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Urteilskopf

124 IV 106


20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. April 1998 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen K. (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 270 Abs. 1 BStP; Legitimation der Staatsanwaltschaft zur Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons ist legitimiert, auch zugunsten des Beschuldigten Nichtigkeitsbeschwerde zu führen (E. 1).
Art. 197 Ziff. 3 StGB; Einfuhr harter Pornographie zum eigenen Konsum.
Erwerb und Besitz harter Pornographie im Hinblick auf den eigenen Konsum sind nicht erfasst (E. 3b).
Herstellung und Einfuhr harter Pornographie sind strafbar, auch wenn der Täter ohne Verbreitungsabsicht, etwa im Hinblick auf den eigenen Konsum, handelt (E. 3c).

Sachverhalt ab Seite 106

BGE 124 IV 106 S. 106

A.- K. erstand anfangs August 1996 in Amsterdam drei Videokassetten, die sexuelle Handlungen mit Tieren und Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben. Die Kassetten sandte er zusammen mit 30 g Marihuana und 30 g Haschisch auf dem Postweg an seine Adresse in der Schweiz. Die Postsendung wurde durch das Zollamt Genf abgefangen.
BGE 124 IV 106 S. 107

B.- Am 8. Januar 1997 verurteilte der Amtsgerichtspräsident von Solothurn-Lebern K. wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Konsum von Haschisch und Einfuhr von Haschisch und Marihuana zum Eigenkonsum) und Einfuhr von Pornographie zu 5 Tagen Haft bedingt und zu einer Busse von 300 Franken. Im weiteren ordnete er die Einziehung und Vernichtung der sichergestellten Videokassetten und Betäubungsmittel an.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft, die sich einzig gegen den Schuldspruch wegen Einfuhr von Pornographie richtete, stellte das Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 10. September 1997 den Eintritt der teilweisen Rechtskraft in bezug auf die unangefochtenen Punkte des Urteilsdispositivs fest; im übrigen sprach es K. der Pornographie schuldig und verurteilte ihn zu 5 Tagen Haft, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges, sowie zu einer Busse von 300 Franken.

C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit K. der Pornographie schuldig gesprochen wurde, und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen.

Erwägungen

Erwägungen:

1. Der öffentliche Ankläger des Kantons (Art. 270 Abs. 1 BStP) hat öffentliche Interessen zu wahren. Verletzt seiner Meinung nach der angefochtene Entscheid Bundesrecht, ist er durch diesen beschwert und ohne Rücksicht auf seine Stellungnahme vor der kantonalen Instanz zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde sowohl zu Ungunsten als auch zu Gunsten eines Angeklagten legitimiert (BGE 72 IV 163; Erhard Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, Rz. 229). Voraussetzung ist indessen stets, dass ein rechtlich geschütztes Interesse an der materiellen Überprüfung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheides besteht (SCHWERI, a.a.O., ebd.). Diese Legitimationsvoraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, in welchem die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft die Aufhebung des angefochtenen Entscheids im Schuldpunkt der Einfuhr harter Pornographie und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz beantragt.
BGE 124 IV 106 S. 108

2. Gemäss Art. 197 Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 1 StGB wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer pornographische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische Vorführungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht.
a) Nach Auffassung der Vorinstanz ist vorliegend der Straftatbestand der Einfuhr von pornographischen Bildaufnahmen, die sexuelle Handlungen mit Tieren und Gewalttätigkeiten zeigen, erfüllt. Im Katalog der in Art. 197 Ziff. 3 StGB aufgezählten Tathandlungen seien der Erwerb und der Besitz nicht enthalten. Daraus ergebe sich, dass der blosse Erwerb und Besitz harter Pornographie zum Eigenkonsum straflos seien. Bei den vom Gesetz aufgezählten Tathandlungen fehle ein die Strafbarkeit einschränkendes Tatbestandsmerkmal wie etwa das Handeln mit Verbreitungsabsicht. Der Wortlaut von Art. 197 Ziff. 3 StGB sei somit insoweit klar, als die Strafbarkeit der dort genannten Täterhandlungen grundsätzlich auch Verhaltensweisen umfasse, die ausschliesslich dem Eigenkonsum dienten. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergebe sich weiter, dass der Wortlaut der Bestimmung deren wahren Sinn wiedergebe. Es sei keineswegs ein Zufall oder ein Versehen, dass Art. 197 Ziff. 3 StGB bezüglich der Einfuhr harter Pornographie keine Verbreitungsabsicht fordere. Dieser Straftatbestand sei bewusst als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet worden. Die Intention des Gesetzgebers sei eindeutig dahin gegangen, die Schweiz soweit als möglich von solchen Erzeugnissen freizuhalten und, wie während den Beratungen in den eidgenössischen Räten mehrmals betont worden sei, diese schon an der Grenze aus dem Verkehr zu ziehen. So erkläre sich denn auch die auf den ersten Blick befremdliche Konsequenz, dass sich strafbar mache, wer harte Pornographie aus dem Ausland zum Eigenkonsum in die Schweiz bringe, hingegen straflos bleibe, wer solche Produkte in der Schweiz für denselben Zweck erwerbe; denn die Einfuhr auch ohne Verbreitungsabsicht erhöhe die abstrakte Gefahr, dass harte Pornographie auf den schweizerischen Markt gelange. Diejenigen Stimmen, welche eine Einschränkung der Strafbarkeit für sinnvoller hielten, seien mit ihrer Auffassung in den Räten nicht durchgedrungen. Zusammenfassend ergebe sich, dass auch die Einfuhr harter Pornographie mit der Absicht, sie für sich allein zu konsumieren, strafbar sei.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 197 Ziff. 3 StGB bundesrechtswidrig ausgelegt. Der dort enthaltene Katalog von Tathandlungen sei abschliessend. Der von der Norm nicht erwähnte Erwerb und Besitz zum Eigenkonsum seien mithin straflos. Daraus ergebe sich weiter, dass der Gesetzgeber gerade kein absolutes Verbot der harten Pornographie habe festlegen wollen. Es gehe im Lichte von Art. 1 StGB deshalb nicht an, den straflosen Erwerb und Besitz harter Pornographie zum Eigenkonsum auf dem Umweg über die Einfuhr doch noch zu bestrafen. Wohl treffe es zu, dass Art. 197 Ziff. 3 StGB die Einfuhr harter Pornographie verbiete, ohne die Strafbarkeit ausdrücklich auf den Fall zu beschränken, dass sie in der Absicht der Weiterverbreitung erfolge. Eine ausdrückliche Nennung der Verbreitungsabsicht als Strafbarkeitsvoraussetzung sei indes gar nicht nötig, weil alle Täterhandlungen derart ausschliesslich die Angebotsseite beschlagen würden, dass bereits die Aufzählung selbst eine ausdehnende Anwendung auf den reinen Konsumenten verbieten würde. Diese Auffassung werde von der Doktrin einhellig geteilt.

3. a) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (ausführlich dazu BGE 121 III 219 , insbesondere E. 1d/aa).
b) Fraglich ist zunächst, ob Art. 197 Ziff. 3 StGB in dem Sinne ein absolutes Verbot der harten Pornographie aufstellt, als auch der Erwerb und der Besitz solcher Erzeugnisse davon erfasst sind. Darauf scheint zunächst das vom Gesetzgeber mit der Strafnorm verfolgte Ziel des Jugendschutzes hinzudeuten, der es erfordere, "die harte Pornographie vollständig zu verbieten" (AB 1990 N 2331). Bereits die Botschaft des Bundesrates hatte die Bedeutung von Art. 197 Ziff. 3 StGB wie folgt zusammengefasst: "Ziffer 3 sieht ein absolutes Verbot der harten Pornographie vor" (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die
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Sittlichkeit und gegen die Familie] vom 26. Juni 1985, BBl 1985 II 1091). Dementsprechend ist in den eidgenössischen Räten vorgebracht worden, schon das "Aufbewahren" harter Pornographie könne jugendgefährdend sein (AB 1987 S 402). Gestützt auf den Gesetzeswortlaut liesse sich sodann argumentieren, derjenige, der harte Pornographie besitze, "lagere" solches Material im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB. Einer derart extensiven Auslegung steht indessen entgegen, dass der Bundesrat in bezug auf die wortgleiche Umschreibung des verbotenen Verhaltens in Art. 135 StGB gegenüber den Räten ausdrücklich festgehalten hat, der blosse Besitz ohne Verbreitungsabsicht stelle kein "Lagern" im Sinne der Norm dar (Votum von Bundesrat Arnold Koller zu Art. 135 StGB, AB 1989 S 296, 299; in diesem Sinne neuerdings auch die Rechtskommission des Nationalrats in ihrer Stellungnahme zur parlamentarischen Initiative von Felten [Einführung der Strafbarkeit des Besitzes und Konsums von Kinderpornographie], AB 1996 N 910 f.). Auch nennt das Gesetz im detaillierten Katalog strafbarer Tathandlungen den Erwerb, den Besitz und den Konsum - anders als etwa Art. 19 des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel (BetmG; SR 812.121) bei den Drogen - gerade nicht. Insofern ist die in Art. 197 Ziff. 3 StGB enthaltene Aufzählung strafbarer Verhaltensweisen als abschliessend anzusehen (Botschaft, a.a.O.,1091; GUIDO JENNY, in MARTIN SCHUBARTH/GUIDO JENNY/PETER ALBRECHT, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, 4. Band: Delikte gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie, Bern 1997, Art. 197 N. 5). Auf dieser Grundlage vertritt das Schrifttum zu Recht die Auffassung, der Erwerb und Besitz harter Pornographie zum eigenen Konsum seien nach geltendem Recht straflos (URSULA CASSANI, Les représentations illicites du sexe et de la violence, ZStrR 111/1993, S. 439; JENNY, a.a.O., Art. 197 N. 5 und 23; FRANZ RIKLIN, Information Highway und Strafrecht, in RETO M. HILTY (Hrsg.), Information Highway, Bern 1996, S. 591 Fn. 126; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl. Bern 1995, § 10 N. 16; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 197 N. 14; PHILIPPE WEISSENBERGER, Strafwürdiger Besitz von Kinderpornographie?, Zu den geplanten Gesetzesrevisionen im Bereich der harten Pornographie, AJP 3/98, S. 311 f.). In den eidgenössischen Räten wurde im Rahmen der jüngsten Diskussion um eine Verschärfung des Pornographieverbots die gleiche Auffassung zum Ausdruck gebracht (AB 1996 N 910; AB 1997 S 148 ff.).
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c) Nach der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung ergibt sich aus der Straflosigkeit des Erwerbs und Besitzens harter Pornographie zum eigenen Konsum, dass auch das Herstellen und Einführen solcher Erzeugnisse zu diesem Zweck straflos bleiben müssten (CASSANI, ZStrR 111/1993, ebd.; dies., La responsabilité pénale du consommateur de pornographie enfantine, Medialex 1/98, S. 31; JENNY, a.a.O., Art. 197 N. 23; TRECHSEL, a.a.O., ebd.; unbestimmt STRATENWERTH, a.a.O., ebd.; a.M. WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312 Fn. 9). Dieser überwiegend vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden.
aa) Gemäss der Botschaft des Bundesrates dient die Vorschrift des Art. 197 Ziff. 3 StGB "in erster Linie einem vorbeugenden Jugendschutz" (Botschaft, BBl 1985 II 1091). Auch in der parlamentarischen Diskussion wurde der Gedanke des Jugendschutzes hervorgehoben (AB 1987 S 402; AB 1990 N 2331). Darin kommt die Befürchtung zum Ausdruck, die (gewollte oder unfreiwillige) Konfrontation mit den in Art. 197 Ziff. 3 StGB genannten Spielarten sexualbezogener Vorgänge oder Darstellungen könne die psychische und moralische Entwicklung junger Menschen nachteilig beeinflussen (JENNY, a.a.O., Art. 197 N. 23; STRATENWERTH, a.a.O., ebd.; TRECHSEL, a.a.O., Art. 197 N. 2; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312; kritisch aber CASSANI, ZStrR 111/1993, S. 437 f.). Als zentrales Rechtsgut dieser Vorschrift erscheint somit die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Insofern handelt es sich bei Art. 197 Ziff. 3 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (Botschaft, a.a.O., 1089).
Als weiteren Gesichtspunkt nennt die Botschaft den Schutz der Erwachsenen, ohne freilich näher zu bestimmen, vor welchen Gefahren diese bewahrt werden sollen (Botschaft, BBl 1985 II 1091). Man wird - neben dem Gesichtspunkt des Schutzes vor ungewollter Konfrontation mit solchen Erzeugnissen - diesbezüglich auf den Gedanken abstellen müssen, den die Botschaft im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Gewaltdarstellungen im Sinne von Art. 135 StGB - der mit Art. 197 StGB eng verwandt ist - formuliert hat: Dass Gewaltanwendungen auf den Betrachter korrumpierend wirken könnten, d.h. an sich geeignet sind, beim Konsumenten die Bereitschaft zu erhöhen, selbst gewalttätig zu agieren oder doch die Gewalttätigkeit anderer gleichgültig hinzunehmen (Botschaft, BBl 1985 II 1047 f.; STRATENWERTH, a.a.O., § 4 N. 84; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312 f.; im gleichen Sinne JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl. Zürich 1997, S. 419 § 60 Ziff. 4). Dies bedeutet
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für den Tatbestand des Art. 197 Ziff. 3 StGB, dass die von dieser Vorschrift erfassten Tatobjekte auch wegen ihrer inhärenten Schädlichkeit im Sinne eines von ihnen wissenschaftlich nicht ausschliessbaren kriminogenen und ethisch desintegrierenden Einflusses auf die erwachsenen Konsumenten verboten sind. Dem Verbot der harten Pornographie liegt mit anderen Worten auch die Prämisse zugrunde, dass die im Gesetz genannten Darstellungen und Vorführungen beim Verbraucher u.a. die Bereitschaft erhöhen können, das Geschehen selbst nachzuahmen. In diesem Sinne will Art. 197 Ziff. 3 StGB insbesondere auch die potentiellen "Darsteller" harter Pornographie vor sexueller Ausbeutung, Gewalt und erniedrigender bzw. menschenunwürdiger Behandlung bewahren (WEISSENBERGER, a.a.O., S. 313; dahingehend [zu Art. 135] auch RIKLIN, Sinn und Problematik einer "Brutalonorm" im Strafgesetzbuch, in PETER GAUCH [Hrsg.], Das Menschenbild im Recht, Freiburg 1990, S. 421; a.M. CASSANI, Medialex 1/98, S. 27 und TRECHSEL, a.a.O., Art. 135 N. 2). Auch insofern geht es letzten Endes in jedem Fall um eine aus dem Konsum harter Pornographie sich ergebende abstrakte Rechtsgutsgefährdung (STRATENWERTH, a.a.O., § 4 N. 84 zu Art. 135).
bb) Wie die Beschwerdeführerin an sich zu Recht ausführt, stellt Art. 197 Ziff. 3 StGB Tathandlungen unter Strafe, von denen die Gefahr der Weiterverbreitung ausgehen kann ("herstellt, einführt"), oder die auf eine Verbreitung harter Pornographie ausgerichtet sind ("lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht"). Wie erwähnt, hat der Bundesrat im Rahmen der Beratungen im Sinne einer authentischen Interpretation ausgeführt, der blosse Besitz ohne Verbreitungsabsicht stelle kein "Lagern" im Sinne von Art. 135 Abs. 1 und 197 Ziff. 3 StGB dar. Daraus lässt sich indessen nicht ableiten, die Verbreitungsabsicht sei (auch) für die Tathandlungen des Herstellens und des Einführens ein subjektives Tatbestandsmerkmal. Denn der bundesrätliche Entwurf hat das im Vorentwurf noch enthaltene Erfordernis der Verbreitungsabsicht gerade gestrichen (dazu STRATENWERTH, a.a.O., § 10 N. 16). Ferner sind in den Räten Vorstösse gescheitert, die bei Art. 135 StGB einschränkend stets ein Verhalten fordern wollten, mit dem eine Verbreitungsgefahr oder doch die Gefahr verbunden ist, dass Jugendliche "Brutalos" zu Gesicht bekommen könnten, und zwar mit dem Argument, dass solchen Gefahren nur ein generelles Verbot wirksam begegnen könne (AB 1987 S 370 f.; STRATENWERTH, a.a.O., § 4 N. 98). Aus der Entstehungsgeschichte der Art. 197 Ziff. 3
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und 135 StGB
geht im weiteren hervor, dass der Gesetzgeber die Einfuhr der dort genannten Erzeugnisse in die Schweiz losgelöst von den Absichten des Täters unter Strafe stellen wollte, um damit die Grundlage für ein umfassendes Beschlagnahmen der Gegenstände zu schaffen. Auf diese Weise sollten legale Umgehungsmöglichkeiten - wie etwa der Einwand der Einfuhr zum Eigenkonsum - ausgeschlossen werden (dahingehend Botschaft, BBl 1985 II 1091, und AB 1987 S 370 f.).
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen und den oben dargelegten Schutzzwecken der Norm ersehen lässt, sind die Herstellung und die Einfuhr harter Pornographie nicht ausschliesslich deshalb strafbar, weil sie Vorbereitungshandlungen zur Verbreitung der Erzeugnisse sein können. Vielmehr begründet auch derjenige, der ausschliesslich im Hinblick auf seinen eigenen Konsum harte Pornographie herstellt oder einführt, jedenfalls eine abstrakte Rechtsgutsgefährdung im oben (E. 3c/aa) umschriebenen Sinne. Gerade auch der vom Gesetzgeber hervorgehobene Gedanke der potentiell korrumpierenden Wirkung solcher Erzeugnisse auf den Verbraucher steht dem Ansinnen entgegen, die Strafbarkeit der fraglichen Tathandlungen generell auf die Fälle einzuschränken, in denen der Täter mit - im übrigen unter Umständen nur schwer nachweisbarer - Verbreitungsabsicht gehandelt hat (ähnlich WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312 Fn. 9).
cc) Im vorliegenden Fall hat K. Videokassetten, die sexuelle Handlungen mit Tieren und Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, auf dem Postweg in die Schweiz eingeführt. Auch wenn die postalische Beförderung harter Pornographie als grundsätzlich zuverlässige Beförderungsart anzusehen ist, steigt mit ihr - etwa im Vergleich zu ihrem Besitz oder Erwerb in der Schweiz - die Gefahr, dass die Erzeugnisse auf dem Weg zum Adressaten oder am Bestimmungsort in Hände gelangen, für welche sie nicht bestimmt waren, und dass auf diese Weise der Inhalt der Postsendung von Dritten zur Kenntnis genommen wird.
dd) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, indem sie ausgehend vom Charakter des Art. 197 Ziff. 3 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt K. wegen Einfuhr harter Pornographie verurteilt hat.
Es ist zwar einzuräumen, dass es befremdlich erscheinen mag, wenn einerseits der Erwerb und Konsum harter Pornographie straflos sind, das Einführen solcher Erzeugnisse im Hinblick auf den Konsum jedoch strafbar bleibt. Der Gesetzgeber hat aber offenbar
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bei Einfuhrhandlungen die Gefahr einer nicht beabsichtigten Weiterverbreitung der Erzeugnisse höher veranschlagt, als die aus dem blossen Besitz harter Pornographie im Inland sich ergebende abstrakte Gefahr, dass Dritte vom Inhalt der fraglichen Produkte Kenntnis nehmen könnten (vgl. Botschaft, BBl 1985 II 1091 und AB 1987 S 370 f.). Daran zeigt sich, dass der geltenden Regelung kein Versehen des Gesetzgebers zugrundeliegt.

4. (Kostenfolgen)

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Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4

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BGE: 121 III 219

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