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Urteilskopf

123 III 261


42. Auszug aus den Urteilen der I. Zivilabteilung vom 10. Juni 1997 i.S. Rinsoz & Ormond Tabac SA und Fivaz & Cie SA gegen Homag AG (Berufung und staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Art. 697a ff. OR. Sonderprüfung.
Gegenstand einer Sonderprüfung können nur Interna der Gesellschaft sein; ein Sonderprüfer kann nicht mit einer allgemeinen Marktuntersuchung beauftragt werden (Entscheid über die Berufung, E. 2).
Der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers setzt nach Art. 697a Abs. 1 OR die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder des Einsichtsrechts sowie ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus; Tragweite dieser Voraussetzungen (Entscheid über die Berufung, E. 3).
Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR (Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde, E. 4).

Sachverhalt ab Seite 262

BGE 123 III 261 S. 262

A.- Die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA sind Aktionäre der Homag AG. Diese Gesellschaft befasst sich im wesentlichen mit der Veredelung und Homogenisierung von Tabakblättern. Sie verkauft ihre Produkte sowohl an Aktionäre wie an Dritte.
Mit Schreiben vom 9. August 1995 wandten sich die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA an den Verwaltungsrat der Homag AG und beantragten im Hinblick auf die ordentliche Generalversammlung vom 8. September 1995 die Traktandierung eines Auskunftsbegehrens, mit dem der Verwaltungsrat unter anderem aufgefordert wurde, über seine Geschäftspolitik gegenüber Aktionären und Nichtaktionären sowie über die Bildung und Auflösung von stillen Reserven Bericht zu erstatten. Anlässlich der Generalversammlung erteilte der Verwaltungsrat den Aktionären schriftlich Auskunft zu den im Auskunftsbegehren gestellten Fragen. Im Anschluss daran beantragten die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA die Einsetzung eines Sonderprüfers. Dieser Antrag wurde von der Generalversammlung bei einer Enthaltung mit 721 zu 225 Stimmen abgelehnt.

B.- Mit Gesuch vom 6. Dezember 1995 stellten die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA beim Handelsgericht
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des Kantons Aargau das Begehren, es sei ein Sonderprüfer gemäss Art. 697a ff. OR einzusetzen, wobei sich die Untersuchung insbesondere auf die Erhebung der erforderlichen Angaben betreffend den Herstellpreis der Produkte der Gesellschaft, die Verrechnungspreise an die Aktionäre und die Erhebung von Konkurrenzpreisen betreffend die Geschäftsjahre 1990/91 bis 1994/95 zu erstrecken habe. Der Vizepräsident des Handelsgerichts wies das Gesuch mit Entscheid vom 24. September 1996 ab. Die Verfahrenskosten setzte er auf Fr. 5'866.-- fest und auferlegte sie den Klägerinnen. Im weiteren verpflichtete er die Klägerinnen, der beklagten Gesellschaft eine Parteientschädigung von Fr. 24'320.35 auszurichten.

C.- Die Klägerinnen haben gegen den Entscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist beide Rechtsmittel ab, soweit es darauf eintritt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen des Entscheids über die Berufung:

2. Die Sonderprüfung ist wie das Auskunfts- und das Einsichtsrecht der Aktionäre ein Mittel, das den Aktionären Zugang zu Informationen über Angelegenheiten der Gesellschaft verschaffen soll (Art. 697 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 697a Abs. 1 OR). Mit ihrem Sonderprüfungsantrag streben die Klägerinnen näheren Aufschluss über den Herstellpreis der Produkte der Beklagten, über die Verrechungspreise an die Aktionäre und über die Konkurrenzpreise an. Nach Ansicht der Beklagten handelt es sich bei den Konkurrenzpreisen nicht um eine Angelegenheit der Gesellschaft. Sie tritt der gegenteiligen Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts entgegen. Zu einer derartigen Kritik am angefochtenen Entscheid ist sie im Rahmen der Berufungsantwort befugt (vgl. BGE 118 II 36 E. 3 S. 37, mit Hinweis).
a) Das Institut der Sonderprüfung ist anlässlich der Aktienrechtsrevision von 1991 mit dem Ziel eingeführt worden, die Informationslage der Aktionäre zu verbessern (BBl 1983 II 834; vgl. auch BGE 120 II 393 E. 4 S. 396). Mit diesem Mittel der Informationsbeschaffung soll den Aktionären ermöglicht werden, in hinreichender Kenntnis der Sachlage darüber zu entscheiden, ob und wie sie von ihren Aktionärsrechten Gebrauch machen wollen (WEBER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 11 zu Art. 697a OR; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, S. 402 Rz. 8; Andreas Casutt, Die Sonderprüfung im
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künftigen schweizerischen Aktienrecht, Diss. Zürich 1991, S. 21 Rz. 13; derselbe, Das Institut der Sonderprüfung, ST 1991, S. 574). Die Sonderprüfung soll dem Informationsdefizit abhelfen, das dadurch entsteht, dass die Minderheitsaktionäre kaum Möglichkeiten haben, an Interna der Gesellschaft heranzukommen (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl. 1996, S. 985 f. Rz. 1850). Aus dieser Zweckbestimmung des Instituts folgt, dass die Sonderprüfung nur zur Beschaffung von Informationen zur Verfügung steht, die gesellschaftsinterne Verhältnisse betreffen. Tatsachen, die ausserhalb der Gesellschaft liegen, können auch dann nicht Gegenstand einer Sonderprüfung sein, wenn sie geeignet sind, den Geschäftsgang der Gesellschaft mitzubeeinflussen. Den Aktionären ist zuzumuten, sich über solche Tatsachen anderweitig zu informieren. Ausgeschlossen ist es daher insbesondere, einen Sonderprüfer mit einer allgemeinen Untersuchung der Marktlage in einem bestimmten Wirtschaftssektor zu beauftragen.
b) Auf eine derartige Marktuntersuchung würde die von den Klägerinnen verlangte Erhebung der Konkurrenzpreise durch einen Sonderprüfer hinauslaufen. Dieser Untersuchungsgegenstand lässt sich daher entgegen der Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts nicht als Angelegenheit der Gesellschaft bezeichnen. Soweit die Klägerinnen Auskünfte über die Konkurrenzpreise erlangen möchten, ist ihr Gesuch um Sonderprüfung folglich zum vornherein unzulässig. Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass es ihr nicht zumutbar wäre, eine Sonderprüfung über sich ergehen zu lassen und die entsprechenden Kosten zu tragen (Art. 697g OR), soweit der Sonderprüfer nicht Interna der Gesellschaft untersuchen, sondern die Preise der Konkurrenz in Erfahrung bringen soll.

3. Nach Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts scheitert das Sonderprüfungsbegehren der Klägerinnen teils am Fehlen eines vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens, teils angesichts der vom Verwaltungsrat bereits erteilten Auskünfte an der mangelnden Erforderlichkeit weiterer Abklärungen. Die Klägerinnen halten den angefochtenen Entscheid in beider Hinsicht für bundesrechtswidrig.
a) Eine Sonderprüfung kann ein Aktionär nach Art. 697a Abs. 1 OR nur beanspruchen, wenn er das Auskunfts- oder das Einsichtsrecht (Art. 697 OR) bereits ausgeübt hat. Insoweit ist der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers gegenüber dem Recht auf Auskunft und auf Einsicht subsidiär. Daraus folgt, dass das Sonderprüfungsbegehren thematisch vom vorgängigen Auskunfts- oder
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Einsichtsbegehren abgedeckt sein muss. Wie hoch die Anforderungen an die thematische Identität anzusetzen sind, ist allerdings umstritten. Während Horber dafür hält, dass das Auskunfts- oder Einsichtsbegehren den maximalen Rahmen des Rechts, eine Sonderprüfung zu beantragen, abstecke (Das Auskunftsbegehren und die Sonderprüfung - siamesische Zwillinge des Aktienrechts, SJZ 91/1995, S. 165 Fn. 6; ähnlich CASUTT, a.a.O., Diss., S. 72 Rz. 16), genügt es für BÖCKLI, wenn der antragstellende Aktionär den Verwaltungsrat im wesentlichen zum gleichen Gegenstand, auf den das Gesuch um Sonderprüfung abzielt, um Auskunft oder Einsicht ersucht hat (a.a.O., S. 991 Rz. 1866). Noch offener formuliert KUNZ: Für ihn muss der Antrag auf Sonderprüfung zwar einen gewissen Konnex mit dem vorgängigen Informationsbegehren haben, darf inhaltlich jedoch auch weiter gefasst werden (Zur Subsidiarität der Sonderprüfung, SJZ 92/1996, S. 3). Er rechtfertigt diese Ansicht damit, dass die vom Verwaltungsrat erteilten Informationen neue Aspekte offenbaren oder zusätzliche Überlegungen und Verdachtsmomente begründen können und dass es diesfalls künstlich erschiene, ein weiteres Informationsbegehren zu verlangen, bevor der Antrag auf Sonderprüfung zugelassen würde (a.a.O.). Schliesslich weisen CASUTT (a.a.O., Diss., S. 18) und von GREYERZ (Aktionärsschutz im neuen Aktienrecht, ZBJV 120/1984, S. 453) darauf hin, dass der Aktionär oft gar nicht sinnvoll wird fragen können, weil er die hiefür notwendigen Anhaltspunkte nicht kennt.
Durch das vorgängige Auskunfts- oder Einsichtsbegehren soll der Verwaltungsrat die Gelegenheit erhalten, das Informationsbedürfnis der Aktionäre von sich aus zu befriedigen, bevor das mit Aufwand und Umtrieben verbundene Verfahren auf Sonderprüfung eingeleitet wird. Massgebend für die thematische Begrenzung der Zulässigkeit eines Sonderprüfungsbegehrens ist deshalb das Informationsbedürfnis der antragstellenden Aktionäre, wie es der Verwaltungsrat nach Treu und Glauben aus dem vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehren erkennen musste. Dabei darf sich der Verwaltungsrat zwar nicht hinter einer wortklauberischen Auslegung verschanzen und zum vornherein nur ausdrücklich gestellte Fragen beantworten. Auf der anderen Seite ist aber auch den Aktionären zuzumuten, bei der Formulierung ihres Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens eine gewisse Sorgfalt aufzuwenden und darin so klar, wie es ihnen aufgrund ihres Kenntnisstandes möglich ist, zum Ausdruck zu bringen, worüber sie weiteren Aufschluss zu erhalten wünschen.
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Nebst der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder des Einsichtsrechts setzt das Begehren um Sonderprüfung - wie jede Klage - ein aktuelles Rechtsschutzinteresse des Antragstellers voraus (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., S. 404 Rz. 29; WEBER, a.a.O., N. 15 zu Art. 697a OR). Die Durchführung der Sonderprüfung muss dem Antragsteller die Ausübung von Rechten oder die Beurteilung von Chancen ermöglichen, wozu er sonst nicht in der Lage wäre (CASUTT, a.a.O., Diss., S. 38 Rz. 8). Das meint das Gesetz, wenn es eine Sonderprüfung nur zulässt, sofern sie "zur Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich" ist (Art. 697a Abs. 1 OR). An der Erforderlichkeit einer Sonderprüfung fehlt es insbesondere, wenn die Sachverhalte, die abgeklärt werden sollen, aufgrund der Auskunftserteilung des Verwaltungsrats bereits offen zu Tage liegen (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., S. 405 Rz. 30). Dabei bleibt es zwar grundsätzlich Sache der betroffenen Aktionäre zu entscheiden, ob sie sich mit den vom Verwaltungsrat gelieferten Informationen zufrieden geben wollen (BÖCKLI, a.a.O., S. 991 Rz. 1866). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Sonderprüfungsbegehrens ist jedoch, dass die Aktionäre bei vernünftiger Betrachtung Anlass haben konnten, an der Vollständigkeit oder an der Richtigkeit der vom Verwaltungsrat erteilten Auskünfte zu zweifeln. An einer Sonderprüfung zu Fragen, die durch die Auskünfte des Verwaltungsrats bereits zweifelsfrei geklärt sind, besteht kein hinreichendes Rechtsschutzinteresse. Es wäre sinnlos, eine Sonderprüfung durchzuführen, die den Aktionären keine neuen Perspektiven eröffnen kann (CASUTT, a.a.O., Diss., S. 41 RZ 12).
b) Im vorliegenden Fall hat nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid der Verwaltungsrat zu den Verrechnungspreisen der beklagtischen Produkte an Aktionäre und an Dritte in der Generalversammlung umfassend Auskunft erteilt. Den Klägerinnen ist es im kantonalen Verfahren - wie die Vorinstanz willkürfrei festgestellt hat (E. 3 des Entscheids über die staatsrechtliche Beschwerde) - nicht gelungen, Zweifel an den Preisangaben des Verwaltungsrats glaubhaft zu machen. Damit ist davon auszugehen, dass die Frage, zu welchen Preisen die Beklagte im massgeblichen Zeitraum an Aktionäre und an Dritte geliefert hat, bereits zweifelsfrei geklärt ist. Bei dieser Sachlage aber hat der Vizepräsident des Handelsgerichts in bezug auf die Verrechnungspreise ein aktuelles Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen an einer Sonderprüfung zu Recht verneint.
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Die Herstellungskosten hatten die Klägerinnen in ihrem Auskunftsbegehren an den Verwaltungsrat der Beklagten nicht erwähnt. Sie hatten diesen lediglich aufgefordert, über die Verrechnungspreise gegenüber Aktionären, nahestehenden Personen und unabhängigen Dritten Bericht zu erstatten. Weshalb der Verwaltungsrat dieser klar umgrenzten Fragestellung hätte entnehmen müssen, dass die Klägerinnen zusätzlich auch noch Auskunft zum Herstellpreis der beklagtischen Produkte zu erhalten wünschen, ist nicht einzusehen. Wenn, wie die Klägerinnen glauben zu machen suchen, von Anfang an klar gewesen sein sollte, dass sie auch darüber Angaben benötigten, um die Aussichten einer Rückforderungsklage gemäss Art. 678 OR beurteilen zu können, so hätten sie die entsprechende Frage ohne weiteres auch stellen können. Da sie jedoch nur zu den Verrechnungspreisen Auskunft verlangt hatten, durfte der Verwaltungsrat nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass ihnen die Angaben dazu genügen würden. Die Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts, in bezug auf den Herstellpreis der beklagtischen Produkte fehle es an einem vorgängigen Auskunftsbegehren, ist deshalb ebenfalls nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerinnen behaupten, die Herstellungskosten seien seit mehreren Jahren Gegenstand von Diskussionen und von Korrespondenz gewesen, scheitern ihre Berufungsvorbringen im übrigen auch daran, dass darüber im angefochtenen Entscheid keine tatsächlichen Feststellungen zu finden sind; die Klägerinnen verkennen, dass das Bundesgericht als Berufungsinstanz an den vom kantonalen Sachrichter festgestellten Sachverhalt gebunden ist. Schliesslich erscheint entgegen den Ausführungen in der Berufung auch als zweifelhaft, ob die Klägerinnen in der Tat auf eine Sonderprüfung angewiesen sind, um sich ein Bild über die Herstellungskosten zu machen, ist doch schon aus den Auskünften des Verwaltungsrats über die Bilanzierung und über den Geschäftsgang erkennbar, dass und in welchem Gesamtumfang die Produktion der Beklagten im fraglichen Zeitraum nicht kostendeckend sein konnte.
Aus den Erwägungen des Entscheids über die staatsrechtliche Beschwerde:

4.- Die Beschwerdevorbringen gegen den Sachentscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts erweisen sich somit als unbegründet, soweit es nicht ohnehin bereits an den Eintretensvoraussetzungen fehlt. Zu prüfen bleiben die Rügen, welche die Beschwerdeführerinnen
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gegen die im angefochtenen Entscheid getroffene Kosten- und Entschädigungsregelung erheben. Der Vizepräsident des Handelsgerichts hat für die Festsetzung von Gerichtsgebühr und Parteientschädigung auf den Streitwert abgestellt. Den Streitwert hat er - unter Hinweis auf BGE 120 II 393 - nach der Höhe des von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten mutmasslichen Schadens zufolge Verletzung ihrer Aktionärsrechte bemessen, den er schätzungsweise mit Fr. 250'000.-- angenommen hat. Gegen diese Streitwertbemessung wenden sich die Beschwerdeführerinnen. Ihrer Ansicht nach ist es willkürlich, den Streitwert des Gesuchs um Einsetzung eines Sonderprüfers mit dem mutmasslichen Schaden gleichzusetzen.
a) Den Beschwerdeführerinnen ist zuzugestehen, dass beim Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen eines Verfahrens auf dessen Gegenstand und auf dessen Natur Rücksicht zu nehmen ist. Sie bringen in diesem Zusammenhang an sich zutreffend vor, dass Streitgegenstand des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR nicht die Verpflichtung der Gesellschaft oder Dritter zu Schadenersatz ist. Es geht vorerst vielmehr einzig um die Frage, ob bestimmte Sachverhalte, die als mögliches Klagefundament für eine spätere Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in Betracht kommen, mittels Sonderprüfung abgeklärt werden sollen oder nicht (FELIX HORBER, Die Informationsrechte des Aktionärs, S. 399, Rz. 1228). Der Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers zielt lediglich auf die Beschaffung von Informationen ab. Die beantragte Sonderprüfung soll den Aktionären diejenigen Informationen liefern, die sie als Grundlagen für ihren Entscheid benötigen, ob und wie sie ihre Aktionärsrechte ausüben wollen (Treuhand-Kammer, Revisionshandbuch der Schweiz, 1992 Bd. II, S. 586), während es gerade nicht Sache des Sonderprüfers ist, darüber zu befinden, ob bestimmte Ansprüche, die einzelne Aktionäre zu besitzen glauben oder vermuten, bestehen oder nicht bestehen, hat er doch nur bestimmte Sachverhalte zu untersuchen, ohne sich über Rechtsfragen auszusprechen (BÖCKLI, a.a.O. S. 993 Rz. 1872 und S. 998 Rz. 1884, WEBER, a.a.O., N 16 zu Art. 697a OR, PREDROJA, Die Sonderprüfung im neuen Aktienrecht, AJP 1992, S. 779, CASUTT, a.a.O., Diss., S. 46 f. und ST 1991, S. 576). Mittels Sonderprüfung sollen sich die Aktionäre die nötigen Informationen beschaffen können, bevor sie sich zu einer Leistungsklage mit den entsprechenden Kostenrisiken entschliessen. Das Kostenrisiko eines Gesuchs um Sonderprüfung sollte daher im Vergleich zu jenem einer Leistungsklage
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bescheiden bleiben (CASUTT, a.a.O., Diss., S. 21 f. Rz. 13 und S. 282 Rz. 1; HIRSCH, Le contrôle spécial, in: Ciocca, Le nouveau droit des sociétés anonymes, S. 419 und 422).
Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der von den antragstellenden Aktionären geltend gemachte mutmassliche Schaden für die Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens zwingend in jeder Hinsicht bedeutungslos bleiben müsste. Sonderprüfungen werden nicht um ihrer selbst willen, sondern im Hinblick auf eine sachgerechte Ausübung von Aktionärsrechten durchgeführt. Der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers setzt denn nach Art. 697b Abs. 2 OR auch voraus, dass eine Schädigung der Gesellschaft oder von Aktionären glaubhaft gemacht wird. Es liegt daher auf der Hand, dass der Vermögenswert der Informationen, welche die antragstellenden Aktionäre mit der beantragten Sonderprüfung zu erlangen suchen, vom mutmasslichen Schaden abhängig ist. Der Zusammenhang mit dem mutmasslichen Schaden ist allerdings insofern nur ein indirekter, als vorerst offen ist, ob die beantragte Sonderprüfung die Verdachtsmomente, aus denen die antragstellenden Aktionäre die Glaubhaftigkeit einer Schädigung ableiten, bestätigt oder entkräftet; die Sonderprüfung soll die Aktionäre erst in die Lage versetzen zu beurteilen, ob es sich tatsächlich lohnt, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Im weiteren ist zu beachten, dass das eigene geldwerte Interesse, das die antragstellenden Aktionäre an der Durchführung der beantragten Sonderprüfung haben, nicht einfach dem mutmasslichen Gesamtschaden entsprechen kann, sondern höchstens dem Wertzuwachs ihrer Beteiligung am Aktienkapital, zu dem eine erfolgreiche Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen führen könnte. Schliesslich deckt sich auch das geldwerte Interesse, das die betroffene Gesellschaft an der Verhinderung einer Sonderprüfung haben kann, nicht ohne weiteres mit dem mutmasslichen Schaden, würde sich doch eine gestützt auf die Ergebnisse der Sonderprüfung erhobene Schadenersatzklage gar nicht gegen sie, sondern gegen Gründer, Organe oder Aktionäre richten; geklagt würde zudem auf Leistung an die Gesellschaft (Art. 678 Abs. 3 Satz 2 und Art. 756 Abs. 1 Satz 2 OR).
Dennoch kann es nicht ohne weiteres als willkürlich bezeichnet werden, wenn ein Gericht für die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR zunächst vom glaubhaft zu machenden mutmasslichen Schaden ausgeht, wie dies der Vizepräsident des Handelsgerichts im vorliegenden Fall getan hat. Von Willkür kann vielmehr erst die Rede sein,
BGE 123 III 261 S. 270
wenn Gerichtsgebühren und Parteientschädigungen gestützt auf einen nach diesem Schaden bemessenen Streitwert unbekümmert um die besondere Natur des Antragsverfahrens unhaltbar hoch angesetzt werden. Nicht halten liessen sich namentlich Gerichts- und Parteikosten, die das Kostenrisiko eines Gesuchs um Einsetzung eines Sonderprüfers in die Grössenordnung des Kostenrisikos rükken würden, mit dem eine ohne vorgängige Sonderprüfung direkt erhobene Leistungsklage verbunden gewesen wäre. Willkürlich wären ferner Gebühren und Parteientschädigungen, die in einem krassen Missverhältnis zum verursachten Aufwand stehen (vgl. BGE 120 Ia 171 E. 2a S. 174, mit Hinweisen). Dass und weshalb der angefochtene Kostenentscheid in diesem Sinne nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich sein soll (vgl. BGE 122 I 61 E. 3a S. 66 f.; BGE 122 III 130 E. 2a S. 131, je mit Hinweisen), ist in der Beschwerdeschrift ausgehend von den massgebenden kantonalen Gesetzes- und Tarifvorschriften im einzelnen darzulegen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 122 I 70 E. 1c S. 73, mit Hinweisen).
b) Eine derartige Darlegung lässt die vorliegende Beschwerde vermissen. Die Beschwerdeführerinnen nennen nicht einmal die Gesetzes- und Tarifvorschriften, bei deren Anwendung der Vizepräsident des Handelsgerichts in Willkür verfallen sein soll. Vor allem aber führen sie nicht näher aus, inwiefern die Gerichtsgebühr und die Parteientschädigung, die im angefochtenen Entscheid festgesetzt sind, im Ergebnis unhaltbar sein sollen. Sie behaupten zwar beiläufig, der Kostenentscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts führe dazu, dass das Kostenrisiko des Gesuchs um Einsetzung eines Sonderprüfers bereits gleich hoch sei wie dasjenige einer Leistungsklage; sie belegen diese Behauptung jedoch nicht näher. Ebensowenig lässt sich den Ausführungen in der Beschwerde entnehmen, dass die vom Vizepräsidenten des Handelsgerichts festgesetzten Gerichts- und Parteikosten im Verhältnis zum Aufwand, den die Beschwerdeführerinnen mit ihrem Begehren verursacht hatten, derart hoch wären, dass sie sich mit dem Willkürverbot nicht mehr vereinbaren liessen.

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Erwägungen 2 3

Referenzen

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