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Urteilskopf

119 V 89


14. Urteil vom 25. Januar 1993 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen G. und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich

Regeste

Art. 52 AHVG, Art. 82 Abs. 1 AHVV, Art. 250 SchKG. Ist die Kenntnis des Schadens mit der Auflage des Kollokationsplanes und des Inventars im Konkursverfahren eingetreten, so beginnt die einjährige Frist frühestens mit der entsprechenden Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB), sofern an diesem Tag das Konkursamt der Öffentlichkeit zugänglich ist. Frage offengelassen, ob für die fristauslösende Kenntnis auf die öffentliche Bekanntmachung im SHAB, auf die tatsächliche Einsichtnahme auf dem Konkursamt oder auf das Ende der Auflagefrist abzustellen ist (E. 4a).
Art. 52 AHVG, Art. 82 Abs. 1 AHVV.
- Bestätigung von BGE 117 V 131, wonach sich die Ausgleichskasse bei Erlass der Schadenersatzverfügung in der Regel mit dem Schadenersatzpflichtigen noch nicht in einem laufenden Verfahrens- oder Prozessrechtsverhältnis befindet, so dass dieser nicht mit der Zustellung einer Verfügung rechnen muss (E. 4b/bb).
- Für die Wahrung der Frist zur Geltendmachung der Schadenersatzforderung ist die rechtzeitige Postaufgabe der Schadenersatzverfügung und nicht der Zeitpunkt der ordnungsgemässen Zustellung an den Adressaten massgebend (E. 4c).
Art. 16 Abs. 1 AHVG. Frage offengelassen, ob an der bisherigen Rechtsprechung (BGE 103 V 63, EVGE 1957 S. 50) festzuhalten ist, wonach für die Fristwahrung die Beitragsverfügung nicht nur innerhalb der Frist zur Post gegeben, sondern dem Adressaten ordnungsgemäss eröffnet sein muss (E. 4c am Ende).

Sachverhalt ab Seite 91

BGE 119 V 89 S. 91

A.- Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich hatte im Konkurs der Firma K. AG eine Forderung ausstehender paritätischer Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von Fr. 52'539.40 (zuzüglich Verzugszinsen) eingegeben. Am 19. März 1988 erfolgte im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) eine Mitteilung, wonach der Kollokationsplan mitsamt Inventar aufliege und innert 10 Tagen anzufechten sei. Am 22. März 1988 nahm die Ausgleichskasse einen Auszug aus dem SHAB zu den Akten und fragte das Konkursamt gleichentags an, ob und in welcher Höhe sie mit ihrer Beitragsforderung zu Verlust komme. Mit Schreiben vom 24. März 1988 teilte das Konkursamt der Ausgleichskasse mit, sie werde vermutlich voll zu Schaden kommen.
Mit Verfügung vom 10. März 1989 verpflichtete die Ausgleichskasse S. G. als Verwaltungsrat der konkursiten Firma, ihr Schadenersatz im Betrage von Fr. 44'577.85 zu bezahlen. Diese Verfügung gab sie am 10. März 1989 als eingeschriebene Sendung auf, wurde ihr aber mit dem Vermerk "nicht abgeholt" am 22. März 1989 von der PTT wieder zurückgesandt. Am 23. März 1989 stellte die Ausgleichskasse die Schadenersatzverfügung uneingeschrieben nochmals zu. In der Folge liess S. G. mit Eingabe vom 5. April 1989, welcher die uneingeschrieben zugestellte Schadenersatzverfügung beigelegt worden war, Einspruch erheben.

B.- Die in der Folge von der Ausgleichskasse am 12. April 1989 gegen S. G. eingereichte Klage im Betrage von Fr. 44'577.85 wies die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich mit Entscheid vom 8. November 1991 ab, da der Schadenersatzanspruch verwirkt sei.
BGE 119 V 89 S. 92

C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid, soweit er Ansprüche kraft Bundessozialversicherungsrecht zum Gegenstand habe, aufzuheben, und es sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese über die Schadenersatzklage der Ausgleichskasse neu entscheide.
Während S. G. im Hauptstandpunkt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, pflichtet die Ausgleichskasse dem BSV bei.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. (Streitgegenstand)

2. (Kognition)

3. Nach Art. 82 Abs. 1 AHVV "verjährt" die Schadenersatzforderung, wenn sie nicht innert Jahresfrist seit Kenntnis des Schattens durch Erlass einer Schadenersatzverfügung geltend gemacht wird. Bei dieser Frist handelt es sich entgegen dem Wortlaut der Bestimmung um eine Verwirkungsfrist, die von Amtes wegen zu berücksichtigen ist (BGE 113 V 181, BGE 112 V 8 E. 4c).
Kenntnis des Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV ist in der Regel von dem Zeitpunkt an gegeben, in welchem die Ausgleichskasse unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können (BGE 116 V 75 E. 3b, BGE 113 V 181 E. 2, BGE 112 V 8 E. 4d, 158).
Im Falle eines Konkurses oder Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung hat die Kasse nicht notwendigerweise erst Kenntnis des Schattens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV, wenn sie in die Verteilungsliste und Schlussrechnung des Konkursamtes oder des Liquidators Einsicht nehmen kann oder einen Verlustschein erhält; denn wer im Rahmen solcher Verfahren einen Verlust erleidet und auf Ersatz klagen will, hat praxisgemäss in der Regel bereits dann ausreichende Kenntnis des Schadens, wenn die Kollokation der Forderungen eröffnet bzw. der Kollokationsplan (und das Inventar) zur Einsicht aufgelegt wird. In diesem Zeitpunkt ist oder wäre der Gläubiger im allgemeinen in der Lage, den Stand der Aktiven, die Kollokation seiner Forderung und die voraussichtliche Dividende zu
BGE 119 V 89 S. 93
kennen (BGE 116 II 161 E. 4a, BGE 116 V 75 E. 3b, BGE 113 V 182 E. 2 mit Hinweisen).

4. Streitig ist, ob die Ausgleichskasse ihre Schadenersatzforderung rechtzeitig innerhalb der einjährigen Frist des Art. 82 Abs. 1 AHVV geltend gemacht hat.
a) Mit den am Verfahren Beteiligten ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall die fristauslösende Kenntnis des Schadens mit der Auflage des Kollokationsplanes und des Inventars zusammenfällt (vgl. E. 3 hievor). Damit ist indessen der genaue Zeitpunkt, in dem die einjährige Verwirkungsfrist des Art. 82 Abs. 1 AHVV zu laufen beginnt, noch nicht bestimmt. Das kantonale Gericht stellt im angefochtenen Entscheid auf die entsprechende Veröffentlichung im SHAB vom 19. März 1988 ab. Die Bekanntmachung im SHAB erfolgte am Samstag, dem 19. März 1988, und erschöpfte sich in der Mitteilung, dass der Kollokationsplan und das Inventar zur Einsicht auflägen. Dadurch hatte die Ausgleichskasse noch keine Kenntnis davon, ob und in welchem Umfang ihre im Konkurs der Firma eingegebene Forderung befriedigt werde. Der Beginn des Fristablaufs mit der Publikation im SHAB setzt voraus, dass am Tag der Bekanntmachung das Konkursamt der Öffentlichkeit zugänglich ist; trifft dies nicht zu, so fällt für die Fristberechnung erst jener der öffentlichen Bekanntmachung folgende Werktag in Betracht, an welchem das Konkursamt, bei dem der Kollokationsplan aufliegt, dem Publikumsverkehr geöffnet ist (BGE 112 III 42). Erst zu diesem Zeitpunkt ist es der Ausgleichskasse frühestens möglich, sich Kenntnis vom Inhalt des Kollokationsplanes samt Inventar und damit über einen allfälligen Schaden zu verschaffen. Im vorliegenden Fall war der Ausgleichskasse demzufolge die Einsichtnahme erst am Montag, 21. März 1988, möglich. Die einjährige Frist zur Geltendmachung des Schadenersatzes begann somit frühestens tags darauf, am 22. März 1988, zu laufen und endete, da sie nach Kalenderzeit zu berechnen ist (vgl. BGE 103 V 159 E. 2b mit Hinweis auf Art. 110 Ziff. 6 StGB), am 21. März 1989. Aus den nachfolgenden Erwägungen kann indessen offenbleiben, ob im Falle der Auflage des Kollokationsplanes und des Inventars für die fristauslösende Kenntnis des Schadens auf die öffentliche Bekanntmachung im SHAB, auf die tatsächliche Einsichtnahme auf dem Konkursamt oder auf das Ende der Auflagefrist abzustellen ist.
b) Die Ausgleichskasse hat die Schadenersatzverfügung mit dem 10. März 1989 datiert und gleichentags als eingeschriebene Sendung bei der Post aufgegeben. Diese retournierte die Sendung nach Ablauf
BGE 119 V 89 S. 94
der siebentägigen Abholfrist am 20. März 1989 mit dem Vermerk "nicht abgeholt". Daraufhin stellte die Ausgleichskasse am 23. März 1989 (Donnerstag vor Ostern) die Schadenersatzverfügung vom 10. März 1989 uneingeschrieben nochmals zu, welche vom Beschwerdegegner gemäss Feststellung der Vorinstanz frühestens am Osterdienstag, 28. März 1989, in Empfang genommen wurde.
aa) Eine eingeschriebene Postsendung gilt grundsätzlich in dem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt. Wird der Adressat nicht angetroffen und wird daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt wird; geschieht dies nicht innert der Abholfrist, die sieben Tage beträgt (Art. 169 Abs. 1 lit. d und e Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz, SR 783.01), so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt (BGE 117 III 4 E. 2, BGE 117 V 132 E. 4a, 116 Ia 92 E. 2a, BGE 116 III 61 E. 1b, BGE 111 V 101 E. 2b mit Hinweisen). Ein allfälliger zweiter Versand und die spätere Entgegennahme der Sendung vermögen an diesem Ergebnis grundsätzlich nichts zu ändern. Sie sind - vorbehältlich des Vertrauensschutz begründenden zweiten Versands mit vorbehaltloser Rechtsmittelbelehrung (BGE 115 Ia 20 E. 4c) - rechtlich unbeachtlich (BGE 117 V 132 E. 4a, BGE 111 V 101 E. 2b; ZAK 1978 S. 97).
Wer sich während eines hängigen Verfahrens für längere Zeit von dem den Behörden bekanntgegebenen Adressort entfernt, ohne für die Nachsendung der an die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz zu sorgen und ohne der Behörde zu melden, wo er nunmehr zu erreichen ist, bzw. ohne einen Vertreter zu beauftragen, nötigenfalls während seiner Abwesenheit für ihn zu handeln, hat eine am bisherigen Ort versuchte Zustellung als erfolgt gelten zu lassen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Zustellung eines behördlichen Aktes während der Abwesenheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (BGE 117 V 132 E. 4a mit Hinweis) und ein Prozessrechtsverhältnis besteht, welches die Parteien verpflichtet, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d.h. unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen Entscheide, welche das Verfahren betreffen, zugestellt werden können (BGE 115 Ia 15 E. 3a mit Hinweisen; vgl. auch BGE 116 Ia 92 E. 2a).
bb) Wie das kantonale Gericht zutreffend festgestellt hat, muss sich der Beschwerdegegner den ersten eingeschriebenen Zustellversuch vom 13. März 1989 (Datum des Poststempels: 10. März 1989)
BGE 119 V 89 S. 95
nicht entgegenhalten lassen, weil er mangels eines hängigen Verfahrens nicht mit der Zustellung der Schadenersatzverfügung rechnen musste. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 117 V 131 entschieden hat, hat das Organ einer Arbeitgeberin, welche der Ausgleichskasse nach Ausschöpfung der betreibungsrechtlichen Möglichkeiten Sozialversicherungsbeiträge schuldig bleibt, nicht mit dem Erlass und der Zustellung einer Schadenersatzverfügung zu rechnen. Denn in diesem Stadium befindet sich das Organ im Verhältnis zur Ausgleichskasse nicht in einem laufenden Verfahrens- oder Prozessrechtsverhältnis, welches den Erlass einer Verfügung mit gewisser Wahrscheinlichkeit voraussehbar macht. Was das BSV in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diese Rechtsprechung vorbringt, geht an der Sache vorbei. Das Prozessrechtsverhältnis ist nicht bereits dadurch begründet, dass ein Organ der juristischen Person im Rahmen der Beitrags- und Abrechnungspflicht eng mit der Ausgleichskasse zusammengearbeitet hat. Beitrags- und Schadenersatzforderung sind rechtlich nicht identische Forderungen (NUSSBAUMER, Die Ausgleichskasse als Partei im Schadenersatzprozess nach Art. 52 AHVG, ZAK 1991 S. 387 und 439). Es ist daher auch nicht der Konkurs, welcher die Beitrags- in eine Schadenersatzforderung umwandelt, sondern einzig die Verfügung der Ausgleichskasse, mit welcher sie vom subsidiär haftbaren Organ, welches selber weder abrechnungs- noch beitragspflichtig ist, entgangene Beiträge als Schaden fordert. Ein in Pflicht genommenes Organ, mit dem noch kein Prozessrechtsverhältnis besteht, muss sich daher keine Zustellversuche der Ausgleichskasse entgegenhalten lassen. Es darf darauf vertrauen, dass ihm die Schadenersatzverfügung ordnungsgemäss zugestellt wird. Einzig diese Betrachtungsweise wahrt das Recht des Verfügungsadressaten auf Einspruch. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die erste, am 10. März 1989 eingeschriebene Postsendung nicht als zugestellt gilt.
c) Die Eröffnung einer Verfügung ist eine empfangsbedürftige, nicht aber eine annahmebedürftige einseitige Rechtshandlung; sie entfaltet daher ihre Rechtswirkungen vom Zeitpunkt ihrer ordnungsgemässen Zustellung an; ob der Betroffene vom Verfügungsinhalt Kenntnis nimmt oder nicht, hat keinen Einfluss (BGE 113 Ib 297 E. 2a, BGE 109 Ia 18 E. 4, BGE 103 V 65 E. 1b; GOSSWEILER, Die Verfügung im schweizerischen Sozialversicherungsrecht, Diss. Bern 1983, S. 152; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 84 B Ia, S. 280). Daraus hat das Eidg. Versicherungsgericht im Bereich der AHV-Beitragsforderungen
BGE 119 V 89 S. 96
geschlossen, dass für die Wahrung der Verwirkungsfrist des Art. 16 Abs. 1 AHVG zur Geltendmachung der Beiträge die Verfügung vor Ablauf der Frist nicht nur zur Post gegeben, sondern dem Verfügungsadressaten ordnungsgemäss eröffnet sein müsse (BGE 103 V 63; EVGE 1957 S. 50 E. 1). Gestützt auf diese Rechtsprechung ging die Vorinstanz davon aus, die im Rahmen des zweiten Zustellversuchs uneingeschrieben versandte Schadenersatzverfügung sei frühestens am Osterdienstag, 28. März 1989, und damit nach Ablauf der einjährigen Verwirkungsfrist dem Beschwerdegegner ausgehändigt worden. Demgegenüber macht das BSV in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, rechtzeitige Postaufgabe der Verfügung genüge zur Wahrung der Frist.
Im folgenden ist zu prüfen, ob es im Bereich der Arbeitgeberhaftung für die Fristwahrung auf die rechtzeitige Handlung der verfügenden Ausgleichskasse oder auf die ordnungsgemässe Eröffnung der Schadenersatzverfügung ankommt. Dabei ist davon auszugehen, dass der Erlass einer Schadenersatzverfügung das einzige Mittel ist, um die Verwirkungsfristen des Art. 82 AHVV zu wahren (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 8. Januar 1990; NUSSBAUMER, a.a.O., S. 434). Zu berücksichtigen gilt es auch, dass bei Erlass der Schadenersatzverfügung in der Regel kein Verfahrens- oder Prozessrechtsverhältnis zwischen Ausgleichskasse und Schadenersatzpflichtigem besteht (E. 4b/bb hievor), in dessen Rahmen vom Verfügungsadressaten gewisse Vorkehren zur Sicherstellung der Zustellbarkeit verlangt werden dürfen. Die Einhaltung der Frist als Obliegenheit der Ausgleichskasse darf daher nur von ihrer Handlung abhängig gemacht werden, nicht jedoch von Umständen postalischer Natur oder vom Verhalten des Verfügungsadressaten, auf welche sie keinen Einfluss nehmen kann. Voraussetzung für die Fristwahrung ist allerdings, dass die Ausgleichskasse die Schadenersatzverfügung nicht nur redigiert, sondern auch versendet, d.h. aus ihrem Gewahrsam entlässt und der Post zuhanden des Adressaten übergibt. Mit der Postaufgabe ist die Verfügung im Sinne von Art. 82 AHVV erlassen. Davon könnte bei einer Verfügung, welche die Ausgleichskasse intern schubladisiert, nicht die Rede sein. Der Erlass der Verfügung durch die Ausgleichskasse ist überdies durch Einreichung der Postaufgabequittung leicht überprüfbar, wodurch den Rechtsschutzbedürfnissen von Ausgleichskasse und Verfügungsadressaten Genüge getan wird. Die diesbezüglichen, vom Beschwerdegegner in der Vernehmlassung geäusserten Bedenken erweisen sich daher als unbegründet. Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Fall, ob bei
BGE 119 V 89 S. 97
der Wahrung der Frist des Art. 16 Abs. 1 AHVG, bei der sich ähnliche Überlegungen anstellen lassen, weiter an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten werden kann.
d) Aufgrund der Akten steht fest, dass die Ausgleichskasse die Schadenersatzverfügung vom 10. März 1989 gleichentags eingeschrieben der Post übergeben hat. Damit hat sie die Schadenersatzverfügung innert der einjährigen, frühestens am 22. März 1988 begonnenen Verwirkungsfrist erlassen. Demzufolge ist der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache an die Rekurskommission zurückzuweisen, damit sie nach Prüfung der weiteren materiellen Haftungsvoraussetzungen über die Schadenersatzklage der Ausgleichskasse, was die entgangenen bundesrechtlichen Beiträge betrifft, neu entscheide.

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Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4

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