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Urteilskopf

121 II 72


12. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. März 1995 i.S. N. und L. gegen I., Politische Gemeinde Schänis und Regierungsrat des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 34 Abs. 3 RPG; Art. 84 Abs. 2 OG; Art. 97 ff. OG; Art. 43 f. LSV; Rechtsmittelweg ans Bundesgericht gegen (Sonder-)Nutzungspläne; kantonales Rechtsmittelverfahren.
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen projektbezogene Nutzungspläne, soweit die Anwendung des bundesrechtlich geordneten Umwelt- oder Naturschutzrechts, insbesondere des Lärmschutzrechts in Frage steht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1b). Planungsrechtliche Rügen können mit dem gleichen Rechtsmittel erhoben werden, soweit das Planungsrecht sachnotwendig mit dem Umweltschutzrecht zusammenhängt (E. 1d und f).
Die nach kantonalem Recht zur Beurteilung der Anwendung von Umweltschutzrecht zuständigen ordentlichen Rechtsmittelinstanzen sind verpflichtet, bei der Überprüfung von solchen (Sonder-)Nutzungsplänen sachlich zusammenhängende raumplanerische und umweltrechtliche Gesichtspunkte umfassend abzuwägen (E. 3).
Art. 35 und 38 VwVG; Art. 107 Abs. 3 OG.
Folgen einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung unter den gegebenen Umständen (E. 1e, 2 und 4).

Sachverhalt ab Seite 73

BGE 121 II 72 S. 73
N. und L. sind Eigentümer bzw. Miteigentümer von Wohnliegenschaften im Ortsteil "Chastli" in Schänis. Südöstlich davon und zum Teil unmittelbar angrenzend wird seit alters eine Sägerei betrieben, welche I. in den Jahren 1977 bis 1980 im Bereich der Parzellen Nrn. 974 und 319 umfassend erneuerte und erweiterte. Wegen Lärmimmissionen lagen N. und I. jahrelang miteinander im Streit. N. setzte nachbarrechtlich gewisse Lärmschutzmassnahmen durch.
Die Gemeinde Schänis beabsichtigt, den Sägereibetrieb, der im Übrigen Gemeindegebiet und teilweise in der Landwirtschaftszone liegt, neu der Bauzone zuzuweisen. Zu diesem Zweck hat sie die Parzelle Nr. 974 und Teile der Liegenschaft Nr. 319 in einen Teilzonenplan und in einen Überbauungsplan "Mülenen" einbezogen. Der Teilzonenplan sieht angrenzend an das Grundstück von N. einen Grünzonenbereich und daran anschliessend eine
BGE 121 II 72 S. 74
grössere Fläche Gewerbe-/Industriezone mit Überbauungsplanpflicht vor. Ferner ordnet er das Gebiet der Gewerbe-/Industriezone der Empfindlichkeitsstufe III zu. Der Überbauungsplan schreibt vor, wo gebaut, wo Rund- und Schnittholz gelagert und wo im Freien gearbeitet werden darf. Weiter enthält er Gestaltungsvorschriften und bestimmt in bezug auf den Lärmschutz wörtlich folgendes:
"Art. 10 Lärmschutz
Im ganzen Überbauungsplangebiet ist die Benützung von Motorsägen mit
Verbrennungsmotoren im Freien verboten.
Innerhalb des Überbauungsplangebietes und gegenüber der
Landwirtschaftzone ist der Planungswert der Empfindlichkeitsstufe III
einzuhalten [60 dB (A) bei Tag, 50 dB (A) bei Nacht].
In der Wohnzone im Nord-Westen gilt der Planungswert der
Empfindlichkeitsstufe II [55 dB (A) bei Tag, 45 dB (A) bei Nacht]. Bei der
Gestaltung der Bauten ist diesem Umstand Rechnung zu tragen. Die zur
Wohnzone gerichtete Nord-West-Fassade ist genügend lärmdämmend auszubilden.
In dieser Fassade sind weder Türen, Tore, noch Fenster erlaubt. Seitliche
Zugänge im Nahbereich der Wohnzone sind mit Lärmschutzblenden und
automatischen Türschliessern zu versehen.
Mit dem Baugesuch ist ein Lärmgutachten einzureichen, das die Einhaltung
dieser Vorschriften nachweist. Das Lärmgutachten muss sämtliche innerhalb
dem Überbauungsplangebiet vorkommenden Lärmarten berücksichtigen."
N. und L. erhoben gegen den Teilzonen- und den Überbauungsplan zunächst Einsprachen bei der Gemeinde und später Rekurse beim Regierungsrat, jeweils mit dem Antrag, die Pläne aufzuheben. Damit drangen sie allerdings nicht durch. Sie erreichten einzig gewisse zu ihren Gunsten lautende Anpassungen der Vorschriften im Überbauungsplan.
N. und L. führen gegen den Entscheid des Regierungsrats staatsrechtliche Beschwerde. Sie werfen der Gemeinde und dem Regierungsrat vor, wesentliche Grundsätze des Raumplanungsrechts missachtet und Vorschriften des eidgenössischen Umweltschutzgesetzes verletzt zu haben.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. a) Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten Rechtsmittel von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 120 Ib 27 E. 2 S. 29, BGE 120 Ia 165 E. 1 S. 166).
BGE 121 II 72 S. 75
b) Nutzungszonenpläne unterliegen grundsätzlich der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 34 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 [Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700]). Voraussetzung ist allerdings, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG).
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen (Art. 5 VwVG in Verbindung mit Art. 97 OG), sofern diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe vorliegt. Dies gilt auch für gemischtrechtliche Verfügungen, die sowohl auf kantonalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht (BGE 120 Ib 27 E. 2a S. 29, BGE 118 Ib 381 E. 2a S. 389). Zu dem im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde überprüfbaren Bundesrecht gehört auch das Bundesverfassungsrecht, soweit die Rüge eine Angelegenheit betrifft, die in die Sachzuständigkeit der eidgenössischen Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt. Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind auch auf unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen zu überprüfen sowie auf übrigem kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen. Soweit dagegen dem angefochtenen Entscheid selbständiges kantonales Recht ohne den genannten Sachzusammenhang zum Bundesrecht zugrunde liegt, steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (BGE 120 Ib 27 E. 2a S. 29, 119 Ib 380 E. 1b S. 382, BGE 118 Ib 381 E. 2a S. 389 je mit Hinweisen).
Gestützt auf diese Grundsätze hat das Bundesgericht in gewissen Fällen gegen Zonenpläne (Grund- bzw. Rahmennutzungspläne) ausnahmsweise die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zugelassen. So wurde namentlich auch bei projektbezogenen (Sonder-)Nutzungsplänen vorgegangen, wenn Rügen aus dem Bereich des bundesrechtlich geordneten Umwelt- oder Naturschutzrechts erhoben worden sind (BGE 119 Ia 285 E. 3c S. 290 mit Hinweisen). Ebenso unterliegt die Zuordnung der Empfindlichkeitsstufen (Art. 43 f. Lärmschutz-Verordnung [LSV; SR 814.41]) im Rahmen der Nutzungsplanung wie auch deren Bestimmung im Einzelfall der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
BGE 121 II 72 S. 76
das Bundesgericht (BGE 120 Ib 287 E. 2 und 3, insb. E. 3c S. 298).
c) Angefochten sind der Teilzonen- und der Überbauungsplan "Mülenen" der Gemeinde Schänis. Die beiden Pläne sind aufeinander abgestimmt. Sie schaffen die planungsrechtlichen Grundlagen für den Ausbau der Sägerei im Überbauungsplangebiet, enthalten entsprechend detaillierte Bau- und Nutzungsvorschriften sowie Bestimmungen, um die Lärmemissionen gegenüber dem umliegenden Gebiet zu begrenzen. Der Gewerbe-/Industriezone mit Überbauungsplanpflicht wird im Teilzonenplan die Lärm-Empfindlichkeitsstufe III zugeordnet. Die Lärmschutzbemühungen sind erkennbar ein zentraler Teil der neuen Planung.
Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat, der diese kommunale Planung grundsätzlich geschützt hat, vor, er habe Raumplanungsgrundsätze missachtet und Vorschriften des Umweltschutzrechts des Bundes (Art. 24 und 25 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 [Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01] sowie Art. 7 Abs. 1 lit. b, Art. 43 und 44 LSV) verletzt.
d) Die (projektbezogenen) Anordnungen des Teilzonen- und des Überbauungsplans "Mülenen" sind, jedenfalls soweit sie Fragen des Lärmschutzes und die sachlich nötige Koordination zur Raumplanung betreffen, als Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG zu betrachten. Gerade solche (Sonder-)Nutzungspläne machen deutlich, dass raumplanerische Festlegungen und umweltschutzrechtlich bestimmte Anordnungen mitunter einen engen sachlichen Bezug haben. Denn bei raumplanerischen Massnahmen ist auch auf die Belange des Umweltschutzes Rücksicht zu nehmen (Art. 1 Abs. 2 lit. a, Art. 3 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 lit. c RPG). Dabei wird der bundesrechtliche Mindeststandard, den es bei raumplanerischen Massnahmen zu beachten gilt, durch das USG und die zugehörigen Ausführungsverordnungen festgelegt. Eine Planung, die diesen Mindeststandard nicht einhält, ist stets bundesrechtswidrig. Diesbezügliche Rügen gegen die beiden (Sonder-)Nutzungspläne können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden (Art. 104 OG). Die Ausschlussgründe gemäss Art. 99 lit. c und e OG finden vorliegend keine Anwendung (vgl. BGE 120 Ib 224 E. 2a S. 228, 287 E. 3c/dd S. 297, BGE 118 Ib 11 E. 2c und d S. 14 f. mit Hinweisen). Als Eigentümer benachbarter Wohnliegenschaften sind die Beschwerdeführer auch zur Beschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a OG).
BGE 121 II 72 S. 77
Insoweit verdrängt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde die nach Art. 84 Abs. 2 OG bloss subsidiär zulässige staatsrechtliche Beschwerde.
e) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht steht nur gegen Verfügungen letzter Instanzen der Kantone offen (Art. 98 lit. g OG).
Der Regierungsrat führte in seinem Entscheid im Sinne einer Rechtsmittelbelehrung aus, er habe endgültig entschieden. Ein ordentliches Bundesrechtsmittel sei nicht gegeben; der Weiterzug an das (kantonale) Verwaltungsgericht sei daher nicht möglich. Diese Auffassung schlägt fehl. Sie beruht auf der unzutreffenden Annahme, im vorliegenden Fall könne die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ergriffen werden. Steht aber - wie in Erwägung 1d hiervor dargelegt - dieses ordentliche Bundesrechtsmittel offen, so unterliegen regierungsrätliche Entscheide der vorliegenden Art gestützt auf Art. 59 Abs. 2 lit. b Ziff. 3 des Gesetzes vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons St. Gallen (VRP) der Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht.
f) Nach dem Ausgeführten können neben den Einwänden aus dem Bereich des Umweltschutzrechts auch die vorliegend erhobenen planungsrechtlichen Rügen mit eidgenössischer Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden, soweit das Planungsrecht hier sachnotwendig mit dem Umweltschutzrecht zusammenhängt. Zwar steht nichts entgegen, die als staatsrechtliche Beschwerde bezeichnete Eingabe der Beschwerdeführer in eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde umzudeuten (vgl. BGE 120 Ib 379 E. 1a S. 381, 287 E. 3d S. 298, 118 Ib 326 E. 1b S. 330). Indessen kann auf eine so verstandene Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden, weil nach dem Gesagten der angefochtene Entscheid des Regierungsrats kantonal nicht letztinstanzlich ist. Es fehlt mithin an jener in Art. 98 lit. g OG geforderten Sachurteilsvoraussetzung.

2. a) Prozessual qualifiziert sich der angefochtene Entscheid des Regierungsrats - wie ausgeführt - unter anderem als eine auf Bundesverwaltungsrecht abgestützte Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG. Auch kantonale Behörden sind gehalten, solchen Verfügungen eine Rechtsmittelbelehrung beizugeben (Art. 35 und 38 VwVG, Art. 107 Abs. 3 OG; vgl. RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 86/I mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; für den Kanton St. Gallen vgl. Art. 24 Abs. 1 lit. d VRP). Der Regierungsrat hat dies zwar nicht übersehen, indessen in seinen Entscheid
BGE 121 II 72 S. 78
eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung aufgenommen; er hat ausdrücklich erkannt, ein ordentliches Bundesrechtsmittel sei nicht gegeben und ein Weiterzug an das Verwaltungsgericht stehe nicht offen (vgl. E. 1e hiervor).
Wer die Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung kennt oder bei gebührender Sorgfalt hätte erkennen müssen, vermag sich nicht mit Erfolg auf die unzutreffenden Angaben zu berufen (BGE 119 IV 330 E. 1c S. 332 ff., BGE 118 Ib 326 E. 1c S. 330).
b) Den anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern kann hier indessen nicht entgegengehalten werden, sie hätten die unzweideutig formulierte Rechtsmittelbelehrung als inhaltlich falsch erkennen müssen. Als der Entscheid des Regierungsrats Ende März 1994 eröffnet wurde, war aufgrund der damals publizierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht mit letzter Sicherheit klar, dass Rügen, wonach ein kommunaler (Sonder-)Nutzungsplan Vorschriften des Umweltschutzrechtes und damit sachnotwendig zusammenhängende Raumplanungsvorschriften verletze, dem Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu unterbreiten sind.
Der Grund für diese Rechtsunsicherheit liegt vorab in Art. 34 RPG. Diese spezialgesetzliche Vorschrift schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen raumplanerische Entscheide grundsätzlich, d.h. unter Vorbehalt solcher gemäss Art. 5 und 24 RPG, aus. Art. 34 Abs. 3 RPG erfährt indessen seinerseits eine Einschränkung, falls im Rahmen des raumplanerischen Entscheides eidgenössisches Umweltschutzrecht anzuwenden ist, für das der Gesetzgeber in Art. 54 USG, der jünger ist als das Raumplanungsgesetz, ausdrücklich die allgemeinen Rechtsmittelbestimmungen als massgeblich erklärt hat. Deshalb sind - wie das Bundesgericht bereits in BGE 114 Ib 344 E. 1 S. 348 betreffend das Parkhaus Herrenacker erkannt hat - Umweltschutzrügen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorzutragen, selbst wenn der angefochtene raumplanerische Entscheid aufgrund von Art. 34 Abs. 3 RPG nur im staatsrechtlichen Verfahren zu überprüfen wäre. Nun hat aber das Bundesgericht in einem Fall aus der Gemeinde Suchy, dem ein im wesentlichen vergleichbarer Sachverhalt wie im hier zu beurteilenden Streit zugrunde lag, Umweltschutzeinwände gegenüber einem Nutzungsplan im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde behandelt (BGE 114 Ia 385 ff.). Dabei hat es die Frage, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig sei, ausdrücklich offengelassen (vgl. zu dieser Problematik zudem das Urteil vom 2. Februar 1989 i.S. Erlenbach/ZH, publiziert in Pra 79/1990 Nr. 28). Das
BGE 121 II 72 S. 79
Bundesgericht hat die genannte Frage in der oben dargestellten heutigen Praxis beantwortet, ohne sich allerdings mit den beiden Urteilen betreffend Suchy und Erlenbach auseinanderzusetzen. Es erstaunt daher nicht, dass die Beschwerdeführer auf diese beiden Entscheide Bezug nehmen und nach gleichem Muster Rechtsschutz suchen.
Unter diesen Umständen ist für das weitere Vorgehen uneingeschränkt die in Art. 38 VwVG und Art. 107 Abs. 3 OG enthaltene Regel massgebend, wonach keiner Partei aus einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung Nachteile erwachsen dürfen (vgl. für das st. gallische Verfahrensrecht in diesem Zusammenhang Art. 47 Abs. 3 VRP). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Sache an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen zu überweisen ist, damit es ihr die gesetzliche Folge gebe. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich um so mehr, als es im vorliegenden Widerstreit zwischen staatsrechtlicher Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht um eine blosse Umdeutung einer vor Bundesgericht an sich zulässigen Eingabe geht, sondern den Beschwerdeführern zufolge fehlender Letztinstanzlichkeit des angefochtenen Entscheids der Rechtsmittelverlust droht.

3. Neben den umweltschutzrechtlichen Vorbringen gegen die beiden (Sonder-)Nutzungspläne erheben die Beschwerdeführer auch Einwände aus dem Bereich des Raumplanungsrechts. Deren umweltrechtlicher Bezug ist zum Teil augenfällig. So verhält es sich bei der gerügten Eignung zur Überbauung des Plangebiets wegen voraussehbarer Lärmkonflikte zwischen der Wohnzone und der Gewerbe-/Industriezone, aber auch hinsichtlich des behaupteten Fehlens eines öffentlichen Interesses an der Einzonung, da bestenfalls ein privates Interesse des Sägereibesitzers an der neuen Planung bestehe und diese erst noch erlaube, die privatrechtlich erstrittenen Lärmschutzmassnahmen auszuräumen. Etwas weniger deutlich zeigt sich der umweltrechtliche Bezug hinsichtlich der Rügen, die Erschliessung sei ungenügend, das Planungsgebiet gehöre nicht zum weitgehend überbauten Gebiet, die vorgesehene Sonderordnung verletze das bei der Planung zu beachtende Konzentrationsprinzip und missachte den gesetzlich geregelten Schutz von Fruchtfolgeflächen. Diese mehr raumplanungsrechtlich gefärbten Vorbringen lassen sich indessen bei der Überprüfung der in Frage stehenden (Sonder-)Nutzungspläne nicht isoliert betrachten. Vielmehr machen es gerade solche Planungen nötig, raumplanerische und umweltrechtliche Aspekte (letztere in einem weiten Sinn verstanden, also zum Beispiel auch den Naturschutz, den Gewässerschutz und die Fischereibelange einschliessend)
BGE 121 II 72 S. 80
gemeinsam zu prüfen und widerstreitende Interessen umfassend gegeneinander abzuwägen (vgl. dazu die Erwägungen zur Pflicht der koordinierten Behandlung von Bewilligungs- und Rechtsmittelverfahren in BGE 118 Ib 381 E. 4 S. 398 ff., insb. E. 4a; ferner BGE 120 Ib 207 E. 6 S. 213 mit Hinweisen; zum Erfordernis der Abstimmung raumplanerischer und lärmschutzrechtlicher Gesichtspunkte in der Nutzungsplanung (BGE 120 Ib 456 E. 4a). Kraft Sachzusammenhangs müssen solche Rügen auch im Rahmen der kantonalen Verfahrensordnung in ein und demselben Rechtsmittel vorgetragen werden können. Steht - wie im vorliegenden Fall - auf Stufe Kanton für Umweltschutzrügen das ordentliche Rechtsmittel einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht offen, so muss diese Instanz nach dem Gesagten grundsätzlich auch allfällige Planungsrügen mitbeurteilen.

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Die Eingabe vom 9. Mai 1994 ist aber zusammen mit den im bundesgerichtlichen Verfahren eingegangenen Akten an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen zu überweisen, damit es ihr die gesetzliche Folge gebe.

Inhalt

Ganzes Dokument:
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 1 2 3 4

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