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Urteilskopf

119 V 317


46. Urteil vom 4. November 1993 i.S. Kantonaler Krankenkassen-Verband Schaffhausen gegen Kantonale Ärztegesellschaft Schaffhausen und Schiedsgericht nach Art. 25 KUVG des Kantons Schaffhausen

Regeste

Art. 129 Abs. 1 lit. b OG: Frage der Tarifstreitigkeit. Der auf abstrakte Feststellung der Rechtslage lautende Entscheid eines kantonalen Schiedsgerichts nach Art. 25 KUVG über die generelle Anwendbarkeit einer zwischen Krankenkassen und Ärzten vereinbarten tarifvertraglichen Indexklausel unter der Geltung des dringlichen Bundesbeschlusses über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung vom 13. Dezember 1991 stellt keine Verfügung über einen Tarif im Sinne von Art. 129 Abs. 1 lit. b OG dar, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen zulässig ist (E. 2).
Art. 25 Abs. 1 KUVG: Prüfung der Prozessvoraussetzungen des schiedsgerichtlichen Verfahrens.
- Dem Ärzte- und dem Krankenkassenverband kommt in einem Verfahren vor dem kantonalen Schiedsgericht auf Feststellung der Anwendbarkeit einer zwischen den Verbänden vereinbarten tarifvertraglichen Indexklausel die Aktiv- und Passivlegitimation zu (E. 4).
- Der dargelegte Streitgegenstand bildet eine Tarifvertragsstreitigkeit nach Art. 16 und Art. 22 Abs. 1 KUVG, wofür das kantonale Schiedsgericht sachlich zuständig ist (E. 5).
Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des dringlichen BB über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der KV vom 13. Dezember 1991. Dieser Bundesbeschluss ist nicht anwendbar auf vor seinem Inkrafttreten am 14. Dezember 1991 durch die Kantonsregierungen bereits genehmigte Tarifverträge (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 319

BGE 119 V 317 S. 319

A.- a) Zwischen der Kantonalen Ärztegesellschaft Schaffhausen und dem Kantonalen Krankenkassen-Verband Schaffhausen besteht seit dem 1. Januar 1968 ein auf der Grundlage von Art. 16 KUVG abgeschlossener "Kollektivvertrag" mit zugehörigem "Tarif der ärztlichen Leistungen". Mit Wirkung ab 1. Januar 1987 erhielt Art. 6 dieses Tarifes folgende neue Fassung:
"Der vorliegende Tarif stellt ab 1.1.1987 einen
TP(Taxpunkt)-Tarif dar.
Der TP-Wert beträgt ab 1.1.87 75 Rappen.
50% der Teuerung werden jeweils auf den 1.1. des
nachfolgenden Jahres automatisch ausgeglichen, sofern der
Landesindex der Konsumentenpreise (LIKP) des Monats Dezember seit
der letztmals erfolgten Ausgleichung um 5% angestiegen ist.
Als Berechnungsformel gilt:
(neuer Indexstand LIKP)/(alter Indexstand LIKP)
[letzte Anpassung]
Ein Ausgleich der restlichen 50% erfolgt jeweils auf den
nachfolgenden 1. Juli, entsprechend dem Ergebnis der auf
Verlangen eines Vertragspartners zu führenden Verhandlungen."
Wie der Grundvertrag wurde auch diese Änderung des Art. 6 Tarif vom Regierungsrat des Kantons Schaffhausen am 13. Januar 1987 mit Wirkung ab 1. Januar 1987 genehmigt.
b) Am 13. Dezember 1991 verabschiedete die Bundesversammlung u.a. einen am darauffolgenden Tag in Kraft tretenden, längstens bis 31. Dezember 1992 geltenden dringlichen Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung. Diesen Bundesbeschluss nahm der Kassenverband
BGE 119 V 317 S. 320
zum Anlass, den vertraglich vorgesehenen automatischen Ausgleich von 50% der massgeblichen Teuerungsrate den Ärzten mit Wirkung ab 1. Januar 1992 nicht mehr zu gewähren, was deren Gesellschaft nicht hinnahm, indem sie ihre Mitglieder mit Zirkular vom 2. April 1992 aufforderte, mit Wirkung ab 1. Januar 1992 einen Taxpunktwert von 85 (statt wie bisher 83) Rappen zu verrechnen. Nachdem der Kassenverband seinerseits in einem Rundschreiben vom 8. April 1992 seine Mitglieder aufgefordert hatte, Arztrechnungen nur insoweit zu akzeptieren, als ihnen ein Taxpunktwert von 83 Rappen zugrundeliege, unterbreitete die Ärztegesellschaft die Angelegenheit dem Regierungsrat. Mit unangefochten gebliebenem Entscheid vom 2. Juni 1992 trat der Regierungsrat auf die Eingabe der Ärztegesellschaft "um Erhöhung des Taxpunktwertes beim Arzttarif von 83 auf 85 Rappen (...) mangels Zuständigkeit nicht ein". Dabei ging der Regierungsrat von der Überlegung aus, dass weder ein vertragsloser Zustand vorliege, noch eine Genehmigung erforderlich sei, da diese bereits mit dem erwähnten Beschluss vom 13. Januar 1987 zur Teuerungsregelung gemäss Art. 6 Tarif erfolgt sei; streitig sei einzig und allein die Frage, ob die Vertragsbestimmung über den hälftigen Teuerungsausgleich angesichts des dringlichen Bundesbeschlusses noch anwendbar sei oder nicht; für die Beurteilung dieser Frage sei nach den geltenden Vorschriften das kantonale Schiedsgericht gemäss Art. 25 KUVG zuständig.
c) Demgemäss wandte sich die Ärztegesellschaft mit Eingabe vom 10. Juni 1992 an das Kantonale Schiedsgericht Schaffhausen nach Art. 25 KUVG. Dieses konstituierte sich, nachdem das Verfahren vor der paritätischen Vermittlungskommission als vertraglich eingesetzter Schlichtungsinstanz erfolglos verlaufen war. Im Rahmen des zweifachen Schriftenwechsels vor dem Schiedsgericht hielten die Parteien an ihren unterschiedlichen Standpunkten fest.
Das Schiedsgericht bejahte seine sachliche Zuständigkeit, die Aktiv- und Passivlegitimation der beiden Verbände sowie insbesondere auch deren schützenswertes Interesse an der Feststellung der Rechtslage und prüfte im folgenden die Auswirkungen des dringlichen Bundesbeschlusses auf die tarifvertragliche Vereinbarung. Aus dem Fehlen spezieller übergangsrechtlicher Bestimmungen, aus dem Text des Art. 1 Abs. 2 lit. a Bundesbeschluss sowie aus den Materialien (Botschaft des Bundesrates vom 6. November 1991) und unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vom 20. Dezember 1991 schloss das Schiedsgericht, man könne nicht von einer direkten materiellen Wirkung des
BGE 119 V 317 S. 321
Bundesbeschlusses auf vor dem 14. Dezember 1991 genehmigte Tarifverträge und damit auch auf den Art. 6 des Schaffhauser Tarifes sprechen. Insbesondere verwarf das Schiedsgericht die vom Kassenverband vertretene Auffassung, dass die (automatische) Taxpunktwert-Erhöhung eine genehmigungspflichtige Abänderung des Tarifvertrages sei: "Der vorgesehene Anpassungsmechanismus wurde damit anhand eines objektiv bestimmbaren Kriteriums festgelegt; die darauf beruhenden Taxpunktwert-Erhöhungen stellen keine formelle Änderung der bestehenden Vereinbarung, sondern lediglich deren Anwendung dar." Nicht auszuschliessen sei freilich, dass der Regierungsrat die 1987 erteilte Genehmigung aufgrund veränderter Verhältnisse in Wiedererwägung ziehen würde, wozu er nach der Auffassung einer Minderheit des Schiedsgerichtes gar verpflichtet gewesen wäre. Nachdem jedoch der regierungsrätliche Nichteintretensentscheid vom 2. Juni 1992 zufolge Nichtanfechtung in Rechtskraft erwachsen sei, müsse nach einhelliger Auffassung des Schiedsgerichtes vom genehmigten Tarif ausgegangen und dieser angewendet werden. Diese Erwägungen führten das Schiedsgericht, da die Erhöhung in zahlenmässiger Hinsicht unbestritten war, zu folgender Entscheidung:
"1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte (Kassenverband)
auch während der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses über
befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der
Krankenversicherung vom 13. Dezember 1991 zur Einhaltung des von
den Parteien vereinbarten und vom Regierungsrat des
Kantons Schaffhausen am 13. Januar 1987 genehmigten Artikels 6
des Tarifvertrages verpflichtet ist. Der Taxpunktwert ist demnach
rückwirkend auf den 1. Januar 1992 bis auf weiteres um 2 Rappen
von 83 auf 85 Rappen zu erhöhen.
..."

B.- Der Kassenverband führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen auf Aufhebung des schiedsgerichtlichen Entscheides, auf Feststellung, dass der dringliche Bundesbeschluss vollumfänglich auf den Schaffhauser Tarifvertrag anwendbar sei, dass gestützt darauf der Taxpunktwert auf den 1. Januar 1992 nicht erhöht werden könne; eventualiter auf Feststellung, dass gestützt auf die dringlichen Bundesbeschlüsse vom 13. Dezember 1991 der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen das Begehren um Erhöhung des Taxpunktwertes "hätte überprüfen und ihm zustimmen müssen". In prozessualer Hinsicht wird um Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels ersucht.
BGE 119 V 317 S. 322
Zur Begründung verweist der Kassenverband auf die Steigerungsrate von 7,98% der direkten Arztkosten pro versichertes Mitglied im Rahmen ambulanter Behandlung, welcher Wert auf 13,44% ansteige, wenn man die Anpassung des Taxpunktwertes dazurechne; demgegenüber hätte nach dem dringlichen Bundesbeschluss (Art. 1 Abs. 1) die Kostensteigerung maximal 7,80% betragen dürfen. Gestützt auf diese Berechnungsgrundlagen sei eine Erhöhung der Tarife für die ärztliche ambulante Behandlung auf kollektivvertraglicher Grundlage nicht zulässig. Zum Argument des Schiedsgerichtes, es gehe nicht um eine genehmigungspflichtige Änderung des Kollektivvertrages, sondern einzig um dessen Anwendung, macht der Verband geltend, dabei werde übersehen, dass die in Frage stehende Indexklausel nicht nur auf den Tarif, der ein wesentlicher Vertragsbestandteil sei, sondern auch auf die durchaus als gefährlich zu bezeichnende Kostenentwicklung im Gesundheitswesen einen direkten Einfluss habe. Gerade darauf habe aber der Gesetzgeber einwirken wollen, indem er mit den dringlichen Bundesbeschlüssen vom 13. Dezember 1991 auf veränderte Situationen reagierte. Es könne daher nicht angehen, mit einer solch starren Regelung, wie sie die Indexklausel darstelle, die Umsetzung von dringlichem Bundesrecht innert nützlicher Frist zu verhindern oder gar generell zu vereiteln. Dass die Taxpunktwert-Erhöhung eine genehmigungspflichtige Vertragsänderung sei, ergebe sich auch aus einer Stellungnahme des Eidg. Departementes des Innern vom 9. Dezember 1992 an das Bundesamt für Justiz. Das Festhalten an den Indexklauseln laufe den materiellen Zielen der bundesrechtlichen Sofortmassnahmen zuwider, was unter dem Gesichtspunkt der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nicht hingenommen werden könne.
Die Ärztegesellschaft schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. U. a. führt die Ärztegesellschaft aus, das Verhalten des Kassenverbandes, der seit der Genehmigung von Art. 6 des Tarifvertrages - somit seit Anfang 1987 - bei keiner der bisher gestützt auf diese Bestimmung erfolgten Taxpunktanpassungen ein Genehmigungsgesuch an den Regierungsrat gestellt habe, zeige, dass auch er stets die Auffassung der Ärzteschaft geteilt habe, weitere regierungsrätliche Genehmigungen seien nicht mehr nötig.
Das BSV schliesst in dem Sinne auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, als es die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides mangels sachlicher Zuständigkeit des Schiedsgerichtes, eventuell die Rückweisung der Sache an dieses zu ergänzender
BGE 119 V 317 S. 323
Abklärung und neuem Entscheid, beantragt. Hinsichtlich des Eventualantrages verweist das Bundesamt auf einen anderweitige Parteien betreffenden bundesrätlichen Beschwerdeentscheid "in Sachen Taxpunktwert für ambulante Spitalbehandlungen" vom 12. Mai 1993, den es auszugsweise ins Recht legt. Grundsätzlich betrachtet das BSV die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des schaffhausischen Krankenkassenverbandes als unzulässig.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Gemäss Art. 110 Abs. 4 OG findet ein weiterer Schriftenwechsel nach Eingang von Beschwerde und Vernehmlassungen nur ausnahmsweise statt. Dieser ist nach den Grundsätzen des rechtlichen Gehörs zu gewähren, wenn in der Vernehmlassung der Gegenpartei oder der Mitbeteiligten neue tatsächliche Behauptungen aufgestellt werden, deren Richtigkeit nicht ohne weiteres aktenkundig ist und die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sind. Was allfällige neue rechtliche Argumente anbetrifft, ist zu berücksichtigen, dass das Eidg. Versicherungsgericht das richtige Recht von Amtes wegen anzuwenden hat. Der blosse Umstand, dass in einer Vernehmlassung zusätzlich zu den im angefochtenen Entscheid angeführten Gründen weitere diesen stützende Argumente vorgebracht werden, rechtfertigt daher noch keine Gewährung des Replikrechts. Anders verhält es sich, wenn das Eidg. Versicherungsgericht der Auffassung ist, der angefochtene Entscheid lasse sich mit der ursprünglichen Begründung zwar nicht halten, wohl aber mit einer andern, erstmals in einer Vernehmlassung dargelegten (BGE 94 I 662 E. 1b; RKUV 1985 Nr. K 646 S. 239 E. 3b; unveröffentlichte E. 2a des in BGE 116 II 605 auszugsweise wiedergegebenen Urteils).
Da im Lichte dieser Grundsätze weder die Vernehmlassung der Ärztegesellschaft noch diejenige des BSV einen zweiten Schriftenwechsel rechtfertigen, ist der entsprechende Antrag des beschwerdeführenden Kassenverbandes abzuweisen.

2. Das BSV hält die gegen den Entscheid des Schiedsgerichtes erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Hinweis auf Art. 129 Abs. 1 lit. b OG für unzulässig. Laut dieser Bestimmung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen Verfügungen über Tarife. Nach der Rechtsprechung ist das genannte Rechtsmittel allerdings nur unzulässig gegen Verfügungen, welche den Erlass oder
BGE 119 V 317 S. 324
die Genehmigung als Ganzes zum Gegenstand haben, oder wenn unmittelbar einzelne Tarifbestimmungen als solche angefochten werden. Entscheidend dafür ist, dass die Gesichtspunkte, welche der Strukturierung eines Tarifes zugrunde liegen, als nicht oder schwerlich justiziabel betrachtet werden. Hingegen steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen gegen Verfügungen, welche in Anwendung eines Tarifes im Einzelfall ergangen sind (BGE 116 V 133 E. 2a mit Hinweisen).
Anfechtungsgegenstand der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist der Entscheid des Schiedsgerichtes, welches eine letztinstanzliche richterliche kantonale Behörde im Sinne von Art. 128 in Verbindung mit Art. 98 lit. g OG darstellt. Dessen Entscheid ist keine Verfügung über einen Tarif im Sinne von Art. 129 Abs. 1 lit. b OG. Denn das Schiedsgericht hat mit seinem Entscheid nicht gestaltend in das zwischen den Parteien vereinbarte Tarifvertragswerk, sei es insgesamt, sei es in bezug auf eine einzelne Position, eingegriffen. Vielmehr hat das Schiedsgericht - in Form eines auf abstrakte Feststellung lautenden Erkenntnisses - entschieden, wie Art. 6 des Tarifvertrages unter der Geltung der dringlichen Bundesbeschlüsse und insbesondere mit Wirkung ab 1. Januar 1992 generell anzuwenden sei. Mit anderen Worten: Das Schiedsgericht hat, in Anwendung und Auslegung von Art. 6 Tarifvertrag und nach dessen vorfrageweiser Prüfung auf seine Vereinbarkeit mit dem dringlichen Bundesrecht, einen auf Feststellung der Rechtslage lautenden Entscheid getroffen. Das hat mit einer Tarifstreitigkeit im Sinne von Art. 129 Abs. 1 lit. b OG nichts zu tun, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist.

3. Ist nach dem Gesagten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten, stellt sich nunmehr die Frage, ob das Schiedsgericht seinerseits die Eintretensvoraussetzungen des vorinstanzlichen Verfahrens richtig behandelt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung prüft das Eidg. Versicherungsgericht von Amtes wegen die formellen Gültigkeitserfordernisse des Verfahrens (BGE 119 V 12 E. 1b mit Hinweisen). Dies gilt auch hinsichtlich des Verfahrens vor den kantonalen Schiedsgerichten, welche gemäss Art. 25 Abs. 1 KUVG Streitigkeiten zwischen Kassen einerseits und Ärzten, Apothekern, Chiropraktoren, Hebammen, medizinischen Hilfspersonen, Laboratorien oder Heilanstalten anderseits entscheiden (BGE 111 V 346 E. 1a; RKUV 1993 Nr. K 917 S. 111 E. 1b). Hat die Vorinstanz übersehen, dass es an einer Prozessvoraussetzung fehlte, und hat sie materiell entschieden, ist dies im Rechtsmittelverfahren
BGE 119 V 317 S. 325
von Amtes wegen zu berücksichtigen mit der Folge, dass der angefochtene Entscheid aufzuheben ist (BGE 115 V 130 E. 1, BGE 114 V 327 E. 4b, je mit Hinweisen; RKUV 1993 Nr. K 917 S. 111 E. 1b; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 73 mit weiteren Hinweisen).

4. a) Zu prüfen ist zunächst, ob das Schiedsgericht zu Recht die Aktiv- und Passivlegitimation der beiden als Klägerin und Beklagter auftretenden Verbände angenommen hat. Die Vorinstanz begründete dies wesentlich mit dem Hinweis, dass es vorliegend nicht um die Beurteilung eines konkreten Einzelfalles (streitiges Abrechnungsverhältnis zwischen einem Vertragsarzt und einer Vertragskasse) gehe, sondern um eine grundsätzliche Frage der Auslegung und Anwendung des zwischen den Verbänden abgeschlossenen Kollektivvertrages, worüber die beiden Organisationen divergierende Beschlüsse gefasst hätten. Als unmittelbaren Vertragsparteien aber komme der Klägerin und dem Beklagten im Streit um die Auslegung und Anwendung der vereinbarten Tarifindexierung - auch in Berücksichtigung von BGE 111 V 346 E. 1b - ohne Zweifel die Aktiv- bzw. Passivlegitimation zu. Da die Verbände selbst keine Leistungen fordern könnten oder schuldeten, liege ein genügendes Interesse für die Behandlung des von der Klägerin gestellten Feststellungsbegehrens und der entsprechenden Gegenanträge des Beklagten vor. Im übrigen seien die Parteien auch nach den für das Verwaltungsrechtspflegeverfahren von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Verbandsbeschwerde zur Klage aktiv- oder passivlegitimiert, da alle ihre Mitglieder betroffen und die Organisationen statutarisch zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder berufen seien.
b) Diese Bejahung der Aktiv- und Passivlegitimation hält sich im Ergebnis in dem durch die Rechtsprechung (BGE 111 V 347 E. 1c, BGE 110 V 347 mit Hinweisen; RKUV 1987 Nr. K 729 S. 179 E. 3) abgesteckten Rahmen: Wohl leuchtet das vom Schiedsgericht zur Verbandsbeschwerde Ausgeführte insofern nicht ohne weiteres ein, als die dazu ergangenen Grundsätze gemäss Lehre und Rechtsprechung im Bereich der Legitimation zur Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 48 lit. a VwVG, Art. 103 lit. a OG) entwickelt worden sind (vgl. etwa BGE 113 Ib 365 E. 2a mit Hinweis; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 159 ff.). Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen nachträglicher (Beschwerdeverfahren) und ursprünglicher (Klageverfahren) Verwaltungsrechtspflege liegt darin, dass in der ersten jede durch eine
BGE 119 V 317 S. 326
Verfügung besonders betroffene (berührte) Person oder Institution zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert ist, sofern sie sich über ein schutzwürdiges Interesse ausweist. Dieses kann durchaus auch rein faktischer Natur sein (BGE 114 V 201). In der ursprünglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit dagegen ist, wie im Zivilprozess, zur Klage berechtigt nur der Aktivlegitimierte, d.h. derjenige, welcher rechtlich Träger des einzuklagenden Anspruches ist. Hätte nun ein einzelner Vertragsarzt anstelle der Ärztegesellschaft das Begehren an das Schiedsgericht erhoben, es sei mit Wirkung ab 1. Januar 1992 generell ein Taxpunktwert von 85 Rappen zu vergüten, so wäre ein solches Feststellungsgesuch zweifellos am fehlenden Erfordernis des schutzwürdigen Interesses gescheitert. So hielt das Eidg. Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten Urteil Medizinische Gesellschaft Basel vom 31. Januar 1991 der im schiedsgerichtlichen Verfahren als Klägerin auftretenden Krankenkasse entgegen, sie vermöge sich über kein schützenswertes Interesse an einem auf abstrakte Feststellung der Rechtslage lautenden Entscheid auszuweisen, weil sie ohne weiteres im Rahmen einer konkreten Abrechnungsstreitigkeit einen Leistungsprozess vor Schiedsgericht einleiten oder provozieren könnte. Dies zeigt, dass die Ärztegesellschaft mit ihrem Feststellungsbegehren an das Schiedsgericht einen Rechtsanspruch eingeklagt hat, den der einzelne Vertragsarzt von vornherein nicht wahrnehmen könnte. Damit hat die heutige Beschwerdegegnerin als Klägerin im vorinstanzlichen Verfahren einen aus dem Tarifvertrag hervorgehenden originären Rechtsanspruch verfolgt, und sie hat nicht, gleichsam als Stellvertreterin für die einzelnen Vertragsärzte handelnd, um einen derivativen Rechtsanspruch prozessiert. Ihren originären Rechtsanspruch auf Feststellung der Rechtslage im Rahmen des Tarifvertrages, den sie selber mit der Gegenseite abgeschlossen hat, wahrnehmen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen zu können, muss die Ärztegesellschaft berechtigt sein. In bezug auf diesen Feststellungsantrag - und nur auf diesen - ist die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin als Klägerin im kantonalen Verfahren (und damit auch die Passivlegitimation des Kassenverbandes) mit dem Schiedsgericht zu bejahen.

5. Das BSV hält ferner die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes für in sachlicher Hinsicht nicht gegeben. Dem kann mit der Vorinstanz nicht beigepflichtet werden, da es vorliegend um eine Tarifvertragsstreitigkeit nach Art. 16 und 22 Abs. 1 KUVG geht, welche unter die Schiedsgerichtsbarkeit gemäss Art. 25 KUVG fällt. Anders verhielte es sich nur, wenn eine genehmigungspflichtige Abänderung
BGE 119 V 317 S. 327
eines Tarifvertrages zur Debatte stünde, welche nach Art. 22 Abs. 3 und Art. 22quinquies KUVG in die Zuständigkeit der Kantonsregierungen und des Bundesrates fallen würde. Von einer solchen genehmigungspflichtigen Abänderung des Tarifvertrages in seiner erneuerten Fassung vom 15. Dezember 1986/13. Januar 1987 kann nicht die Rede sein. Dass der Bundesrat anscheinend die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. den erwähnten, vom BSV auszugsweise zu den Akten gegebenen Beschwerdeentscheid vom 12. Mai 1993), ist für das Eidg. Versicherungsgericht nicht verbindlich. Was der Krankenkassenverband bestreitet, ist vielmehr die Rechtsfolge, welche sich aus der früher vereinbarten, längst genehmigten Indexklausel des Tarifvertrages ergibt. Nur (geänderte) tarifvertragliche Bestimmungen unterliegen jedoch der Genehmigungspflicht, nicht die aus Vertragsbestimmungen sich ergebenden Rechtsfolgen - eine Selbstverständlichkeit, von welcher der beschwerdeführende Kassenverband während Jahren selber ausging, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend einwendet.

6. Damit bleibt die materiellrechtliche Frage zu prüfen, ob das Inkrafttreten des dringlichen Bundesbeschlusses über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung am 14. Dezember 1991 die sich aus der tarifvertraglichen Indexklausel ergebende Erhöhung des Taxpunktwertes untersagt.
a) Gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesbeschlusses dürfen die Tarife und Preise für Leistungen der Krankenversicherung nur so weit erhöht werden, dass der Anstieg der durchschnittlichen Behandlungskosten je versicherte Person und Jahr voraussichtlich höchstens einen Drittel über dem Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise liegt. Wenn nach den letzten verfügbaren Angaben der Anstieg der Behandlungskosten je versicherte Person und Jahr bereits um mehr als einen Drittel über der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise liegt, untersagt die zuständige Behörde eine Erhöhung der Tarife und Preise. Nach Abs. 2 lit. a der genannten Bestimmung prüft die für die Genehmigung von Tarifverträgen zuständige Kantonsregierung, ob eine beantragte Tariferhöhung aufgrund der durchschnittlichen Behandlungskosten im Anwendungsbereich des Tarifvertrages zulässig ist.
b) Der dringliche Bundesbeschluss sieht weder eine Rückwirkung in Form der Aufhebung bereits vor seinem Inkrafttreten erfolgter regierungsrätlicher Genehmigungen noch eine unmittelbare Wirkung auf früher genehmigte Tarife vor. Wie das Schiedsgericht im angefochtenen Entscheid zutreffend ausführte, kommt darin der
BGE 119 V 317 S. 328
gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, die Ziele des Bundesbeschlusses im Bereiche der Arzttarife lediglich schrittweise, auf dem Wege der Genehmigung neuer oder abgeänderter Tarifverträge zu verwirklichen. Zum gleichen Ergebnis gelangt die Vorinstanz richtigerweise aufgrund der Botschaft des Bundesrates vom 6. November 1991, in welcher dieser ausdrücklich festhielt, die vor Inkrafttreten des Bundesbeschlusses verfügten Genehmigungen würden nicht in Frage gestellt. Damit trage man insbesondere den seitens der Kantone geäusserten Bedenken bezüglich Rechtssicherheit und Respektierung kantonaler Kompetenzen Rechnung (BBl 1991 IV 923). Zur Begründung der Dringlichkeit des Bundesbeschlusses wurde in der Botschaft weiter festgestellt, bis zum Ablauf der Referendumsfrist oder bis zu einer allfälligen Volksabstimmung könnten Tariferhöhungen bewilligt werden, die nicht mehr rückgängig zu machen seien (BBl 1991 IV 928). In einem Rundschreiben des BSV vom 20. Dezember 1991 wurden sodann die Kantonsregierungen im Hinblick auf den Vollzug des neuen Bundesrechts dahingehend orientiert, dass Verträge, die vor dem 14. Dezember 1991 genehmigt worden seien, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens durch den Bundesbeschluss nicht berührt würden. Schliesslich ist dem Schiedsgericht auch insofern beizupflichten, als es seine Rechtsauffassung durch die bundesrätliche Botschaft zum neuen Massnahmenprogramm 1993-94 (vom 19. August 1992) bestätigt sieht, wurde doch dort festgehalten, die Kostenentwicklung im Bereich der ambulanten Behandlung sei u.a. deshalb nicht gestoppt worden, weil in einigen Kantonen die Tarifvereinbarungen Indexklauseln beinhalteten, welche eine Anpassung des Taxpunktwertes ohne formelle Vertragsänderung zuliessen (BBl 1992 V 936).
Angesichts dieser eindeutigen Rechtslage vermögen die geschilderten kassenseitigen Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu keiner anderen Betrachtungsweise zu führen. Der in Frage stehende dringliche Bundesbeschluss steht der Anwendung der am 13. Januar 1987 genehmigten tarifvertraglichen Indexklausel und somit der Erhöhung des schaffhausischen Taxpunktwertes auf 85 Rappen per 1. Januar 1992 nicht entgegen.

7. (Kosten und Parteientschädigung)

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Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5 6 7

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