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Urteilskopf

119 Ia 421


48. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1993 i.S. F. SA gegen H. B.V. (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Schiedsgerichtsbarkeit; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde; Letztinstanzlichkeit (Art. 4 BV, Art. 86 OG, Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG).
Das IPRG untersagt dem kantonalen Recht nicht, einen Instanzenzug für Entscheide des staatlichen Richters über die Bestellung eines Schiedsgerichts gemäss Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG vorzusehen.

Erwägungen ab Seite 422

BGE 119 Ia 421 S. 422
Erwägungen:

1. Mit Gesuch vom 23. März 1993 verlangte die F. SA die gerichtliche Ernennung eines Einzelschiedsrichters in einer Streitigkeit gegen die H. B.V. Die Parteien hätten am 14./23. November 1989 im Hinblick auf den zwischen ihnen bestehenden Streitfall aus Alleinvertriebsvertrag Fürsprecher K. als Einzelschiedsrichter ernannt. Am 28. Oktober 1992 habe dieser indessen sein Mandat niedergelegt.
Der Gerichtspräsident III von Bern wies mit Entscheid vom 6. Juli 1993 das Gesuch ab. Die F. SA führt dagegen staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Streitsache zu neuer Entscheidung an das Richteramt III von Bern zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin und sinngemäss der Gerichtspräsident III von Bern schliessen auf Nichteintreten, eventuell auf Abweisung der Beschwerde.

2. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Art. 4 und Art. 58 BV sowie von Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG geltend.
a) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf den verfassungsmässigen Richter im Sinne von Art. 58 Abs. 1 BV prüft das Bundesgericht bei Ablehnung der Bestellung von Schiedsrichtern durch den staatlichen Richter (Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG) nur auf Willkür (BGE 118 Ia 20 E. 3a; VISCHER, N 16 zu Art. 179 IPRG).
b) Die staatsrechtliche Beschwerde ist von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig (Art. 86 OG). Das setzt voraus, dass die vor Bundesgericht erhobenen Rügen mit keinem ordentlichen oder ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel hätten geltend gemacht werden können (BGE 118 Ia 110 E. 3 mit Hinweisen, BGE 109 Ia 88).
Nach Art. 380 Abs. 3 ZPO/BE ist für Entscheidungen und Aufgaben nach Artikel 179, 180, 183 bis 185 und 193 IPRG der für den Sitz des Schiedsgerichts zuständige Gerichtspräsident kompetent. Die Vorschriften über das summarische Verfahren (Art. 305 ff.) sind sinngemäss anwendbar. Gegen Verfügungen und Entscheide im summarischen Verfahren können keine Rechtsmittel ergriffen werden mit Ausnahme der Appellation in den in Art. 336 ZPO/BE ausdrücklich bezeichneten Fällen und der Nichtigkeitsklage gemäss Art. 360 ZPO/BE (Art. 314 ZPO/BE; LEUCH, N 1 zu Art. 314 ZPO/BE; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl. 1984, S. 266 f.). Mit Nichtigkeitsklage kann namentlich die Verletzung klaren Rechts
BGE 119 Ia 421 S. 423
und eine offenbar unrichtige Akten- oder Beweiswürdigung gerügt werden (Art. 360 Ziff. 2 ZPO/BE). Eine beschränkte materiell rechtliche Prüfung ist dabei möglich (BGE 118 Ia 110 E. 3; LEUCH, N 5 zu Art. 360 ZPO/BE; JOLIDON, Procédure civile bernoise, S. 182 N 34).
Einer solchen Regelung, die gegen einen nach Art. 179 Abs. 3 IPRG ergangenen Ablehnungsentscheid ein kantonales ordentliches oder ausserordentliches Rechtsmittel vorsieht, stehen auch nicht die Bestimmungen des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279) entgegen, auf welches Art. 179 Abs. 2 IPRG sinngemäss verweist (vgl. dazu VISCHER, N 13 zu Art. 179 IPRG; LALIVE/POUDRET/REYMOND, N 14 zu Art. 179 IPRG; BUCHER, Die neue internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, S. 63 N 152; WENGER, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, BJM 1989, S. 337 ff., 345). In der Lehre wird überwiegend die Meinung vertreten, es obliege dem kantonalen Recht (Art. 179 Abs. 2 IPRG), allfällige kantonalrechtliche Rechtsmittel gegen Ablehnungsentscheide vorzusehen (VISCHER, N 15 zu Art. 179 IPRG; BUCHER, a.a.O., S. 64 N 152; WENGER, a.a.O., S. 346; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl. 1993, S. 125; zögernd POUDRET, ASA 1992, S. 38 f; a. M. LALIVE/POUDRET/REYMOND, N 3 zu Art. 12 Konkordat, N 14 zu Art. 179 IPRG). Dieser Auffassung ist beizupflichten.
c) Mit ihrem Gesuch verlangte die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG die Ernennung eines Einzelschiedsrichters. Der angefochtene, gemäss Art. 380 Abs. 3 ZPO/BE im Summarverfahren ergangene Entscheid gründet auf Art. 179 IPRG und hätte nach dem Gesagten mit Nichtigkeitsklage gemäss Art. 360 ZPO/BE angefochten werden können. Mit ihr hätte die Verletzung von Art. 179 IPRG gerügt werden können. Soweit die Beschwerdeführerin ihre Rüge einer willkürlichen Anwendung von Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG direkt beim Bundesgericht erhebt, statt den Entscheid des Gerichtspräsidenten mit kantonaler Nichtigkeitsklage anzufechten, ist demnach darauf mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht einzutreten. Dies gilt auch insoweit, als sie eine Verletzung von Art. 58 Abs. 1 BV rügt. Zudem deckt sich diese Rüge mit jener einer Verletzung von Art. 179 Abs. 3 IPRG (BGE 118 Ia 20 E. 3a S. 25). Die Beschwerdeführerin kann hinsichtlich der Letztinstanzlichkeit auch nichts aus dem von ihr zitierten BGE 118 Ia 20 ableiten. Es trifft zwar zu, dass es sich beim angefochtenen Entscheid um einen kantonalen Endentscheid
BGE 119 Ia 421 S. 424
handelt, im Gegensatz zu BGE 118 Ia 20 ist dieser jedoch nicht letztinstanzlich im Sinn von Art. 87 OG. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 1 2

Referenzen

BGE: 118 IA 20, 118 IA 110, 109 IA 88

Artikel: Art. 179 IPRG, Art. 179 Abs. 2 und 3 IPRG, Art. 360 ZPO, Art. 4 BV mehr...