Jahren und 5 Monaten sowie die Teilrentenskala 32 zugrunde gelegt. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Nach Erreichen des AHV-rechtlichen Rentenalters durch Jacques E. ersetzte die Ausgleichskasse die Invalidenrente auf den 1. Oktober 1988 durch eine ordentliche einfache Altersrente. Bei deren Festsetzung ging sie von einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von Fr. 99'000.-- sowie einer Beitragsdauer von 28 Jahren und 5 Monaten aus. Ferner wandte sie erneut die Teilrentenskala 32 an (Verfügung vom 7. Oktober 1988).

B.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich Jacques E. bei der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich und beantragte die Anrechnung zusätzlicher Beitragsjahre mit der Begründung, er habe während seiner Studienzeit 1948 bis 1951 und während seines Überseeaufenthalts 1971/72 ebenfalls Beiträge bezahlt, die ihm jedoch zu Unrecht nicht angerechnet worden seien.
Die Rekurskommission trat mit Verfügung vom 22. November 1989 auf die Beschwerde nicht ein. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts könnten bei der Ablösung einer Invalidenrente
BGE 117 V 121 S. 122
durch eine Altersrente die Grundlagen, welche zur rechtskräftigen Bestimmung der Invalidenrente geführt haben, in einem Beschwerdefall betreffend die Altersrente vom Richter nicht abgeändert werden. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Streitfrage (Anrechenbarkeit der Beitragsjahre 1948 bis 1951, 1971 bis 1972) könne heute vom Richter nicht mehr geprüft werden, da diese mit der Verfügung vom 17. Juli 1987 betreffend Invalidenrente unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei.

C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Jacques E. beantragen, es sei festzustellen, dass die Jahre 1971 und 1972 bei der Festsetzung der Altersrente als Beitragsjahre angerechnet werden müssten. Eventuell sei die Sache zur materiellen Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In der Begründung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im wesentlichen die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts beanstandet, wonach "bei der Ablösung einer Invalidenrente durch eine Altersrente die Grundlagen, welche zur rechtskräftigen Bestimmung der Invalidenrente geführt haben, im Beschwerdefall betreffend die Altersrente vom Richter nicht mehr abgeändert werden" dürfen. Für diese Praxis beständen bloss administrative, keinesfalls aber zwingende gesetzliche Gründe. Art. 97 AHVG über die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit von Kassenverfügungen sei in der Invalidenversicherung gemäss Art. 81 IVG bloss sinngemäss anwendbar. Bei dieser gesetzlichen Grundlage fehle "eine Berechtigung dafür, aus einer formell rechtskräftigen Verfügung über die Festsetzung einer Invalidenrente in einem späteren Verfahren betreffend eine Altersrente für den Versicherten negative Rückschlüsse zu ziehen". Die Ausgleichskasse habe in ihrer vorinstanzlichen Beschwerdeantwort anerkannt, dass die Jahre 1971/72 grundsätzlich als Beitragsjahre berücksichtigt werden müssten, weil sie in einem früheren Kontoauszug der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 11. März 1987 lediglich aus Versehen nicht aufgeführt gewesen seien.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) tragen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid. Obwohl sie sich nur
BGE 117 V 121 S. 123
mit der materiellen Seite des Streitfalles befasst, ist darin der Antrag auf Eintreten praxisgemäss als miteingeschlossen zu betrachten. Es ist somit zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht auf die Beschwerde nicht eingetreten ist, während das Eidg. Versicherungsgericht auf die materiellen Anträge nicht eintreten kann (BGE 109 V 120 Erw. 1, BGE 105 V 94 Erw. 1).

2. a) Für die Berechnung von Alters- oder Hinterlassenenrenten, die an die Stelle einer Rente gemäss dem Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung treten, ist auf die für die Berechnung der Invalidenrente massgebende Grundlage abzustellen, falls dies für den Berechtigten vorteilhafter ist (Art. 33bis Abs. 1 AHVG).
b) Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts können bei Ablösung einer Invalidenrente durch eine Altersrente die Grundlagen, welche zur rechtskräftigen Bestimmung der Invalidenrente geführt haben, in einem Beschwerdefall betreffend die Altersrente vom Richter nicht abgeändert werden (nicht veröffentlichtes Urteil F. vom 4. Februar 1980). Gleich verhält es sich dann, wenn sich die Beschwerde gegen eine Altersrente richtet, die eine Witwenrente ablöst (unveröffentlichtes Urteil K. vom 28. April 1980). In einem weiteren Fall ging es ferner darum, dass die ordentliche Ehepaar-Altersrente eine einfache Altersrente des Ehemannes ersetzte, die ihrerseits auf der gleichen Anzahl von Beitragsjahren basierte wie die vorangegangene Teil-Invalidenrente. Das Eidg. Versicherungsgericht hat entschieden, dass der kantonale Richter nicht befugt war, der Ehepaar-Altersrente eine von der Berechnung der Invalidenrente abweichende Anzahl Beitragsjahre zugrunde zu legen, obschon ihm jene Invalidenrenten-Verfügung in diesem Punkt unrichtig schien (unveröffentlichtes Urteil D. vom 27. Januar 1984). Und schliesslich hatte sich das Eidg. Versicherungsgericht auch mit dem Fall eines Versicherten zu befassen, dessen einfache Altersrente durch eine Ehepaar-Altersrente abgelöst wurde. Auch in diesem Fall erklärte das Gericht, dass die Kasse bei der Festsetzung der Ehepaar-Altersrente an die in der Verfügung betreffend die einfache Altersrente festgesetzten Beitragsjahre gebunden sei, selbst wenn jene Verfügung zweifellos unrichtig gewesen wäre (unveröffentlichtes Urteil B. vom 30. Mai 1989).
c) Die kantonale Rekurskommission ging in ihrem Entscheid von der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus. Insofern lässt sich der vorinstanzliche Entscheid nicht beanstanden.
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Es stellt sich indessen die Frage, ob an der bisherigen Rechtsprechung weiterhin festgehalten werden kann.

3. Mit seiner Rechtsprechung ging das Eidg. Versicherungsgericht davon aus, dass einer Abänderung der auf den ursprünglichen Rentenberechnungsgrundlagen basierenden neuen Rentenart die formelle Rechtskraft der ursprünglichen Rentenverfügung entgegenstehe. Daran kann aus den folgenden Gründen nicht mehr länger festgehalten werden: Die Ablösung einer Invalidenrente bzw. einer Witwenrente durch eine Altersrente oder die Ablösung einer einfachen Altersrente durch eine Ehepaar-Altersrente beruht auf einem neuen Versicherungsfall (Erreichen des AHV-Rentenalters des Invaliden oder der Witwe bzw. der Ehefrau des Altersrentners). Entsprechend wird die ursprüngliche Rente durch eine neue Hauptrente abgelöst. Mit dem Eintritt des neuen Versicherungsfalles erfolgt somit die verfügungsweise Zusprechung einer andern Rentenart. Damit liegt ein neuer Anfechtungsgegenstand vor, dem die formelle Rechtskraft der ursprünglichen Rentenverfügung nicht entgegensteht, da sich die Rechtskraftwirkung nur auf die frühere Verfügung beziehen kann. Daraus folgt, dass bei der Berechnung der neuen Hauptrente sämtliche Berechnungsgrundlagen durch die Verwaltung und im Beschwerdefall durch den Richter umfassend zu überprüfen sind. Dies hat im Rahmen der Vergleichsrechnung gemäss Art. 33 Abs. 3 und 33bis Abs. 1 AHVG ebenfalls zu gelten, unabhängig davon, ob die seinerzeitige Rentenverfügung allenfalls durch den Richter überprüft worden war. Von der Ablösung einer ursprünglichen Rente durch eine neue Hauptrente sind die periodischen Rentenanpassungen innerhalb der gleichen Rentenart zu unterscheiden. Bei solchen Rentenerhöhungen steht im Beschwerdefall der richterlichen Überprüfung der Rentenelemente die Rechtskraft der früher verfügungsweise festgelegten Rentenberechnungsgrundlage entgegen (EVGE 1962 S. 198).
Aus dem Gesagten folgt, dass der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid aufzuheben und die Sache an die kantonale Rekurskommission zurückzuweisen ist, damit sie die Berechnung der Altersrente des Beschwerdeführers materiell überprüfe.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3

Referenzen

BGE: 109 V 120, 105 V 94

Artikel: Art. 33 Abs. 3 und Art. 33bis Abs. 1 AHVG, Art. 97 AHVG, Art. 81 IVG, Art. 33bis Abs. 1 AHVG