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Urteilskopf

122 V 169


24. Auszug aus dem Urteil vom 27. Juni 1996 i.S. S. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zug und Verwaltungsgericht des Kantons Zug

Regeste

Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 AHVG, Art. 6 ff. AHVV.
- Bestätigung der Rechtsprechung gemäss BGE 121 V 1 zum rückwirkenden Wechsel des Beitragsstatuts. Vorgängig einer Änderung des Beitragsstatuts ist in der Regel die Ausgleichskasse, welche das Statut ursprünglich festgelegt hat, zu einer Stellungnahme einzuladen.
- Qualifikation der Tätigkeit als "Telefonhostess" in einem Telekiosk als unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG.

Sachverhalt ab Seite 169

BGE 122 V 169 S. 169

A.- Der 1930 geborene S. war Inhaber einer im Bereich Vermittlung von Kaderpersonal tätigen Einzelfirma und als solcher der Ausgleichskasse des Kantons Zug angeschlossen. Auf den 1. Januar 1993 übernahm er von der Firma X einen Telekiosk-Betrieb. Beim Telekiosk handelt es sich um eine
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Einrichtung, welche es dem Betreiber erlaubt, dem Publikum auf verschiedenen Telefonleitungen (beginnend mit der Zahl 156) Nachrichten und Informationen, beispielsweise aus den Bereichen Tourismus, Wetter, Astrologie, Witze, Plaudereien und Spiele, zu liefern. Die maximal neunstelligen Nummern sind von jedem Telefon-Teilnehmeranschluss aus erreichbar, sofern er nicht gesperrt ist. Der Benützer zahlt zusätzlich zur Gesprächstaxe eine Gebühr, welche - pro Minute berechnet - seiner Telefonrechnung belastet und anteilsmässig dem Anbieter und der Telecom PTT als Netzbetreiber gutgeschrieben wird.
Im Sommer 1994 führte der zuständige Revisor der Ausgleichskasse eine Arbeitgeberkontrolle durch. Dabei ergab sich, dass S. 1993/94 an 15 Frauen, unter anderen H. und R., "Entschädigungen für Leistungen am Telekiosk" von insgesamt Fr. 173'541.20 ausbezahlt hatte, ohne diese Summe zu verabgaben. Mit Verfügung vom 13. September 1994 verpflichtete die Ausgleichskasse S. zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von Fr. 25'161.90, einschliesslich Verwaltungskosten (Fr. 525.85) und Verzugszinsen (Fr. 860.95).

B.- Hiegegen erhob S. Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit dem sinngemässen Antrag, die Nachzahlungsverfügung sei aufzuheben und die darin aufgeführten Personen seien als Selbständigerwerbende anzuerkennen. Er machte unter anderem geltend, zwischen ihm und den "Telefonhostessen" habe ein Auftrags- und nicht ein Anstellungsverhältnis bestanden, wobei mit einer Ausnahme alle Frauen bei den Ausgleichskassen ihrer Wohnorte als Selbständigerwerbende gemeldet seien.
Pendente lite eröffnete die Ausgleichskasse den in der angefochtenen Verfügung genannten Frauen die sie betreffende Beitragsnachforderung, woraufhin H. und R. sich dahingehend äusserten, sie seien mit Bezug auf ihre Tätigkeit für den Telekiosk-Betrieb des S. als Selbständigerwerbende zu betrachten. Nachdem die Verwaltung eine auf Abweisung der Beschwerde lautende Vernehmlassung eingereicht hatte, machte der nunmehr anwaltlich vertretene S. replikweise auch geltend, es sei unzulässig, das von anderen Ausgleichskassen rechtskräftig festgelegte Beitragsstatut der "Telefonhostessen" als Selbständigerwerbende rückwirkend zu ändern. In ihrer Duplik hielt die Ausgleichskasse des Kantons Zug an ihrem ablehnenden Standpunkt fest.
Mit Entscheid vom 28. Dezember 1995 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des S. ab.
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C.- S. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid und die Nachzahlungsverfügung seien aufzuheben; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. Die als Mitinteressierte beigeladenen H. und R. haben sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde des S. nicht verlauten lassen.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. a) Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet sich unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbständiger oder aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV). Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit; als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9 Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
Die Frage, ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, beurteilt sich praxisgemäss nicht aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbständig erwerbstätig ist im allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt.
Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung eines Erwerbstätigen jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zutage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 119 V 162 Erw. 2 mit Hinweisen).
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b) Die beitragsrechtliche Unterscheidung des Selbständigerwerbenden vom Unselbständigerwerbenden beruht auf einer unabhängigen Begriffsbildung (ADLER, Problèmes de qualification contractuelle et leurs répercussions sur les assurances sociales. L'exemple des journalistes de la presse écrite, in: Droit privé et assurances sociales, Enseignement de 3e cycle de droit 1989, p. 23), die sich insbesondere mit dem, was üblicherweise unter einem (Un)-Selbständigen verstanden werden mag, nicht zu decken braucht (nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 1. Dezember 1982). In diesem Sinne ist bei einem Versicherten, der gleichzeitig mehrere Tätigkeiten ausübt, jedes Erwerbseinkommen dahingehend zu prüfen, ob es aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit stammt, selbst wenn die Arbeiten für eine und dieselbe Firma vorgenommen werden (BGE 104 V 126; ZAK 1979 S. 146).
c) Charakteristische Merkmale einer selbständigen Erwerbstätigkeit sind die Tätigung erheblicher Investitionen, die Benützung eigener Geschäftsräumlichkeiten sowie die Beschäftigung von eigenem Personal (BGE 119 V 163 Erw. 3b). Das spezifische Unternehmerrisiko besteht dabei darin, dass unabhängig vom Arbeitserfolg Kosten anfallen, die der Versicherte selber zu tragen hat (ZAK 1986 S. 333 Erw. 2d, 121 Erw. 2b). Für die Annahme selbständiger Erwerbstätigkeit spricht sodann die gleichzeitige Tätigkeit für mehrere Gesellschaften in eigenem Namen, ohne indessen von diesen abhängig zu sein (ZAK 1982 S. 215). Massgebend ist dabei nicht die rechtliche Möglichkeit, Arbeiten von mehreren Auftraggebern anzunehmen, sondern die tatsächliche Auftragslage (vgl. ZAK 1982 S. 186 Erw. 2b).
Von unselbständiger Erwerbstätigkeit ist auszugehen, wenn die für den Arbeitsvertrag typischen Merkmale vorliegen, d.h. wenn der Versicherte Dienst auf Zeit zu leisten hat, wirtschaftlich vom "Arbeitgeber" abhängig ist und während der Arbeitszeit auch in dessen Betrieb eingeordnet ist, praktisch also keine andere Erwerbstätigkeit ausüben kann (REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 12. Aufl., S. 34 ff.; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, SPR VII/1, S. 306). Indizien dafür sind das Vorliegen eines bestimmten Arbeitsplans, die Notwendigkeit, über den Stand der Arbeiten Bericht zu erstatten, sowie das Angewiesensein auf die Infrastruktur am Arbeitsort (ZAK 1982 S. 185). Das wirtschaftliche Risiko des Versicherten erschöpft sich diesfalls in der (alleinigen) Abhängigkeit vom persönlichen Arbeitserfolg (ZAK 1986 S. 121 Erw. 2b, S. 333 Erw. 2d) oder, bei einer regelmässig ausgeübten Tätigkeit, darin, dass bei Dahinfallen des
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Erwerbsverhältnisses eine ähnliche Situation eintritt, wie dies beim Stellenverlust eines Arbeitnehmers der Fall ist (BGE 119 V 163 Erw. 3b).

4. a) Nach der Rechtsprechung bedarf es für den Wechsel des Beitragsstatuts in jenen Fällen, wo über die in Frage stehenden Sozialversicherungsbeiträge bereits eine formell rechtskräftige Verfügung vorliegt, eines Rückkommenstitels (Wiedererwägung oder prozessuale Revision). Nur unter diesen Voraussetzungen ist es zulässig, eine rückwirkende Änderung des Beitragsstatuts betreffend die gleichen Entgelte vorzunehmen (BGE 121 V 1, bestätigt in den nicht veröffentlichten Urteilen E. AG vom 8. Mai 1995, R. vom 30. August 1995 und P. AG vom 18. Oktober 1995).
Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 121 V 4 Erw. 6 mit Hinweisen). Im Rahmen der prozessualen Revision sind Verwaltung und Verwaltungsjustiz verpflichtet, auf einen formell rechtskräftigen Entscheid zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen (BGE 121 V 4 Erw. 6 mit Hinweisen).
b) An der Rechtsprechung gemäss BGE 121 V 1 ist nach wie vor festzuhalten. Sie hat zwar, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig bemerkt wird, zur Folge, dass in Abweichung von der Regel, wonach die Wiedererwägung von derjenigen Verwaltungsbehörde vorgenommen wird, welche die ursprüngliche Verfügung erlassen hat, eine bisher nicht beteiligte Ausgleichskasse die von einer anderen Ausgleichskasse erlassene Verfügung in Wiedererwägung ziehen kann (vgl. KIESER, Bemerkungen zu BGE 121 V 1, in: AJP 8/95 S. 1083 ff.). Dabei handelt es sich jedoch weniger um ein rechtsdogmatisches, als vielmehr um ein systembedingtes Problem, indem eben für den Beitragsbezug allenfalls verschiedene Ausgleichskassen zuständig sind je nachdem, ob Einkommen aus unselbständiger oder aus selbständiger Erwerbstätigkeit vorliegt. Dies gilt umso mehr, als gemäss Art. 39 AHVV (in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 lit. c AHVG) die Ausgleichskassen verpflichtet sind, nicht oder zu wenig entrichtete Beiträge nachzufordern (EVGE 1958 S. 186). Aus dieser Optik lässt sich mit dem erwähnten Autor zu Recht fragen, ob nicht zumindest bei der
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Ausgleichskasse, welche das Beitragsstatut ursprünglich festgelegt hat, eine Stellungnahme einzuholen wäre (AJP 8/95 S. 1084 unten). Davon kann indes abgesehen werden, wenn, wie vorliegend, das Beitragsstatut mit Bezug auf die interessierende Erwerbstätigkeit überhaupt noch nicht Gegenstand einer Verfügung war.

5. Das kantonale Gericht hat die streitige paritätische Beitragspflicht bejaht mit der Begründung, die sogenannten Telefonhostessen seien in arbeitsorganisatorischer Abhängigkeit und ohne ein wirtschaftliches Risiko für den Beschwerdeführer tätig gewesen. Dies gelte auch für H., welche zu Hause unter anderem monatlich die Honorar-Abrechnungen gemacht habe. Die Hostessen seien nach Bedarf des Betreibers des Telekiosks tageweise in seiner Telefonanlage für ein Honorar von Fr. 20.-- pro Stunde plus Spesen engagiert gewesen. Sodann habe ein vertragliches Konkurrenzverbot bestanden, wonach ihnen untersagt war, "'selbständig oder als Angestellte tätig zu werden oder eine eigene Firma zu gründen'". Die Telefonhostessen bedienten das Telefon im Auftrag des Beschwerdeführers und nicht im Auftrag der sich an den Anbieter wendenden, wechselnden Kunden. Er habe auch allein den Profit gehabt und die Hostessen lediglich im Stundenlohn bezahlt. Dass die meisten Frauen diese Tätigkeit nur nebenbei ausübten und beruflich anderweitig beschäftigt waren, sei nicht von Bedeutung. Auch das Besprechen von Bändern bei sich zu Hause mit ihrem eigenen Text falle unter diese Betätigung nach den Weisungen und in Abhängigkeit des Beschwerdeführers.
Die Arbeit der Telefonhostessen könne im übrigen auch nicht, wie in der Beschwerde vorgebracht werde, mit der Tätigkeit eines selbständig erwerbenden Unternehmensberaters oder Musikers verglichen werden. Dagegen sprächen die fehlende arbeitsorganisatorische und wirtschaftliche Unabhängigkeit, was insbesondere das Konkurrenzverbot unterstreiche, sowie die Tatsache, dass die Hostessen für eine (unbestimmte) Reihe von gleichartigen Einsätzen zu einem festen Ansatz verpflichtet wurden, ohne dass sie am geschäftlichen Erfolg beteiligt gewesen wären. Aufgrund der Umstände erweise sich, dass der Beschwerdeführer selbständigen, seine Hostessen aber unselbständigen Status aufwiesen. Soweit diese, wie auch H., mit Bezug auf ihre Tätigkeit im Telekiosk-Betrieb im massgebenden Zeitraum rechtskräftig als Selbständigerwerbende eingestuft worden seien, sei dies unter wiedererwägungsrechtlichem Gesichtswinkel zweifellos unrichtig und die Differenz zwischen den von ihnen bezahlten und den vom Beschwerdeführer
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geforderten Beiträgen erheblich. Im übrigen stehe einer Rückforderung der von den Hostessen bereits bezahlten Beiträge für 1993 die noch nicht eingetretene Verjährung gemäss Art. 16 Abs. 3 AHVG nicht entgegen.

6. a) aa) Der Auffassung der Vorinstanz ist beizupflichten. Festzustellen ist vorab, dass die Bezeichnung der Verträge mit den Telefonhostessen mit "Auftrag" wie auch die Vertragsklausel, wonach sich die "Beauftragte" verpflichtet, insbesondere mit der AHV als selbständigerwerbend abzurechnen, für die beitragsrechtliche Abgrenzung unselbständiger von selbständiger Erwerbstätigkeit nicht entscheidend ist. Wie in Erw. 3a hievor dargelegt, ist nicht die gewillkürte, sondern die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen (vertraglichen) Rechtsbeziehungen entscheidend (BGE 119 V 164 Erw. 3c). Ein Auftragsverhältnis schliesst nicht per se die Qualifikation des Beauftragten als Unselbständigerwerbender aus (MUNOZ, Droit du contrat de travail et droit des assurances sociales. Quelques points de contact, in: Droit privé et assurances sociales, Enseignement de 3e cycle de droit 1989, S. 74; vgl. BGE 110 V 79 Erw. 4b). Dies gilt namentlich bei grundsätzlich dem Auftragsrecht (Art. 394 ff. OR) unterstehenden, vom Arbeitsvertrag mitunter schwierig abzugrenzenden Verträgen auf selbständige Dienstleistung (REHBINDER, a.a.O., S. 34 unten), die je nach Grad und Art der faktischen oder rechtlichen Abhängigkeit des "Arbeitnehmers" einem Arbeitsverhältnis nahekommen können (vgl. BGE 118 II 164 Erw. 4a/bb).
bb) Im weitern erfolgten Tätigkeit und Einsatz abgesehen vom angeblich fakultativen Besprechen von Tonbändern ausschliesslich im Betrieb und mit der vom Beschwerdeführer gemieteten Einrichtung (Telefonanlage). Dabei war die von den Hostessen zu verrichtende Arbeit klar vorgegeben: Bedienung des Telefons und den Anrufenden Gesellschaft, Hilfe und Beistand leisten. Dass ihnen dabei Spielraum für die Gestaltung der Gespräche verblieb und sie hier ihre (anonyme) Persönlichkeit voll einbringen konnten, ergibt sich schon aus der Natur dieser Tätigkeit, ändert jedoch unter den gegebenen Umständen nichts an deren unselbständigen Charakter. Dies gilt umso mehr, als sie nach Stundenaufwand, somit nicht für die erbrachte Arbeit als solche, sondern für die geleisteten Arbeitsstunden entschädigt wurden. Der Beschwerdeführer hatte daher ein eindeutiges Interesse daran, dass während der in Rechnung gestellten Stunden tatsächlich auch die erforderliche Arbeit geleistet wurde. Es ist daher von einer regelmässigen Überprüfung
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der Tätigkeit der Telefonhostessen auszugehen, was im übrigen ohne grossen Aufwand mittels der von der Telecom PTT monatlich gelieferten Statistik über Tagesdauer und Gesamtdauer im Monat aller Anrufe (in Minuten und Sekunden) sowie Tagestotal und Gesamttotal für den Monat (in Franken und Rappen) möglich war. Dieser Umstand stellt ein gewichtiges Indiz für unselbständige Erwerbstätigkeit dar.
cc) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird auch vorgebracht, den Hostessen seien keine bestimmten Einsatzzeiten vorgeschrieben worden, sie hätten frei bestimmen können, wann und wieviel sie arbeiten wollten. Diese Angaben werden zunächst dadurch relativiert, dass sie vertraglich verpflichtet waren, für den "Auftraggeber, nach dessen Bedarf und nach ihren jeweiligen Möglichkeiten" tätig zu sein. Sodann ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer dem Netzbetreiber für jeden gemieteten Anschluss Gebühren zu entrichten hatte und zwar unabhängig von den Einsätzen der Hostessen und der Nachfrage des Publikums. Er hatte daher ein Interesse daran, dass "sein" Telekiosk mehr oder weniger regelmässig in Betrieb war, was er offenbar durch die Beschäftigung einer im Vergleich zur Anzahl der gemieteten Angebotsnummern bedeutend höheren Zahl an Hostessen zu erreichen suchte. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass auch das Arbeitsvertragsrecht Arbeitsverhältnisse mit flexibler, von beiden oder auch nur einer Partei festgelegter Arbeitszeit zulässt und mit der Aufteilung eines oder mehrerer Arbeitsplätze auf mehrere Arbeitnehmer ("Job sharing") dem Arbeitgeber gleichwohl eine dauernde Besetzung des entsprechenden Arbeitsplatzes ermöglicht wird (REHBINDER, Berner Kommentar, Der Arbeitsvertrag, N. 27 f. zu Art. 319 OR; REHBINDER, Rechtsfragen der Teilzeitarbeit, in: Flexibilisierung der Arbeitszeit, Bern 1987, S. 30 f.; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., N. 18 zu Art. 319).
dd) Nicht ersichtlich ist schliesslich, inwiefern die Hostessen mit Bezug auf ihre Tätigkeit im Telekiosk-Betrieb ein spezifisch unternehmerisches Risiko zu tragen hatten. Namentlich erforderte die Ausübung der betreffenden Beschäftigung nicht die Führung eines eigenen Betriebes oder sonstige für eine unselbständige Erwerbstätigkeit atypische Vorkehren. Wenn und soweit die Telefonhostessen nicht gewusst haben, ob der Beschwerdeführer in der folgenden Woche weitere "Aufträge" zu vergeben haben werde, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird, ist dieses Risiko beitragsrechtlich daher nicht anders zu gewichten als das eines Arbeitnehmers, seine Stelle zu verlieren.
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ee) Schliesslich sind auch die an H. bezahlten Entgelte als massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG zu qualifizieren. Zwar ist davon auszugehen, dass sie die Statistiken und "Honorar"-Abrechnungen für den Beschwerdeführer bei sich zu Hause erstellte und für diese Tätigkeit offensichtlich nicht im Stundenlohn, sondern monatlich pauschal mit Fr. 600.-- entschädigt wurde. Inwiefern ihr jedoch dabei gemäss den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Stellung eines (selbständigen) Treuhänders oder Angehörigen einer vergleichbaren Berufsgruppe zugekommen sein soll, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargetan. Namentlich besteht nach Lage der Akten kein Grund zur Annahme, dass H. im fraglichen Zeitraum (April bis Dezember 1993) auch für andere Personen Schreibarbeiten gegen Entgelt erledigte und dafür als Selbständigerwerbende abrechnete oder solches zu tun beabsichtigte. Bei dieser Sachlage kann auch nicht gesagt werden, ihr Schreibbüro zu Hause sei für die Erledigung der erwähnten Arbeiten tatsächlich notwendig gewesen. Wenn und soweit ihr daher im fraglichen Zeitraum daraus Kosten erwuchsen, standen sie nicht unmittelbar in Zusammenhang mit der Tätigkeit für den Beschwerdeführer und stellten insoweit nicht ein spezifisch unternehmerisches Risiko dar.
b) Nach dem Gesagten überwiegen bei allen Mitarbeiterinnen (Telefonhostessen, H.) die Elemente für eine unselbständige Erwerbstätigkeit bei weitem. Soweit sie mit Bezug auf ihre Tätigkeit für den Beschwerdeführer als Selbständigerwerbende erfasst und auf seinen Entgelten persönliche Beiträge erhoben wurden, sind die entsprechenden rechtskräftigen Beitragsverfügungen daher als zweifellos unrichtig zu bezeichnen. Aufgrund der Akten ist sodann davon auszugehen, dass auf einem Betrag von mindestens Fr. 30'000.-- tatsächlich persönliche Beiträge erhoben wurden. Es besteht daher schon in Anbetracht der fehlenden ALV-Beitragspflicht Selbständigerwerbender (Art. 2 Abs. 1 AVIG) eine erhebliche Differenz zu den vom Beschwerdeführer (nach)geforderten paritätischen Beiträgen auf diesen Zahlungen (Art. 4 Abs. 1 AVIG und Art. 1 der Verordnung vom 11. November 1992 über den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung [SR 837.044]; vgl. BGE 110 V 387 Erw. 4b; ferner MEYER-BLASER, Die Abänderung formell rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen in der Sozialversicherung, in: ZBl 95 [1994] S. 337 ff., S. 352 Fn. 77). Ein rückwirkender Wechsel des Beitragsstatuts der in der Nachzahlungsverfügung vom 13. September 1994 genannten und ursprünglich als selbständigerwerbend
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eingestuften Frauen ist daher zulässig (vgl. Erw. 4 hievor), zumal nach Art. 16 Abs. 3 AHVG der Anspruch auf Rückforderung der bereits entrichteten persönlichen Beiträge nicht verwirkt ist.
Inwiefern dieser Statutswechsel dem Grundsatz des Vertrauensschutzes widersprechen soll, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt wird, ist nicht ersichtlich. Namentlich kann keine Rede davon sei, es habe im Zeitpunkt der Übernahme des Telekiosk-Betriebes am 1. Januar 1993 eine langjährige Praxis der Ausgleichskassen im Sinne der Einstufung der Telefonhostessen als Selbständigerwerbende bestanden, gibt es doch den "Telekiosk 156" erst seit Oktober 1991. Der Beschwerdeführer durfte daher nicht ohne weiteres auf die Richtigkeit dieser Qualifizierung vertrauen. Dass er eine solche nach Treu und Glauben verbindliche Auskunft von der zuständigen Ausgleichskasse erhalten hatte (vgl. BGE 119 V 307 Erw. 3a, BGE 118 Ia 254 Erw. 4b, je mit Hinweisen), macht er im übrigen nicht geltend.
c) Zusammenfassend erweist sich der in masslicher Hinsicht nicht angefochtene Entscheid als Rechtens.

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Sachverhalt

Erwägungen 3 4 5 6

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