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Urteilskopf

117 V 300


41. Auszug aus dem Urteil vom 27. September 1991 i.S. V. gegen Personalfürsorgestiftung VLG Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern

Regeste

Art. 28 BVG, Art. 331b OR.
- Frage offengelassen, ob bei wirtschaftlich bedingter Entlassung ohne statutarische Grundlage Anspruch auf volle Freizügigkeitsleistung besteht (Erw. 7b). Für eine allfällige entsprechende Verpflichtung der Vorsorgeeinrichtungen müsste jedenfalls ein qualifizierter Begriff der wirtschaftlich bedingten Entlassung erfüllt sein, wie z.B. Entlassung infolge vollständiger oder teilweiser Liquidation der Firma, so dass die geäufneten Vorsorgemittel für die Erhaltung des Vorsorgeschutzes der restlichen Versicherten nicht mehr erforderlich wären. Solche Verhältnisse sind vorliegend nicht gegeben (Erw. 7c).
- Den Vorsorgeeinrichtungen bleibt es unbenommen, in den Statuten von einem weiteren Begriff der wirtschaftlich bedingten Entlassung auszugehen, eine solche bereits bei Reorganisations- oder ähnlichen Massnahmen anzuerkennen und unter diesen Voraussetzungen einen Anspruch auf volle Freizügigkeitsleistung einzuräumen (Erw. 7a).

Erwägungen ab Seite 301

BGE 117 V 300 S. 301
Aus den Erwägungen:

7. a) Im nicht veröffentlichten Urteil L. vom 28. Februar 1991 bejahte das Eidg. Versicherungsgericht den Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung entsprechend dem Rückkaufswert der Versicherung nach erfolgter Entlassung, welche vor allem aus Gründen einer Reorganisation der Unternehmung ausgesprochen worden war. In diesem Fall anerkannten die Statuten der Vorsorgeeinrichtung in einem weiten Sinn bereits eine Entlassung infolge "Restriktions-, Reorganisations- oder ähnlicher Massnahmen" als wirtschaftlich bedingt und demnach anspruchsbegründend für eine volle Freizügigkeitsleistung.
b) Der Beschwerdeführer behauptet selber nicht, dass das neue Reglement vom 27. Oktober 1980 eine Grundlage für die beanspruchte
BGE 117 V 300 S. 302
volle Freizügigkeitsleistung bilden würde. Denn die Art. 35 ff. enthalten keine mit Art. 5 Ziff. 2 des früheren Freizügigkeitsregulativs vergleichbare Bestimmung. Er macht indessen unter Berufung auf RIEMER (Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, § 5 N 10) sowie die Praxis der Aufsichtsbehörden und der Vorsorgeeinrichtungen geltend, dass bei wirtschaftlich bedingter Entlassung auch ohne statutarische Grundlage ein Anspruch auf Mitgabe des vollen Deckungskapitals bestehe. Dementsprechend versucht er darzulegen, dass seine Entlassung auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist. Er beruft sich auf die Umstände der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäss eigener Darstellung vom 24. August 1986, sodann auf seine Aktennotiz über die Besprechung mit Herrn S. vom 4. Februar 1986, wonach die Massnahmen der Geschäftsleitung sich nicht gegen ihn persönlich richteten, ferner auf das Zwischenzeugnis vom 31. August 1985, worin ihm die Arbeitgeberin in jeder Beziehung gute Qualitäten auch im Hinblick auf eine weitere Mitarbeit in der Firma in leitender Position bescheinigte. Auch das Schlusszeugnis vom 4. Februar 1987 stellte die ausgesprochene Kündigung in den Rahmen "langfristiger wirtschaftlicher Überlegungen".
Die Beschwerdegegnerin vertritt die gegenteilige Rechtsauffassung unter Hinweis darauf, dass die vom Beschwerdeführer verfochtene Lösung anlässlich der Revision der Art. 331a und b OR im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des BVG (1. Januar 1985) ausdrücklich und bewusst verworfen worden sei.
Die Vorinstanz hat eine Verpflichtung der Vorsorgeeinrichtung zur Mitgabe des vollen Deckungskapitals bei wirtschaftlich bedingter Entlassung ohne Vorliegen einer statutarischen Grundlage verneint. Wie diese Rechtsfrage zu beantworten ist, kann indes im vorliegenden Fall offengelassen werden (Erw. 7c).
c) Für eine allfällige Verpflichtung einer Vorsorgeeinrichtung zur Mitgabe des ganzen Deckungskapitals ohne entsprechende reglementarische Grundlage müsste jedenfalls ein qualifizierter Begriff der wirtschaftlich bedingten Entlassung erfüllt sein. Ein solcher Fall könnte etwa vorliegen bei vollständiger oder teilweiser Liquidation einer Firma oder wesentlicher Einschränkung der Geschäftstätigkeit mit der Folge, dass die geäufneten Vorsorgemittel für die Erhaltung des Vorsorgeschutzes der restlichen Versicherten nicht mehr erforderlich wären - bei Tatbeständen demnach, welche in der Nähe des Rechtsmissbrauchsverbots nach Art. 2 Abs. 2 ZGB liegen. Hier könnte ein berichtigender richterlicher
BGE 117 V 300 S. 303
Eingriff in die den Vorsorgeeinrichtungen im überobligatorischen Bereich eingeräumte Gestaltungsfreiheit (Art. 49 BVG) ausnahmsweise in Betracht fallen, wenn etwa die Rechtsausübung als völlig nutzlos oder sogar zweckwidrig bezeichnet werden müsste (vgl. MERZ, N 58 zu Art. 2 ZGB).
Derartige Umstände sind im vorliegenden Fall klar nicht gegeben. Entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers hielt sich die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung durchaus im Rahmen eines üblichen Geschäftsganges. Dies ergibt sich u.a. aus dem Umstand, dass seine Stelle wieder neu besetzt wurde und der Personalbestand der Firma C. S.A. trotz der Entlassung von sechs Kadermitarbeitern weiterhin leicht anstieg. Würde man der Argumentation des Beschwerdeführers folgen, müsste die Vorsorgeeinrichtung praktisch bei jeder Entlassung eines Arbeitnehmers dem ausscheidenden Versicherten die volle Freizügigkeitsleistung gewähren. Denn zumindest indirekt beruht fast jede Entlassung auch auf wirtschaftlichen Überlegungen des Arbeitgebers. Damit würde die geltende gesetzliche Freizügigkeitsordnung unterlaufen.

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Erwägungen 7

Referenzen

Artikel: Art. 28 BVG, Art. 331b OR, § 5 N 10, Art. 331a und b OR mehr...